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Homosexualität im Fußball: „Die Kurven sind weitgehend bereit“

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Von: Maximilian Bülau

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Teil 4 der Themenwoche: Sven Kistner arbeitet für ein Netzwerk schwuler und lesbischer Fanklubs. Mit ihm sprachen wir darüber, wie bereit die Fankurven für Outings von homosexuellen Spielern sind.

Das Leben kommt manchmal mit einer gehörigen Portion Ironie daher. Während Sven Kistner gerade nach einem Heimspiel des KSV Hessen Kassel vor dem Auestadion über seine Arbeit bei Queer Football Fanclubs (QFF) – einem Netzwerk für schwule und lesbische Fußball-Fanklubs – berichtet, laufen nur Meter entfernt drei junge Männer vorbei. Sie rufen – teilweise homophobe – Beleidigungen in Richtung des Gästebusses, vor dem noch einige Spieler stehen. Ironisch, weil Kistner nur Momente vorher gesagt hatte: „Die Kurven sind weitgehend bereit für Outings von homosexuellen Spielern. Probleme gibt es da eher in anderen Bereichen.“

Kistner ist 48 Jahre alt und lebt in Bern in der Schweiz. So ist es fast schon eine eigene Geschichte, dass er an diesem späten Nachmittag überhaupt in Kassel vor dem Stadion steht. Aber der Geburtsort Spangenberg im Schwalm-Eder-Kreis und regelmäßige Besuche machen es möglich. Und natürlich auch die Liebe zu den Löwen. Kistner zog vor zehn Jahre wegen seines Partners aus Frankfurt in die Schweiz. Dort arbeitet er im IT-Bereich der Post.

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Sven Kistner, Pressesprecher QFF

Nebenbei setzt er sich mit QFF dafür ein, dass Homosexualität in den Fankurven in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und seit Kurzem auch in England enttabuisiert wird. „Wir wollen sichtbar in den Kurven sein und dadurch Kontakte zu anderen Fanklubs herstellen“, sagt Kistner.

Die Frage, die Kistner beantworten soll, während die drei pöbelnden jungen Männer sich langsam entfernen, lautet: Wie würden Fans reagieren, wenn sie wüssten, dass ein homosexueller Spieler auf dem Feld steht? „Unterschiedlich“, meint er. „In größeren Städten wie München oder auch bei uns in Bern ist das kein Problem mehr. Doch es gibt Orte – oft in ländlicheren Gebieten – da wäre ich nicht so offen mit meiner Sexualität. Auch wenn man es nicht immer an der Größe der Stadt festmachen kann.“

Welche Erfolge QFF schon erzielt hat, sei schwer zu messen, sagt der 48-Jährige. Die größte Schwierigkeit sieht er ohnehin in dem Geschäft Fußball. „Es geht da mehr um unterschwellige Ängste der Spieler. Sponsoren und vielleicht mal ein Wechsel ins Ausland sind da ein Thema. Da steckt so viel Geld drin, dass sich Spieler eher darum Gedanken machen“, sagt der Spangenberger.

Das Outing von Thomas Hitzlsperger vor fünf Jahren sei grundsätzlich eine positive Sache gewesen, findet Kistner. „Wir hatten an dem Tag zufällig unsere Vollversammlung von QFF im Kölner Stadion. Auf einmal waren die ganzen Medien da und wollten eine Stellungnahme von uns“, erinnert er sich. „Ich ziehe den Hut vor Hitzlsperger. Aber man darf die Wirkung nicht überschätzen. Es ist nichts großartig nachgekommen.“

Und während die Rufe der drei Pöbler immer leiser werden, wiederholt Kistner noch einmal: „Die Kurven sind bereit. Und ich glaube auch, dass Outings von Profi-Fußballern folgen werden. Es wird aber noch dauern.“ Das „Kommt doch raus aus eurem Bus, ihr kleinen Schwuchteln!“ von einem der drei jungen Männer in Richtung des Gästeteams ist in diesem Moment kaum noch zu hören. Es dauert, aber sie verschwinden, die Beleidigungen. Hoffentlich auch in den Stadien.

Das ist QFF

Queer Football Fanclubs (QFF) ist ein Netzwerk schwul-lesbischer Fußball-Fanklubs, das zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland von drei Klubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet wurde. Queer ist englisch und bedeutet homosexuell. Die Vereinigung arbeitet unter anderem auch mit dem Deutschen Fußball-Bund zusammen. QFF hat mittlerweile mehr als 1200 Mitglieder und setzt sich gegen jegliche Diskriminierung ein – insbesondere wegen der sexuellen Orientierung. Ein Ziel ist die Förderung der Gründung weiterer schwul-lesbischer Fanklubs und die Integration dieser in die Fanszene.

Teil 1 der Serie: Homosexualität und Homophobie im Sport: Noch immer ein Tabu

Teil 2 der Serie: Verein Fußballfans gegen Homophobie: Ein Banner wandert durch Europa

Teil 3 der Serie: Sexuelle Orientierung im Fußball: „Homosexualität wird unterdrückt“

Teil 4 der Serie: Homophobie ist auf heimischen Plätzen verbreitet – zwei Spieler berichten

Letzter Teil der Serie: Ex-Handballer und Trainer Harald Meißner erzählt von seinem Outing

Zum Tag der Homophobie erzählt Michael Roth, Bundestagsabgeordneter der SPD, von den Erfahrungen mit seinem Outing.

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