Babak Rafati: Aufstieg und Fall eines Schiris

Göttingen. Ganz offen und ehrlich wolle er sein, kein Tabuthema gebe es für ihn. Dies sei eines seiner Grundprinzipien gegenüber seinen Mitmenschen schon immer gewesen. Der Mann, der das sagt, hatte im Jahre 2011 einen Suizidversuch hinter sich, wurde gerettet und behauptet heute nach einer langwierigen Therapie aufgrund von Depressionen von sich, geheilt zu sein.
Babak Rafati, ehemaliger Bundesliga- und FIFA-Schiedsrichter hat seine Krankheitsgeschichte zum Anlass genommen, ein Buch mit dem Titel „Ich pfeife auf den Tod“ zu schreiben.
Smart und elegant kommt der 43-jährige gelernte Bankkaufmann daher, um in der Fußballer-Kneipe „Stadion in der Speckstraße“ offen mit 60 interessierten Zuhörern zu plaudern. Der 96-Fan hat sich in die „Höhle des Löwen“ begeben, denn Pächter dieser Lokalität, die in unregelmäßigen Abständen Lesungen abhalten lässt, ist Christoph Köchy, eingefleischter Fan von Eintracht Braunschweig. Die Liebe Köchys zur Eintracht manifestiert sich durch ein überdimensionales Poster von Paul Breitner im Braunschweig-Trikot. Moderiert wird dieser Abend von Alex Raack, Mitarbeiter beim Fußball-Magazin „11 Freunde“.
„Ich bin in die Depressionsfalle getappt. Zwei Führungskräfte aus der Kommission des DFB-Schiedsrichterwesens haben das geschafft, und ich habe dieses Spiel mitgemacht“, erzählt Rafati von den Anfängen seiner Depression. Und dann erinnert er sich an den verhängnisvollen Tag, den 19. November 2011. Da war er für das Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 angesetzt. Zuvor hatte ihm sein Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel auf den Weg gegeben: „Jeder darf einen Fehler machen - nur du nicht, Babak!“
Mit diesem Druck und zwei krassen Fehlentscheidungen wie im Spiel zwischen Nürnberg und Gladbach zuvor sei er, Babak Rafati („Es war ein Scheißtag“), nicht fertig geworden. „Ich besoff mich, schluckte 100 Tabletten, legte mich in die Badewanne, schnitt mir die Pulsadern auf, wollte mich noch strangulieren, was mir nicht gelang“, nahm Rafati seine Zuhörer mit auf die Reise seiner schlimmsten Nacht. Er wurde von seinen Schiedsrichter-Assistenten frühzeitig gefunden und gerettet.
Sechs Wochen kein Spiel
Irgendwann merkte der Hannoveraner, dass man ihn loswerden wolle beim DFB, er sei nicht mehr tragbar. Möglich, dass auch eine Rolle gespielt habe, dass er von den Bundesliga-Spielern zweimal zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt wurde. Er wurde gemobbt. „Während man anderen Kollegen Fehler verzieh, bekam ich sechs Wochen kein Spiel.“ Das habe Spuren hinterlassen: Folge davon waren Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit.“ Körper und Seele lösen sich voneinander, du verlierst die Selbstachtung“, beschreibt Rafati die Anfänge schwerster Depressionen.
Bis heute habe es aus der DFB-Zentrale keine Reaktion gegeben. „Die erwarte ich auch nicht, warum auch?“ Immerhin drei Freunde seien ihm aus der Bundesliga-Schiedsrichtergilde geblieben. (gsd)
• Babak Rafati: „Ich pfeife auf den Tod“, 304 Seiten, Kösel-Verlag, 17,99 Euro.