„Schmutziger Deal“: Keine echte Rassismus-Studie? Empörung nach Scholz-Vorstoß

Wer ist „eingeknickt“? Horst Seehofer hat nun doch einer Polizeistudie zugestimmt - doch Olaf Scholz‘ vermeintlicher Durchbruch entsetzt die Opposition.
- Nach monatelangem Ringen soll nun doch eine Polizei-Studie kommen - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz verkündete die Neuigkeit.
- Doch der vermeintliche Erfolg stürzt die Sozialdemokraten in Probleme: Die Kritik bei der Opposition und im Netz ist groß.
- Kritikpunkte sind die vermutete Ausrichtung der Studie und ein möglicher Kuhhandel: Offenbar will die SPD beim „Staatstrojaner“ klein beigeben.
Berlin - Monatelang hatte sich Horst Seehofer (CSU) gegen eine Studie zu Rassismus in der Polizei gewehrt. Nun kam überraschend die Wende. Doch die Empörung ist bei unterschiedlichsten Gruppen groß - Kritik äußerten am Dienstag Oppositionsparteien von AfD bis Linke. Letztere äußerte ebenso wie die FDP einen bösen Verdacht: Die SPD habe in einer Art Kuhhandel der Union den „Staatstrojaner“ versprochen - und dafür nicht einmal eine Rassismus-Erhebung erhalten, die diesen Namen verdient.
Polizei-Studie: Seehofer gibt nach - doch das Ergebnis stürzt die SPD in Probleme bei der Wählerschaft
Vorangegangen war eine Ankündigung von Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der auch eine Gesetzesänderung ankündigte. Schon vor Seehofer hatte er in einem Podcast die Studienpläne publik gemacht. „Wir überlegen noch, wie wir sie nennen“, sagte der Vizekanzler am Montag dem WDR.
Seehofer selbst betonte, er habe nicht nachgegeben. Es werde keine Studie geben, „die sich gegen die Polizei mit Unterstellungen und Vorwürfen richtet“, erklärte er am Dienstag. Tatsächlich ist laut einem internen Papier das Ziel, das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft und die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu analysieren. „Dazu gehören auch Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte“, hieß es. Untersuchen lassen will Seehofer in einem gesonderten Papier aber auch „Rassismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen“.
Kuhhandel um Polizei-Studie? SPD macht offenbar Zugeständnisse beim Verfassungsschutz
Dass Seehofer jetzt in Sachen Studie einen Kompromiss mit der SPD* erzielt hat, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass sein Ministerium bei einigen Gesetzesvorhaben, die vom Koalitionspartner blockiert wurden, endlich vorankommen will. Dem Vernehmen nach sind Union und SPD jetzt auch bei der seit langer Zeit geplanten Novelle des Verfassungsschutzrechts zu einer Einigung gekommen. Bundesverfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst sollten künftig Verdächtigen Trojaner aufs Handy spielen können, um Nachrichten und Anrufe über Apps wie WhatsApp mitschneiden zu können.
SPD-Chefin Saskia Esken - die im Sommer das Innenministerium mit der Rede von „latentem Rassismus“ bei der deutschen Polizei verärgert hatte - zeigte sich zufrieden. Und in der Wortwahl vorsichtig. Die Studie werde zeigen, „ob es im Arbeitsalltag der Sicherheitsbehörden Strukturen gibt, die die Entstehung rassistischer Denkmuster begünstigen“, erklärte sie den Stuttgarter Nachrichten. Zudem werde das Vertrauen der Bürger in die Polizisten gestärkt, „das sie zu Recht genießen“. Bei der Opposition war Verblüffung und Zorn allerdings groß.
Seehofer und die Polizeistudie: Linke wirft SPD „schmutzigen Deal“ vor - Liberale sehen Bürgerrechte in Gefahr
Linke-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte bezeichnete die beiden Einigungen zur Polizei-Studie und den Geheimdienstbefugnissen als „schmutzigen Deal, der auf Kosten der Freiheitsrechte der Bevölkerung geht“. Partei-Vize Martina Renner kritisierte auch die Studienpläne: „Es wird keine wissenschaftliche Studie zu Rassismus in der Polizei erstellt. Es wird eine Dokumentation zu den subjektiven Erfahrungen von Polizist*innen in ihrem Arbeitsalltag geben“, twitterte sie - als Bonus gebe es „Staatstrojaner“ für die Geheimdienste.
Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser rügte, die SPD knicke ein und nicke „die Überwachungsfantasien von Seehofer“ ab. „Die Groko schützt keine Bürgerrechte!“, urteilte er. Mit dem früheren Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss übte auch ein Ex-SPD-Mann herbe Kritik. „Stück für Stück in den Überwachungsstaat“, schrieb Tauss in einem Tweet. Auf dem Kurznachrichtendienst trendete am Dienstagabend der Hashtag „#NieMehrSPD“. Mit einem ähnlichen Slogan waren jüngst auch die Grünen bedacht worden - wenn auch aus anderen Gründen.
Der Publizist Max Czollek sah in den Studien-Plänen unterdessen eine klare Themaverfehlung, wie er ebenfalls auf Twitter klarstellte. Erste Pressereaktionen zu den Plänen fielen erstaunlich divers aus. „Die nun angekündigte Studie ist eine Farce für jede Person, die in Deutschland rassistisch motivierte Polizeigewalt erlebt hat“, urteilte die Aachener Zeitung. „Die SPD hat sich durchgesetzt. Sie weiß die Mehrheit der Deutschen hinter sich“, befand hingegen die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle an der Saale in ihrem Kommentar.
Negativ war die Stimmungslage zu der Studie auch in der AfD. Die Argumentation der Rechtspopulisten war allerdings eine andere: Sie warfen Seehofer vor, vor der SPD eingeknickt zu sein. Wochenlang habe der Innenminister versichert, es werde keine Rassismus-Studie geben, erklärte Parteichef Tino Chrupalla. „Nun gibt er unter dem Druck von Vizekanzler Olaf Scholz klein bei.“ (fn/AFP/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.