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Waffen-Produktion versäumt: Scheitert die Gegenoffensive an den westlichen Freunden der Ukraine?

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Leere Munitionskisten in Dolyna im ukrainischen Gebiet Donezk am 8. Mai 2023: Können westliche Verbündete genügend Munition und Waffen für die Gegenoffensive liefern? © IMAGO/Michael Brochstein/ ZUMA Wire

Die Gegenoffensive der Ukraine hängt von Waffenlieferungen ab– doch westliche Partner kommen mit der Produktion von Munition und Waffen wohl kaum hinterher.

Kiew - Die Ukraine zögert den Start ihrer geplanten Großoffensive noch hinaus. Man wolle warten, bis alle versprochenen Militärfahrzeuge eingetroffen seien, hieß es vergangene Woche vonseiten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Wir brauchen noch ein bisschen mehr Zeit“, so der Präsident. Neben Waffen wartet die Ukraine wohl auch auf mehr Munition, meinen Militärexperten. Scheitern könnte dies an den westlichen Verbündeten, die einem Bericht der US-Zeitung Washington Post zufolge mit der Produktion nicht hinterherkommen.

Ukraine wartete auf Waffen und Munition aus dem Westen – doch Produktion stockt womöglich

Es sei möglich, dass die Munition im Moment der Engpass ist, „den Selenskyj beheben will, bevor er das Leben seiner Soldaten riskiert“, erklärte Simon Schlegel, der leitende Ukraine-Analyst der International Crisis Group gegenüber Euronews. „Und das ist nicht nur ein Problem der militärischen Versorgung, sondern auch ein industrielles Problem, ein Produktionsproblem“, so der Analyst weiter.

Mit dem Nachschub könnte es eng werden, da der Westen seine industrielle Produktion nicht rechtzeitig auf die Kriegssituation umgestellt hat. Schon im April vergangenen Jahres sei offensichtlich gewesen, dass der Ukraine-Krieg länger dauern würde und man in die Industrie investieren müsse. Doch man sei untätig geblieben, meint Jack Watling, vom Royal United Services Institute laut einem Bericht der Washington Post vom Donnerstag.

Scheitert Offensive an versäumter Vorbereitung der Waffen-Lieferung?

Man habe 13 Monate Krieg verstreichen lassen, bevor man begonnen habe, die Industrie anzukurbeln, kritisierte auch der ehemalige britische Militär Richard Barrons. „Wir haben nicht die Art von industrieller Aktivität gesehen, die der Ukraine das Zeug geben würde, das sie braucht, um in großem Maßstab zu kämpfen“, so Barrons weiter.

„Man muss kein großer Militäranalytiker sein, um zu erkennen, dass europäische Länder, die 13 Monate nach Beginn des Krieges große Investitionen in die Artillerieproduktion tätigen, etwas spät dran sind“, bestätigte Michael Kofman, Direktor des Russland-Studienprogramms am Center for Naval Analysen der US-Zeitung. 

Europa handelt nicht schnell genug: „Ein bis zwei Jahre“ bis Investitionen ankommen

Bislang seien Munition und Waffen in der Regel aus den Beständen der Länder genommen worden. „Wir reden jetzt über eine Situation, in der wir Geld auf den Tisch legen müssen, weil wir in Industriekapazitäten investieren müssen“, so Watling weiter. Neben den Nato-Mitgliedern USA, dem Vereinigten Königreich und Norwegen hat bislang auch das EU- und Nato-Land Frankreich „große neue Verträge mit der Verteidigungsindustrie unterzeichnet, die es ihnen ermöglichen, in erhöhte Produktionskapazitäten zu investieren“, hieß es vonseiten der NATO-Sprecherin Oana Lungescu.

Viele europäische Regierungen haben es Kritikern zufolge indes versäumt, schnell genug zu handeln, um den wachsenden Bedarf an Waffen zu decken. Zwar hatte auch die Europäische Kommission Anfang Mai ein Programm in Höhe von 500 Millionen Euro angekündigt, um die Produktion von Artilleriegeschossen in Europa anzukurbeln. Das sei ein bedeutender Schritt, komme aber viel zu langsam, so Militärexperten. Zudem habe man meist noch keine neuen Verträge abgeschlossen. Die Rede sei von ein bis zwei Jahren, bis die Investitionen tatsächlich in der europäischen Waffen- und Munitionsproduktion ankommen könnten.

Russland konnte Militärproduktion bereits ankurbeln - „Entscheidende Schwäche der Ukraine“

Vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs produzierten die USA 14.500 Artilleriegeschosse pro Monat, die EU-Produktion lag in etwa auf einem vergleichbaren Niveau. Die US-Produktion sei seit Kriegsbeginn bereits auf 20.000 Schuss pro Monat gesteigert worden, zudem habe man in die Erweiterung der Kapazitäten investiert, um auf 90.000 Schuss monatlich zu kommen, hieß es in dem Bericht weiter. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr feuerte die ukrainische Armee pro Monat 180.000 Artilleriegeschosse ab und verbraucht aktuell Angaben des Experten Watling zufolge monatlich etwa 90.000 bis 140.000 Schuss.

Russland selbst steigerte eigenen Angaben zufolge im Januar und Februar dieses Jahres seine Verteidigungsausgaben um 282 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2021. Pro Jahr produziert Moskau nun 2,5 Millionen Artilleriegeschosse, vor dem Krieg waren es noch 1,7 Millionen. „Russland hat die Fähigkeit, seine eigene Wirtschaft zur Unterstützung der Streitkräfte zu mobilisieren und sein eigenes Schicksal auf eine Weise zu kontrollieren, wie es die Ukraine nicht kann“, sagte der ehemalige General Barrons. „Die entscheidende Schwäche“ der Ukraine „ist ihre Abhängigkeit von westlichen Waren und Industrie.“

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