China und Salomonen unterzeichnen umstrittenes Sicherheitsabkommen

China und die Salomonen haben ein Sicherheitsabkommen unterzeichnet. Die Zusammenarbeit der beiden Länder sorgt für Unruhe in der Pazifik-Region.
Update vom 19. April 2022: China und die Salomonen haben das vor mehreren Wochen angekündigte Sicherheitsabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Das sagte der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag (19. April) in Peking. Wo und wann genau die Außenminister Chinas und der Salomonen, Wang Yi und Jeremiah Manele, das Abkommen unterzeichneten, blieb zunächst offen. Berichte, Wang Yi habe den Südsee-Staat kürzlich besucht, wies Wang Wenbin zurück.
Der Außenamtssprecher wiederholte Chinas Haltung, nach der das Abkommen „einen normalen Austausch und eine normale Zusammenarbeit zwischen zwei souveränen und unabhängigen Ländern“ darstelle. „Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen China und den Salomonen ist offen, transparent und inklusiv und richtet sich nicht gegen eine dritte Partei“, so Wang weiter.
Berichte über das geplante Abkommen hatten in den vergangenen Wochen für Sorgen in Australien, Neuseeland und den USA gesorgt. Die dortigen Regierungen befürchten, Peking wolle seine Machtposition im Pazifik weiter ausbauen und die Dominanz der USA in der Region brechen.
Noch im Laufe der Woche will die US-Regierung eine Delegation unter Führung des Indopazifik-Koordinators Kurt Campbell zu den Salomonen entsenden. Chinas Sicherheitsabkommen mit der Inselgruppe lasse „die Tür offen für eine Stationierung von militärischen Kräften der Volksrepublik“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, in Washington. Peking reagierte auf die Ankündigung mit den Worten, die Salomonen und andere Pazifik-Inseln seien „nicht der Hinterhof von irgendjemandem, noch weniger Schachfiguren in einem geopolitischen Wettbewerb“.
Chinas Sicherheitsabkommen mit den Salomonen: Washington reagiert mit Botschafts-Plan
Update vom 13. April 2022: Das geplante Sicherheitsabkommen zwischen China und den Salomonen sorgt weiter für diplomatische Aufregung: Die USA kündigten nun an, auf den Salomonen eine eigene Botschaft errichten zu wollen. Vizeaußenministerin Wendy Sherman habe über entsprechende Pläne mit dem Außenminister des Inselstaates, Jeremiah Manele, gesprochen. Das teilte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Dienstag (12. April) mit. Die US-Botschaft solle demnach in Honiara, der Hauptstadt der Salomonen, eröffnet werden. Bislang ist die US-Botschaft in Papua-Neuguinea für den 650.000-Einwohner-Staat zuständig. Mit der neuen Botschaft solle das Engagement der beiden Länder „zur Unterstützung einer freien und offenen indopazifischen Region“ erweitert und vertieft werden, hieß es aus Washington.
Die Ankündigung dürfte eine direkte Reaktion auf das geplante Sicherheitsabkommen sein. Beobachter glauben, dass Peking mit dem Abkommen seinen Einfluss im Indopazifik ausdehnen und die USA aus der Region verdrängen will.
Vor allem in Neuseeland und Australien beobachtet man die Entwicklung mit Sorge. Am Mittwoch traf Zed Seselja, der australische Minister für Internationale Entwicklung und den Pazifik, in Honiara ein. Bei dem zweitägigen Besuch solle über das Sicherheitsabkommen mit China gesprochen werden, so Selelja in einer Stellungnahme. Weiter sagte er: „Wir respektieren das Recht der Salomonen, souveräne Entscheidungen über ihre nationale Sicherheit zu treffen.“
China und die Salomonen: Darum geht es im geplanten Sicherheitsabkommen
Erstmeldung vom 7. April 2022: München/Honiara/Peking – Weltweite Schlagzeilen machen die Salomonen fast nie. Auch im Zentrum internationaler Sicherheitsdebatten befindet sich die Inselnation, die fernab vom Weltgeschehen in der Südsee liegt, nur selten. Seit der 650.000-Einwohner-Staat aber vor wenigen Tagen ein Sicherheitsabkommen mit China* auf den Weg gebracht hat, macht man sich Sorgen um den Pfad, den die kleine Nation einschlagen wird. In den USA, vor allem aber in Australien und Neuseeland, sieht man ganz genau hin, was Peking und die Salomonen-Hauptstadt Honiara vorhaben. Erwächst da eine neue Allianz, die zur Gefahr werden könnte für die westliche Dominanz im Indopazifik? Und könnte China gar eine Militärbasis vor der Haustüre Australiens errichten?
