Ukraine-Krieg: Strafgerichtshof plant Ermittlungen - Haftbefehl gegen Putin?

Der Internationale Strafgerichtshof untersucht mögliche Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. Wladimir Putin könnte auf der Anklagebank in Den Haag landen.
Den Haag - Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mutmaßlichen Kriegsverbrechen nachgehen. Der Chefankläger des Haager Gerichtshofs, Karim Khan, kündigte an, „so schnell wie möglich eine Untersuchung zur Situation in der Ukraine“ einzuleiten.
Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell verurteilte die russischen Attacken auf das Zentrum der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw am Dienstag (01.03.2022) und nannte die „russischen Bombenangriffe auf zivile Einrichtungen in Charkiw“ einen Verstoß „gegen das Kriegsrecht“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von „Kriegsverbrechen“.
Wladimir Putin: Strafgerichtshof prangert „Verbrechen gegen Menschlichkeit“ an
IStGH-Chefankläger Khan sagte am Montag (28.02.2022), es gebe „plausible Gründe“ für die Annahme, dass seit 2014 in der Ukraine „sowohl mutmaßliche Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden“. Angesichts der „Ausweitung des Konflikts“ in der Ukraine* werde die Untersuchung „auch alle neuen mutmaßlichen Verbrechen umfassen, die in den Zuständigkeitsbereich meines Amtes fallen und von einer Konfliktpartei in irgendeinem Teil des ukrainischen Staatsgebiets begangen wurden“, sagte Khan weiter.
2014 hatte in der Ostukraine der Konflikt zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee begonnen. In der vergangenen Woche erkannte Russland die Unabhängigkeit der von den Separatisten ausgerufenen „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk an*. Kurz darauf marschierte Russland* in die Ukraine ein. Die damalige IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte bereits im Dezember 2020 mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine beklagt.
Wladimir Putin: „Vernichtungskrieg“ Russlands gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine
Die Ukraine wirft Russland Angriffe auf zivile Ziele vor. Bei der Bombardierung des Zentrums von Charkiw am Dienstag sind nach Angaben von Rettungskräften mindestens zehn Menschen getötet worden. Mehr als 20 weitere seien verletzt worden, teilten die ukrainischen Rettungsdienste mit. Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow sprach von einem „Vernichtungskrieg“ Russlands gegen die Zivilbevölkerung.
Der Gouverneur der Region um Charkiw, Oleg Sinegubow, veröffentlichte ein Video mit Bildern einer Explosion. „Heute hat unser Feind heimtückisch damit begonnen, das Stadtzentrum von Charkiw sowie Wohnviertel zu bombardieren“, sagte er dazu.
Ukraine-Krieg und die Konsequenzen für Wladimir Putin
Großbritannien und seine Verbündeten würden geduldig sein, um die Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, sagte der britische Justizminister Dominic Raab, ein ehemaliger Staatsanwalt für Kriegsverbrechen. Er verwies auf die lange Zeit der Aufarbeitung der Kriege der 1990er Jahre im ehemaligen Jugoslawien. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin*, russische Generalinnen und Generäle und Soldatinnen und Soldaten bestehe „ein sehr reales Risiko, dass sie auf der Anklagebank eines Gerichts in Den Haag landen“, fügte er in der BBC hinzu.
Da Khan will die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes auf den jetzigen Krieg ausdehnen will, könnte Putin ins Visier der Justiz geraten. Denn der Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag verfolgt anders als das UN-Gericht einzelne Individuen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Aggression.
Ukraine-Krieg: Strafgerichtshof will Ermittlungen gegen Putin beginnen
Nun sind zwar weder Russland noch die Ukraine Vertragsstaaten. Aber die Ukraine hat in zwei Erklärungen die Zuständigkeit des Gerichtes für sein Grundgebiet anerkannt. Die Ermittlungen sollen „so schnell wie möglich“ in Gang gesetzt werden, sagte Khan. Dazu braucht er noch einen richterlichen Beschluss. Inzwischen beantragte auch Vertragsstaat Litauen eine Untersuchung, und zwar auch gegen die Befehlshaber Putin und den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko.
Schnelle Urteile sind nicht zu erwarten. Verfahren vor dem Gericht dauern Jahre. Aber schon Ermittlungen und vor allem internationale Haftbefehle könnten abschrecken und ein wichtiges Signal sein. (sot mit dpa/afp) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA