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Linke diskutiert über Wagenknecht: Eklat bleibt aus – Fraktion kann Richtungsstreit vorerst entschärfen

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Von: Fabian Müller

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Mit ihrer hochumstrittenen Rede im Bundestag hat Sahra Wagenknecht die Linke gespalten. Ein Eklat konnte jedoch wohl vorerst entschärft werden.

Update vom 20. September, 17.44 Uhr: Die Linksfraktion im Bundestag hat ihren internen Richtungsstreit vorerst entschärft. „Es ist zumindest heute sehr klar geworden, dass diese Partei, diese Fraktion zusammen bleiben will“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte am Dienstag nach einer Fraktionssitzung.

Ein Antrag, der auf eine Maßregelung der Abgeordneten Sahra Wagenknecht hinaus gelaufen wäre, wurde zurückgezogen. Stattdessen verabschiedeten die Abgeordneten auf Vorschlag der Fraktionsspitze eine Vereinbarung, die sicherstellen soll, „dass alle hier vernünftig ihre Arbeit machen werden“, sagte Korte. „Und darauf freue ich mich logischerweise.“

Wagenknecht hatte mit einer Bundestagsrede intern heftige Kritik ausgelöst. Sie warf darin der Bundesregierung vor, einen Wirtschaftskrieg „vom Zaun zu brechen“, und forderte ein Ende der wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen gegen Russland. Wagenknecht wurde intern vorgeworfen, Ursache und Wirkung zu vertauschen und sich nicht an die Parteilinie zu halten, die den Ukraine-Krieg klar verurteilt und viele Sanktionen mitträgt.

„Schlimm wie nie“: Linke droht finaler Eklat um Wagenknecht – Zerfällt die Bundestags-Fraktion?

Erstmeldung: Berlin – Sahra Wagenknecht ist nicht nur der schillernde Star der Linken, sondern auch eine der umstrittensten Politikerinnen ihrer Partei. Immer wieder stellt sich die Ostdeutsche gegen die Mehrheitsmeinung ihrer eigenen Genossen - zuletzt bei ihrer Russland-Rede im Bundestagsplenum Anfang September.

An diesem Dienstag, 20. September, könnte es zum Eklat kommen: Die Linken im Bundestag treffen sich zur Faktionssitzung. Acht Abgeordnete haben vor der Sitzung einen Antrag gestellt, der Auftritte wie den vom Wagenknecht künftig unterbinden soll - also Reden, die nicht die Parteilinie spiegeln. Offen ist, ob eine Mehrheit der Linken-Abgeordneten den Antrag unterstützt und damit Wagenknecht weiter isoliert.

Der Zerfall der Bundestagsfraktion könnte drohen. „Ich appelliere an alle zu bleiben und nicht mit Spaltungsversuchen zu spielen, aber wer Fraktion oder Partei verlassen möchte, soll das jetzt tun“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte der dpa im Vorfeld der Fraktionssitzung. „Von allen, die bleiben, erwarte ich, dass sie sich voll auf unseren gemeinsamen Job konzentrieren.“ Auch die Parteivorsitzende Janine Wissler schloss weitere Parteiaustritte nicht aus. Brisant: Träten drei oder mehr der 39 Abgeordneten aus, wäre die Linke keine Fraktion mehr und verlöre Geld und politischen Einfluss.

Wagenknecht-Rede im Bundestag: AfD klatschte, Parteikollegen platzte der Kragen

Bei ihrer hochumstrittenen Rede nannte Wagenknecht die Ampel-Regierung wegen der Sanktionen gegen Russland die „dümmste Regierung in Europa“. Deutschland habe einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun gebrochen,“ wetterte Wagenknecht, an diesem Tag die einzige Repräsentantin der Linksfraktion am Rednerpult. Die Sanktionen gegen Putin müssten fallen, forderte sie. Deutschland brauche billige Energie aus Russland.

Sahra Wagenknecht
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht vergangene Woche bei ihrer umstrittenen Rede im Bundestag. © Michael Kappeler/dpa

Wagenknecht - früher Fraktionsvorsitzende der Linken, heute nur noch normale Abgeordnete - stellte sich damit gegen die Position der Parteispitze. Die AfD beklatschte ihre Worte - und vielen Genossen platzte der Kragen. Es folgten gegenseitige Vorwürfe, prominente Mitglieder verließen die Partei im Streit.