Noch müssen die Außenminister Chinas und der Salomonen das Abkommen unterzeichnen, was allerdings kaum mehr als eine Formalie sein dürfte. Der genaue Text des Abkommen ist nicht bekannt, ein Entwurf aber drang kürzlich an die Öffentlichkeit. China, so heißt es dort, dürfe „je nach Bedarf und mit Zustimmung der Salomonen die Inseln mit Schiffen besuchen, dort logistischen Nachschub erhalten und Zwischenstopps einlegen“. Chinesische Streitkräfte seien berechtigt, „die Sicherheit des chinesischen Personals“ und „wichtige Projekte auf den Salomonen“ zu schützen, heißt es weiter.
Ja und?, tönt es aus Peking* und Honiara. „China und die Salomonen führen eine normale Zusammenarbeit in den Bereichen Strafverfolgung und Sicherheit auf der Grundlage von Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen durch, was den Interessen beider Länder und anderer Länder in der Region dient“, sagte Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin vor zwei Wochen. Und überhaupt: Man solle „die Angelegenheit objektiv und rational betrachten und nicht zu viel hineininterpretieren“.
China: Annäherung an die Salomonen seit 2019
Ähnliches verlautete aus Honiara*. Dass an dem Abkommen internationale Kritik laut wurde, bezeichnete Manasseh Sogavare, der Premierminister der Salomonen, als „sehr beleidigend“. Sein Land sei schließlich selbst in der Lage, seine „souveränen Angelegenheiten zu regeln“, sagte Sogavare laut australischen Medienberichten. Es gebe außerdem keine Pläne, auf den Salomonen eine chinesische Militärbasis zu errichten; entsprechende Berichte bezeichnete Sogavare als „Fehlinformationen“. „Es ist klar, dass wir die Beziehungen des Landes zu anderen Partnern diversifizieren müssen, und was ist daran falsch?“
In Australien und Neuseeland findet man hingegen sehr wohl, dass Honiara einen Fehler begeht. Australiens Premierminister Scott Morrison sagte nach Bekanntwerden des Entwurfs für das Abkommen, er sei darüber zwar nicht überrascht. Das Abkommen sei aber ein „besorgniserregendes Problem“ und erinnere „an den ständigen Druck und die Bedrohungen, die in unserer Region für unsere eigene nationale Sicherheit bestehen“. Auch die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern zeigte sich „schwer besorgt“: „Wir betrachten solche Handlungen als potenzielle Militarisierung der Region und sehen auch im Hinblick auf die Sicherheit im Pazifik wenig Grund für eine solche Notwendigkeit und eine solche Präsenz“, sagte sie dem Sender Radio NZ.
Die Salomonen und China hatten sich erst 2019 angenähert, nachdem die Regierung in Honiara die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan* einseitig beendet hatte. China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und droht mit der militärischen Eroberung. In der Bevölkerung der Salomonen war der diplomatische Schwenk allerdings umstritten. In der Folge kam es im November 2021 zu schweren Ausschreitungen, die erst durch ein Eingreifen von Australien, Neuseeland, Fidschi und Papua-Neuguinea beendet werden konnten.
China: Handfeste Interessen im Indopazifik
Derzeit sind es freilich nicht die kleinen Salomonen selbst, die für weiche Knie in Canberra und Wellington sorgen. Vielmehr fürchtet man Pekings Expansion im Indopazifik* – jener Meeresregion, die sich von der Ostküste Afrikas über Indien, Südchina und Australien bis nach Hawaii erstreckt. „China betreibt einen großen und schnellen Ausbau einer maritimen Macht, wie wir ihn seit Generationen nicht gesehen haben“, schreibt der US-Militärexperte Thomas Shugart in einem Beitrag für die australische Denkfabrik Lowy Institute vom vergangenen Jahr. „Angesichts des Umfangs, des Ausmaßes und der spezifischen Fähigkeiten, die entwickelt werden, scheint dieser Ausbau darauf ausgerichtet zu sein, zunächst die Vereinigten Staaten mit dem Rückzug aus dem westlichen Pazifik zu bedrohen – und dann die Vorherrschaft im Indopazifik zu erlangen.“
Dass China handfeste Interessen im Indopazifik hat*, ist kein Geheimnis. Im Südchinesischen Meer, also quasi vor der eigenen Haustüre, geht es Peking um Gebietsansprüche, um die Erschließung von Rohstoffen und um die Sicherung der Seefahrt. Durch die Straße von Malakka, eine Meerenge zwischen der Malaiischen Halbinsel und der Nordostküste von Sumatra, wird rund ein Viertel der weltweit gehandelten Waren transportiert. Öltanker, die die Straße passieren, tragen außerdem zu Chinas Energieversorgung bei. 2003 sprach Chinas ehemaliger Staats- und Parteichef Hu Jintao vom „Malakka-Dilemma“, das sein Land verwundbar mache.
Bevor sich Chinas Wirtschaft ab den späten Siebzigerjahren zur Außenwelt hin öffnete, habe „solch ein Dilemma nicht existiert“, so Analyst Shugart. Nun aber sei die Export-Nation China zum Handeln geradezu gezwungen – der eigenen Entwicklung sei Dank. Ähnliches gilt für den Indischen Ozean, wo ebenfalls einige der wichtigsten Handelsrouten der Welt verlaufen, und Öltanker von den Golfstaaten in Richtung China fahren.
