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Schulleiter fehlen an allen Ecken – nicht nur in Niedersachsen

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Stressjob: Ann-Charlott Meinen leitet die Christphorus-Grundschule Bad Zwischenahn.
Stressjob: Ann-Charlott Meinen leitet die Christphorus-Grundschule Bad Zwischenahn. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Schulleiter sind im Alltag an allen Fronten gefordert, besonders in der Corona-Pandemie. In Niedersachsen fehlen sie, vor allem an Grundschulen.

Hannover – Schulleitermangel ist ein Problem, das nicht nur in diesem Bundesland besteht. Ann-Charlott Meinen leitet eine Grundschule, für sie ist das eine Berufung. Sie liebt es, Schule zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen, Projekte mit Partnerschulen im Ausland zu planen. Für all das, was sie an dem Beruf so mag, bleibt ihr im Alltag zu wenig Zeit – besonders während der Pandemie.

Denn: Sie muss die Corona-Tests organisieren, Unterrichtsausfälle für kranke Kollegen ausgleichen. Sie arbeitet an Statistiken und Verwaltungsaufgaben, kümmert sich um den Datenschutz, bereitet Konferenzen vor, führt Elterngespräche. Und „nebenbei“ muss sie unterrichten: 15 Unterrichtsstunden pro Woche.

Einige Schulleiter haben in der Pandemie den Job geschmissen

Die 51-Jährige leitet die Christophorus-Grundschule in Bad Zwischenahn im Kreis Ammerland, eine katholische Bekenntnisschule mit 57 Schülerinnen und Schülern. „Bei kleinen Schulen geht es bis zum Schneeschippen, was ein Schulleiter alles machen muss“, sagt sie schmunzelnd.

Bei dieser hohen Belastung, mit der viele Schulleiter kämpfen müssen, ist den meisten aber nicht zum Lachen zu Mute. Laut Niedersächsischen Schulleitungsverbandes haben einige in der Pandemie den Job geschmissen.

Eines der Hauptprobleme sei die Bezahlung, meint Verbandschef René Mounajed. Vor allem an Grundschulen liege die Bezahlung der Schulleitung nur geringfügig über der einer normalen Lehrkraft – und damit mehrere Gehaltsstufen unter der einer Gymnasialschulleitung. „Schulleiter wird man nicht des Geldes wegen“, sagt Mounajed, der eine Gesamtschule in Hildesheim führt.

Oft fehle es an Zeit, um wichtige Leitungsaufgaben zu erfüllen

Das Gehalt in Niedersachsen beginnt laut Kultusministerium bei rund 4200 Euro brutto und endet bei knapp 5500 Euro. Leitende an Gymnasien erhalten zu Beginn der Karriere mindestens 1000 Euro mehr als an einer Grundschule und können monatlich bis zu rund 7600 Euro verdienen.

Ein weiteres Problem: Oft fehle es an Zeit, um wichtige Leitungsaufgaben zu erfüllen. „Eine Grundschulleitung hat teilweise noch 20 Stunden selber Unterricht. Das kann nicht wahr sein“, kritisiert der Verbandschef. Immerhin: In der Pandemie müssen Grundschullehrer vier Stunden weniger unterrichten. In Anbetracht der vielen Aufgaben reiche das aber hinten und vorne nicht.

Katja Tank könnte wahrscheinlich ein Buch darüber schreiben. Sie leitet seit fünf Jahren die Hinrich-Wolff-Schule in Bergen. Durchschnittliche Wochenarbeitszeit: ungefähr 70 Stunden. „Ein Wochenende besteht bei mir in der Regel aus einem Tag für Familie und Haushalt und der andere Tag ist schon wieder Schule“, sagt die 50-Jährige. Sie mache das aus Überzeugung.

Konrektoren sind keine Selbstverständlichkeit

Immerhin gibt es an der Schule eine Konrektorin. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eher ein Glücksfall. Viele trifft es noch schimmer: An einer ganzen Reihe von Schulen in Niedersachsen fehlt die Schulleitung komplett. Laut Kultusministerium sind aktuell 150 Schulleiterstellen an den 3000 Schulen im Land nicht besetzt – vor allem auf dem Land.

Wenn ein Schulleiter fehlt, kann eine Lehrkraft vorübergehend die Stelle besetzen. So wie Jutta Bauer (Name geändert), seit Sommer 2021 kommissarische Leiterin einer Grundschule auf dem Land. Mehr Geld bekomme sie aber nicht: „Erst wenn du ein Jahr auf dem Posten bist, kriegst du eine Gehaltserhöhung.“ Die personelle Lage an ihrer Schule sei generell schlecht. „Wir sind komplett unterbesetzt.“ Deshalb leiteten drei Kollegen jeweils zwei Klassen gleichzeitig.

Keine spezielle Ausbildung für Schulleiter in Niedersachsen

Bauer, Meinen und Tank kritisieren, dass es in Niedersachsen bislang keine spezielle Ausbildung für Schulleiter gibt. Die erforderlichen Qualifikationen müssten nach Antritt der Stelle eigenständig oder durch Fortbildungen erarbeitet werden. Zumindest das soll sich in Zukunft ändern, das Kultusministerium kündigte jüngst an, eine berufsbegleitende Vorabqualifizierung in die Wege zu leiten. Damit sollten interessierte Lehrer bestmöglich auf ihre Rolle vorbereitet werden.

Trotz der hohen Belastung eint Meinen, Tank und Bauer die Leidenschaft für ihren Beruf. „Als Schulleiterin braucht man sehr viel Herzblut“, sagt Meinen. Tank und Bauer sehen es genau so. Auch deshalb machen alle drei weiter. Die gute Nachricht: Für Bauer gibt es im Sommer Entlastung, eine neue Schulleiterin wird eingestellt. Verantwortung möchte Bauer aber weiter tragen: Sie bewirbt sich auf die Konrektorenstelle. (Mia Bucher mit lni)

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