Nach Skandal-Rede von Wagenknecht: Kommt es bei Fraktionssitzung zur Spaltung?

„Ich sage Ihnen voraus: Die Fraktion wird zusammenbleiben“, meinte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch im Vorfeld der zukunftsweisenden Fraktionssitzung der Linken dem Stern. Doch viele andere sind sich sicher, dass es diesmal auf eine Showdown hinausläuft. Es sei genug, sagten Insider der Nachrichtenagentur dpa. Von Spaltung der Linken ist die Rede oder auch von Zerfall. Klar ist: Bei der Sitzung dürfte es hoch hergehen.

Einer, der weitere Skandal-Auftritte von Sahra Wagenknecht verhindern will, ist Ex-Parteichef Bernd Riexinger. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Man muss eine Art von Entscheidung treffen. Dieses Durchwurschteln, wie es Fraktionschef Dietmar Bartsch macht, wird nicht mehr gehen.“ Nötig sei eine Klarstellung: Ist die Linke „moderne Friedenspartei“ oder eine „eher linkskonservative, populistische Partei“?

Linken-Chefin Janine Wissler, Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, Sarah Wagenknecht und Ex-Fraktionsvorsitzender Bernd Riexinger.
Genossen oder Gegner? Von links: Linken-Chefin Janine Wissler, Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, Sarah Wagenknecht und Ex-Fraktionsvorsitzender Bernd Riexinger. © Imago

Sahra Wagenknecht provoziert in der Linken seit Jahre - sei es zu Flüchtlingen oder zu Corona

Querschießereien von Wagenknecht und daraus resultierende Konflikte gebe es schon seit „sechs, sieben Jahren“, so Riexinger. Schon in der Migrationspolitik vertrat Wagenknecht eine eigene Linie, dann in der Corona-Politik. Im Bundestagswahlkampf fuhr sie der eigenen Partei mit einem kritischen Buch in die Parade. Nach dem jüngsten Bundesparteitag im Juni höhnte sie über die frisch gewählten Parteivorsitzenden: „Never change a losing team.“

Der neueste Streit trifft die Linke dabei ausgerechnet in einer Situation, die eigentlich günstig für sie schien. Die Linke regiert in einigen Bundesländern mit, in Thüringen stellt sie mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten, sieht sich in großen Teilen angekommen im System. Aktuelle Umfragen sehen sie derzeit teils sogar von der FDP bei fünf bis sieben Prozent. Wohl, weil sie von drängenden sozialen Themen wie Inflation und Energiekrise als traditionell linke Hauptthemen profitieren konnte.

Streit in der Links-Partei: Tritt Sahra Wagenknecht freiwillig aus?

Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker sieht die Lage der Partei seit Wagenknechts Bundestags-Rede dramatisch: „So schlimm war es noch nie“, schilderte er der dpa. Wagenknecht habe den Streit absichtlich provoziert und keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt. „Ich glaube, es ist nur noch eine Frage von Wochen, dass sie die Partei verlassen wird oder dass man ihr bedeutet, sie möge gehen.“ Unterschriften für Wagenknechts Ausschluss aus der Fraktion sind bereits gesammelt, auch die Fraktionsvorsitzenden Bartsch und Amira Mohamed Ali, die die Rede zugelassen hatten, wurden zum Rücktritt aufgefordert.

Verließe Wagenknecht die Partei, wäre das aber nicht nur eine Erleichterung, sondern auch eine bittere Pille für die Linke. Die 53-Jährige rangiert regelmäßig unter den zehn beliebtesten deutschen Politikern, kein Vertreter der Linken ist so bekannt und sitzt so oft in TV-Talkshows.

Bitter wäre es aber auch für Wagenknecht, denn ihr fehlte dann der Resonanzboden der Partei. Mit ihrer eigenen Bewegung „Aufstehen“, die sie 2018 gründete, scheiterte sie. Einige in der Linken meinen deshalb, dass sie trotz allem bleibt. Sie selbst sagte vorige Woche dem Kölner Stadt-Anzeiger nur: „Aktuell bin ich Mitglied der Linken.“ (dpa/smu)

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