Glückwunsch zum Klassenerhalt! Union Berlin schlägt auch Leipzig

Eigentlich müsste sich Fußball-Bundesligist Union Berlin in den kommenden Tagen auf das Hinspiel der Zwischenrunde in der Europa League bei Ajax Amsterdam am Donnerstag vorbereiten (18.45 Uhr/RTL+). Doch bei den Eisernen aus der Hauptstadt herrscht nach der Partie in Leipzig am Samstagabend erst mal Redebedarf.
Trainer Urs Fischer will sich mit seinen Spielern zusammensetzen, kündigte er nach dem Duell mit den Sachsen an. Das Ergebnis wolle man in den Tagen danach öffentlich kommunizieren.
Auf einen Einlauf müssen sich die Spieler jedoch nicht einstellen. Nach dem 2:1-Erfolg gegen Leipzig bleiben die Hauptstädter Bayern-Verfolger Nummer eins, liegen nach 20 Spielen nur einen Zähler hinter dem deutschen Rekordmeister, stellen nach den Münchnern die zweitbeste Defensive der Liga. Und ganz nebenbei hat Union schon Mitte Februar das Saisonziel erreicht. Mit dem Erfolg gegen RB knackten die Berliner die 40-Punkte-Marke, die ja – das ist gemeinhin bekannt – bei Überschreitung den Klassenerhalt besiegelt. Und das war eben das Saisonziel der Berliner: das fünfte Jahr in Folge der Bundesliga angehören.
Schaut man sich allerdings die kometenhaften Entwicklung der Eisernen nach dem ersten Erstliga-Aufstieg zur Saison 2019/20 an, dann weiß man, dass dieses Saisonziel doch eher bescheiden artikuliert wurde. 2020 landete die Mannschaft auf Rang elf mit 41 Zählern. Schon jetzt ist einer mehr auf dem Konto. 2021 zog das Team mit 50 Punkten als Siebter in die Conference League ein. 2022 waren es bereits 57 Zähler, Platz fünf und die Europa League. Die Köpenicker steigern sich konstant. Mit jetzt sechs Punkten Vorsprung auf Rang fünf müsste das neue Saisonziel eigentlich Königsklasse heißen – doch wer den Verein und dessen Lenker kennt, der wird erahnen können, dass die Vorgabe, die sich Fischer und seine Akteure setzen, weitaus defensiver ausfallen wird. Auch wenn Verteidiger Niko Gießelmann nach dem Sieg in Leipzig scherzhaft sagte: „Wenn wir jetzt alles gewinnen, dann werden wir Deutscher Meister.“ Fischer war da zurückhaltender und gab zu: „Der Wahnsinn geht weiter!“
So richtig erklären können es die Unioner selbst nicht, wie sie diese Partie in Leipzig wieder einmal gewonnen haben. Alle sechs Pflichtspiele in diesem Kalenderjahr haben die Eisernen für sich entschieden – viermal nach Rückstand, gegen Hoffenheim, gegen Bremen, im Pokal gegen Wolfsburg und nun eben gegen RB. Benjamin Henrichs hatte das Team von Trainer Marco Rose in Führung gebracht (24.). Ein Volleyhammer von Janik Haberer sorgte für den Ausgleich (61.). Robin Knoche verwandelte einen Handelfmeter zum 2:1. Und auch wenn zur Wahrheit gehört, dass die Berliner am Ende Glück hatten, dass der Ausgleichstreffer von Yussuf Poulsen nicht zählte (78.): Die Moral des Teams ist bemerkenswert.
Die Knie zittern den Hauptstädtern nach Rückständen nicht. Und auch dann nicht, wenn sie – wie derzeit – von außen bereits als Meisterschaftskandidat gehandelt werden. Zum Erfolgsrezept gehören vielmehr offene Knie wie die von Sven Michel nach dem Sieg in Leipzig (siehe Bild links). Union spielt leidenschaftlich, gibt sich nicht auf, glaubt immer an sich. Zum Erfolgsrezept gehört zudem ein gutes Scouting sowie das Starkmachen von beinahe gescheiterten Profis. Ein Beispiel: Rani Khedira, der bei RB einst aussortiert wurde, bei Union zu den Eckpfeilern gehört. Auch die Torschützen Haberer und Knoche fanden ihr zweites Glück in Berlin.
In den ersten vier Jahren nach einem Bundesliga-Aufstieg haben derzeit nur Bremen (1,93), Leipzig (1,85), Stuttgart (1,82), die Bayern (1,75) sowie Kaiserslautern (1,65) einen besseren Punkteschnitt als die Eisernern. Die Münchner gewannen im vierten Jahr nach dem Aufstieg übrigens auch mal eine Meisterschaft – doch in Berlin heißt es nun erst mal: Glückwunsch zum Klassenerhalt! (Maximilian Bülau)