„Wie 1944“: Experte sieht nun Szenario für Front-Zusammenbruch - Kriegs-Ende 2023 möglich?
Ein Militärökonom prognostiziert für den Herbst 2023 das Ende des Ukraine-Kriegs und die Niederlage Russlands. Diese könnte ähnlich wie im zweiten Weltkrieg aussehen.
Kiew/München - Einige Militär-Experten sind sich sicher: Das Jahr 2023 könnte ein entscheidendes Jahr im Ukraine-Krieg sein. Unterschiedliche Prognosen deuten darauf hin, dass die Ukraine den Krieg bis zum Ende des Jahres sogar gewinnen könnte. Während Fachleute aus den USA dieses Szenario aber größtenteils abhängig von einigen Rahmenbedingungen sehen, ist sich ein deutscher Militärökonom sicher: Das Ende des Krieges steht bevor - und wird ähnlich aussehen wie damals im Zweiten Weltkrieg.
„Wie 1944“: Experte sieht nun Szenario für Front-Zusammenbruch in der Ukraine
Militärökonom Marcus Keupp von der ETH Zürich sagte in einem Gespräch mit der Welt, dass Russland seiner Einschätzung nach den Krieg im Oktober verloren haben wird. Damit meine Keupp aber nicht, dass Russland im Herbst bereits aus der Ukraine abzieht oder alle Kriegshandlungen enden. „Ich meine, dass damit eine militärische Lage eingetreten sein wird, die für Russland nicht mehr zu halten ist; eine Lage ähnlich wie 1944 in Europa.“

Laut dem Experten sei der Krieg im Oktober voraussichtlich viel mehr auf strategischer und militärischer Ebene verloren. Der russische Präsident Wladimir Putin stehe dann vor der Wahl: Entweder er kämpft trotz Aussichtslosigkeit weiter und opfert seine letzten Ressourcen sinnlos auf - oder er zieht die russischen Truppen freiwillig aus der Ukraine ab. „Adolf Hitler hat sich 1944 für das erstere entschieden, der Ausgang ist bekannt. Putin wird vor einer ähnlichen Wahl stehen.“
Experte hält Sieg der Ukraine bis Oktober für wahrscheinlich: „Es ist ein Tod auf Raten“
Keupps stützt seine optimistische Prognose auf Berechnungen zu russischen Ressourcen im Krieg, darunter zum Beispiel die Panzer-Kapazitäten. Diese würden langsam knapp werden, wenn man sich offizielle Berichte von Instituten und Informationen aus seriösen Quellen nachgeht und voraus rechnet. In dem Fall helfe Russland auch kein angeblicher 24-Stunden-Betrieb bei Rüstungsherstellern mehr, viel mehr könnte es sich dabei um reine Propaganda handeln. „Maximal ist ein Ausgleich der Verluste möglich, aber sicher nicht eine Produktion, die die Russen wieder in die Lage versetzt, offensiv zu werden. Es ist ein Tod auf Raten.“

Wenn die Ukraine ihr Ziel erreicht, zur Schwarzmeerküste vorzurücken, könne sie mit Raketenartillerie glaubwürdigen Druck die Halbinsel Krim ausüben und drohen. Die russische Logistik würde in diesem Fall zusammenbrechen. „Damit ist die Südfront nicht mehr zu halten, und dann bricht auch die Donbass-Front zusammen, und der Krieg ist vorbei.“ Keupp betonte, dass es sich dabei um einen möglichen Ausgang von vielen handelt.
Kriegs-Ende in der Ukraine 2023 möglich? Experten sehen Fähigkeit zum Sieg durchaus gefährdet
Dass das Jahr 2023 ein entscheidendes Jahr ist, der Meinung sind auch andere Experten. Bei einer Diskussionsrunde im Council on Foreign Relations am 15. März sagte auch die Präsidentin und Geschäftsführerin des Center for European Policy Analysis, Alina Polyakov: „Das ist ein entscheidendes Jahr. Und ich denke es ist das Jahr, in dem der Krieg enden muss.“ Anders als Keupp sieht sie den Sieg der Ukraine aber nicht selbstverständlich. Dafür würde dem Land zu viel Ausstattung fehlen - nicht genug Panzer, angepasste Langstreckensysteme sowie einige grundlegende Vorräte.

„Haben sie also das Zeug zum Sieg, das heißt zur Einleitung einer Gegenoffensive und zur Rückeroberung der Landbrücke, zumindest im Südosten?“ Polyakov beantwortete ihre eigene Frage: „Nein“, beantwortet Polyakov ihre eigene Frage. Sie ist der Meinung, dass die Ukraine gewinnen kann. Das hänge aber maßgeblich von der Unterstützung aus dem Westen ab. Unterdessen sollen russischen Reservisten einem Kreml-Erlass zufolge zu einem längeren Training einberufen werden. Fachleute befürchten, dass einige von ihnen in der Ukraine landen.
Eine weitaus düsteres Szenario zeichnet unterdessen Rold Mowatt-Larssen, ehemaliger CIA-Beauftragter für nukleare Terrorismusbekämpfung, in einem Bericht der Universität Havard. Auch laut ihm sei das Jahr 2023 potentiell „ein entscheidendes Jahr“. Mowatt-Larssens „größte Sorge“ ist, dass Putin irgendwann im nächsten Jahr beschließen wird, dass seine Armee nicht mehr in der Lage ist, die Gebiete zur erobern, die er als russische Territorien betrachtet. „Das ist ein Zustand, in dem Wladimir Putin meiner Meinung nach taktische Atomwaffen einsetzen wird“, sagte er, und deshalb müssen die USA jetzt darüber nachdenken, ob Russland abgeschreckt werden kann. (nz)