Nach Petition mit 180.000 Unterschriften: Jetzt fällt die „Tampon-Steuer“

Mit Petitionen bekommen es Minister häufiger zu tun. Die, mit der sich Olaf Scholz nun befasst, ist aber ungewöhnlich - unter anderem, weil sie Aussicht auf Erfolg hat.
Update vom 7. November 2019: Für weibliche Hygiene-Produkte wie Tampons und Damenbinden soll künftig nur noch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz verlangt werden. Wenn die Länderkammer ebenfalls grünes Licht gibt, sinkt die Umsatzsteuer auf Produkte zur Monatshygiene von 19 auf 7 Prozent. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz ist für wichtige Güter des täglichen Bedarfs vorgesehen. Zehntausende Gegner der „Tampon Tax“ hatten deshalb eine Online-Petition unter dem Motto „Die Periode ist kein Luxus“ unterstützt.
Die Macherinnen der Petition freuten sich am Donnerstagabend in einer ersten Reaktion über den Schritt. „Ich freue mich, dass ab nächstem Jahr die Periode kein Luxus mehr ist“, erklärte Nanna-Josephine Rudolf in einer Mitteilung. Ihre Mitstreiterin Yasemin Kotra kündigte an, man werde sich weiter „gegen die systematische Diskriminierung von Frauen einsetzen“.
Für elektronische Bücher und Zeitungen - also sogenannte E-Books und E-Papers - sinkt die Umsatzsteuer ebenfalls auf 7 Prozent. Zudem soll ein milliardenschweres Steuerpaket die bislang schleppende Nachfrage nach Elektroautos ankurbeln. Diese beiden Maßnahmen gehören zum umfangreichen Jahressteuergesetz mit zahlreichen Einzelregelungen, das der Bundestag am Donnerstagabend verabschiedet hat. Die ebenfalls Zustimmung des Bundesrats steht allerdings noch aus.
180.000 Unterschriften gegen die Tampon-Misere - Jetzt soll es Scholz richten
Meldung vom 8. Oktober 2019: Berlin - Mehrwertsteuersenkungen waren in den vergangenen Monaten häufiger mal Thema - meist in Zusammenhang mit den Fernverkehrstickets der Bahn. Mit derselben Forderung für ein ganz anderes Feld muss sich am Dienstag Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auseinandersetzen: Er bekommt im eigenen Hause 180.000 Unterschriften überreicht. Geleistet haben sie Menschen, die eine geringere „Tamponsteuer“ fordern.
Tamponsteuer: Ärger über höheren Steuersatz, 180.000 Menschen unterschreiben
Eine Steuer dieses Namens gibt es natürlich so ganz real nicht - Aktivistinnen haben diesen Begriff aber zuletzt auf die Agenda gebracht. Der Grund: Für Artikel des täglichen Bedarfs gilt im Prinzip der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent. Etwa im Falle von Lebensmitteln - aber auch von lebenden Tieren, Holz, Büchern und Kunstgegenständen.
Alles andere gehört, so könnte der Umkehrschluss lauten, eben nicht zum täglichen Bedarf und ist somit Luxus. Unter anderem auch Menstruationsartikel wie Tampons, Binden und dergleichen mehr. Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra wollen das ändern. Am Dienstagnachmittag übergeben die beiden Frauen Scholz das Ergebnis ihrer Bemühungen. Jene 180.000 Unterschriften aus einer Online-Petition gegen die zwölf Prozent Steuer-Unterschied, die „Tamponsteuer“.
Tamponsteuer: „Die Periode ist kein Luxus“
Roloff und Kotra haben sich nach eigenen Angaben Anfang 2018 auf einem „Barcamp“, einer Art offenen Tagung, kennengelernt. Wenig später starteten sie auf der Plattform change.org ihr großes Projekt. Der Titel: „Die Periode ist kein Luxus - senken Sie die Tamponsteuer.” Allem Anschein nach stehen die Chancen auf einen Erfolg nun gut.

Das rot-rot-grün regierte Land Thüringen hatte kürzlich bereits eine Initiative in die Länderkammer eingebracht, wonach Hygiene-Produkte für Frauen auf die Liste der Produkte mit ermäßigtem Umsatzsteuersatz gesetzt werden sollen. Noch wichtiger aber: Sowohl Scholz auch die Unionsfraktion bewegten sich zuletzt in Richtung Abschaffung der hohen Steuersätze auf Tampons und Konsorten. Auch das EU-Parlament hatte die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen.
Tamponsteuer: Kleiner Gewinn für den GroKo-Etat - Großer Ärger bei Deutschlands Frauen?
Die „Damenhygiene“ und die resultierenden Steuereinnahmen sind zwar durchaus ein sichtbarer Posten im Bundeshaushalt. Angesichts der schieren Dimension der etwa beim Klimapaket bewegten Geldmassen aber ein überaus kleiner. Nach Recherchen des Onlinemagazins ze.tt betrug der mit den entsprechenden Artikeln gemachte Umsatz im Jahr 2017 knapp 355 Millionen Euro - macht 67,4 Millionen Euro Umsatzsteuer für Scholz‘ Etat.
Auf diese Summe zu verzichten dürfte die viel beschworene „schwarze Null“ nicht ins Wanken bringen. Womöglich aber befürchtete man in Berlin eine Kettenreaktion, wenn erstmal mit dem Steuerkürzen angefangen sind. So könnte man jedenfalls die Auskunft deuten, die Petitionsinitiatorin Roloff nach eigenen Angaben vor einiger Zeit aus Bundestagskreisen erhielt: „Von allen Seiten heißt es immer wieder: Niemand hat die Absicht, Steuern zu kürzen“, sagte sie Anfang des Jahres.
Aus der SPD waren sogar vor wenigen Tagen noch kritische Stimmen zu vernehmen. „Das Durcheinander bei der Umsatzsteuer wird dadurch nicht kleiner“, sagte der Fraktions-Finanzexperte Lothar Binding. Seine Kritik verdeutlichte er unter anderem mit diesem Beispiel: „Für Maultiere und Maulesel gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz - für Esel gilt er nicht.“ Das verstehe kein Mensch.
Tamponsteuer: Scholz will Petition aufgreifen - schon zum 1. Januar 2020
Wenn es nach Vizekanzler Scholz geht, werden aber weder Maultier noch Esel den Vorstoß in seinem Lauf noch aufhalten. „Viele Frauen haben sich für einen ermäßigten Steuersatz stark gemacht“, twitterte er am Freitag, noch vor dem Treffen mit Roloff und Kotra also: „Wir bringen das jetzt auf den Weg, denn es ist richtig! Mein Vorschlag ist, dass das gleich am 1. Januar in Kraft tritt.“
Roloff begrüßte die Ankündigung. „Ich freue mich, dass der Bundesfinanzminister einsieht, dass die Periode kein Luxus ist“, erklärte sie am Montag. Zugleich betonte sie: „Wir werden nicht nachlassen, bis die unfaire Besteuerung unserer Monatsblutung abgeschafft ist und werden aufpassen, dass dieser Ankündigung auch Taten folgen!”
fn (mit Material von dpa)
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