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FSB-Whistleblower sieht Russlands Invasion in der Ukraine als gescheitert

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Von: Sonja Thomaser

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Ukrainische Soldaten bewachen einen Kontrollpunkt an einer Hauptstraße in Kiew.
Ukrainische Soldaten bewachen einen Kontrollpunkt an einer Hauptstraße in Kiew. © Vadim Ghirda/dpa

Im Internet ist ein Bericht mit einer düsteren Prognose zum Krieg in der Ukraine aus russischer Sicht aufgetaucht, den ein Geheimdienstmitarbeiter des FSB verfasst haben soll.

Kiew - Der Investigativ-Journalist Christo Grozev vom Netzwerk Bellingcat hat auf Twitter auf den Brief eines angeblichen Whistleblowers des russischen Geheimdienstes FSB aufmerksam gemacht. Dieser wurde auf Facebook veröffentlicht. Darin zeigt sich der mutmaßliche FSB-Mitarbeiter entsetzt über den Status und die Planung der russischen Invasion in die Ukraine: „Niemand in Russland war auf so einen Krieg vorbereitet.“

Grozev schätzt den Brief als echt ein, wie er auf Twitter mitteilt: „Er kam von einer seriösen Quelle (Gründer von http://gulagu.net) und er ist viel länger, als ein Fälscher es machen würde.“ Weiter erklärte er: „Ich zeigte den Brief zwei tatsächlichen (aktuellen oder ehemaligen) FSB-Ansprechpartnern, und sie hatten keinen Zweifel daran, dass er von einem Kollegen geschrieben wurde.“

Ukraine-Krieg: Russland erstellte falsche Analysen

In dem Brief beschreibt der mutmaßliche FSB-Mitarbeiter, dass im Vorfeld des Krieges für die Interessen der Politik maßgeschneiderte Analysen und Szenarien geliefert wurden. Informationen, die zu den entsprechenden Plänen passten, aber offenbar keineswegs das mögliche Risiko abbildeten: „Es stellt sich heraus, dass die Analysen, die wir verfasst haben, überhaupt nicht für die Realität geeignet sind.“

Ukraine-Krieg: Tötung von Selenskyj könnte nichts mehr ändern

Der angebliche Whistleblower zeiht in dem Brief eine vernichtende Bilanz über die Invasion in der Ukraine: „Der Blitzkrieg ist fehlgeschlagen. Die Mission zu erfüllen ist schlicht unmöglich: Hätten wir Selenskyj und andere Regierungsvertreter in den ersten ein bis drei Tagen geschnappt, und hätten wir alle wichtigen Gebäude in Kiew eingenommen, hätten wir ihnen befohlen, die Kapitulation vorzulesen — Ja. Der Widerstand wäre auf Minimum gefallen. Theoretisch. Aber was dann?“

Jede beliebige Regierung, die Russland dort installieren würde, würde nach 10 Minuten zusammengefaltet werden. Okkupieren sei auch keine Option: „Woher sollen wir so viele Leute herhaben? Kommandeure, militärische Polizei, Spionageabwehr, Wache — sogar bei minimalem Widerstand der lokalen Bevölkerung bräuchten wir mindestens 500.000 Leute.“ Selbst wenn man jetzt Selenskyi töten oder ihn gefangen nehmen würde, würde das nichts mehr ändern: „Der Hass auf uns ist auf dem Niveau von Tschetschenien. Und jetzt sind sogar diejenigen, die uns gegenüber loyal waren, gegen uns.“

Ukraine-Krieg: Kein Überblick über Verluste auf russischer Seite

Über die Verluste habe die russische Seite längst völlig den Überblick verloren, so der angebliche FSB-Mitarbeiter. „Die ersten zwei Tage gab es noch den Überblick, jetzt weiß niemand, was da abgeht“, schreibt er. „Selbst die dortigen Kommandeure können nicht wissen, wie viele neben ihnen herlaufen, wie viele gestorben sind, wie viele gefangen sind.“

Die Zahl der Toten liege garantiert im Tausenderbereich: „Vielleicht 10.000, vielleicht 5000, vielleicht nur 2000. Sogar im Stab weiß das niemand so genau. Aber es ist wohl eher Richtung 10.000.“

Ukraine-Krieg: Kein Sieg für Russland möglich

Der mutmaßliche FSB-Agent hat eine düstere Prognose für den weiteren Verlauf des Kriegs. Eine Belagerung könnten ukrainische Städte „jahrelang“ aushalten, weil Hilfslieferungen aus Europa kämen.

Die Dauer des Konflikts sei bis Juni begrenzt. Seine Begründung dafür: „Im Juni werden wir keine Wirtschaft mehr haben, gar nichts mehr.“ Und: Im Sommer sei eine globale Hungersnot „unausweichlich“, weil Russland und die Ukraine als Großproduzenten von Getreide teilweise ausfallen würden. Die Situation sei bereits so sehr aus den Fugen geraten, dass sich nichts mehr berechnen ließe. Im großen Ganzen gäbe es einfach keine Variante eines möglichen Sieges, so der mutmaßliche Whistleblower.

Putin würde „roten Knopf“ nicht drücken

Die Angst vor einem möglichen großen Atomschlag mildert der FSB-Agent: „Ich glaube nicht, dass Wladimir Putin den roten Knopf drücken wird, um die Welt zu vernichten. Da sitzt nicht nur eine Person, die diese Entscheidung trifft, da wird es schon einen geben, der aufspringt. Und dort gibt es viele Leute — da gibt es keinen ‚roten Knopf für eine Einzelperson‘.“ (sot)

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