China: Immer mehr Stützpunkte im Südchinesischen Meer
Und China schafft längst Fakten. Im Indischen Ozean reihen sich von Peking betriebene oder kontrollierte Häfen wie an einer Perlenkette entlang der Küsten von Myanmar, Sri Lanka und Pakistan auf. Anfang April nahm eine gemischte Eisenbahn- und LKW-Route zwischen dem chinesischen Chongqing und Rangun in Myanmar den Betrieb auf - laut chinesischen Staatsmedien Chinas erste Direktverbindung zum Indischen Ozean. Indien betrachtete diese Entwicklung mit Argwohn*. Im Südchinesischen Meer beansprucht China ein Gebiet, das bis weit an die Grenzen der Anrainerstaaten heranreicht. Innerhalb der von China markierten „Neun-Striche-Linie“, die rund 90 Prozent des Südchinesischen Meers umschließt, schüttet China seit Jahren künstliche Inseln auf und errichtet Militärbasen.
Der Nachrichtenagentur AP sagte der US-Admiral John C. Aquilino vor wenigen Wochen, China habe in dem Gebiet mindestens drei dieser Inseln vollständig militarisiert und mit Anti-Schiffs- und Anti-Flugzeug-Raketensystemen, Laser- und Störausrüstung sowie Kampfjets bewaffnet. „Ich denke, dass wir in den letzten 20 Jahren die größte militärische Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg durch die Volksrepublik China erlebt haben“, so Aquilino. „Sie haben alle ihre Fähigkeiten weiterentwickelt, und diese Aufrüstung ist destabilisierend für die Region.“
Für Australien sieht der Militärexperte Shugart zwar nicht die Gefahr eines direkten chinesischen Angriffes. Allerdings könne Peking Zwang ausüben „über die Wirtschaft, den Lebensunterhalt und sogar die territoriale Integrität“ des Landes. China sei bereit, Australien und andere Nationen in der Region durch wirtschaftlichen Druck seinen Willen aufzudrängen. Dass Peking in der Tat nicht davor zurückschreckt, seine wirtschaftliche Macht als Faustpfand einzusetzen, zeigte sich Anfang 2020. Nachdem Canberra eine unabhängige Untersuchung der Ursprünge der Coronapandemie gefordert hatte – die in China ihren Anfang genommen hatte – überzog Peking Australien mit Sanktionen. Seitdem herrscht eine diplomatische Eiszeit zwischen den beiden Länder, die durch die Verhaftung einer australischen Journalistin* in China noch verschärft wurde.
China: Die USA reagieren mit ihrer Indopazifik-Strategie
Die USA reagieren auf die Situation im Indopazifik mit der Schaffung mehrerer strategischer Allianzen: mit Australien und Großbritannien („AUKUS“, seit 2021) und mit Australien, Japan* und Indien („Quad“, seit 2017). Im Februar dieses Jahres veröffentlichte die Biden-Regierung schließlich ihre Indopazifik-Strategie. Das knapp 20-seitiges Dokument bestätigt laut der Analystin Garima Mohan von der US-Denkfabrik German Marshal Fund, was sich bereits im ersten Amtsjahr von Joe Biden* abgezeichnet habe: „eine klare Verlagerung des Schwerpunkts auf die Region und ein Vorstoß zur Stärkung der kollektiven Kapazitäten der amerikanischen Partner und Verbündeten dort“.
Dass sich die USA vermehrt der indopazifischen Region zuwendeten, liege auch an den chinesischen Ambitionen, heißt es in dem Papier. „Die VR China bündelt ihre wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, um im indopazifischen Raum eine Einflusssphäre zu schaffen und die einflussreichste Macht der Welt zu werden“, schreiben Bidens Außenpolitikstrategen. China übe Druck auf Australien und Taiwan aus, schikaniere seine Nachbarn im Südchinesischen Meer und schüre Konflikte mit Indien.
Dass man in der Region aber längst nicht mehr nur in Richtung Washington blickt, zeigt nicht nur die Annäherung der Salomonen an Peking. Ausgerechnet der Ukraine-Krieg* legt derzeit die neuen Machtverhältnisse in der Region offen. Während die USA die zehn in der ASEAN organisierten südostasiatischen Staaten in ihrer Indopazifik-Strategie umgarnen, zeigen diese ihren ganz eigenen Kopf: Die ASEAN-Staaten Brunei, Laos und Vietnam stimmten unlängst in der UN-Generalversammlung nicht mit den USA für eine Resolution, die das Vorgehen Russlands in der Ukraine verurteilte. Vielmehr enthielten sie sich* - so wie auch China es tat. Thailand wiederum betont seine Neutralität, Indonesien spricht sich gegen Sanktionen gegen Russland aus - und will dem Kreml lieber günstiges Öl abkaufen, statt sich den USA anzuschließen. (sh) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.