Lusail - Schmähgesänge und Beleidigungen gehören seit jeher zum Fußball, das ist nicht von der Hand zu weisen. Im Zeitalter der sozialen Medien nehmen die Beschimpfungen jedoch eine andere Dimension an, ganze Shitstorms können sich heutzutage gegen einen Sportler entladen. Auch nach dem WM-Finale zwischen Argentinien und Frankreich, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, geriet vor allem ein Spieler des neuen Vizeweltmeisters ins Kreuzfeuer: der Bayern-Profi Kingsley Coman.
Kingsley Coman |
Geboren: 13. Juni 1996 in Paris |
Pflichtspiele für den FC Bayern: 246 (50 Tore) |
Beim FC Bayern seit: 30. August 2015 |
Länderspiele für Frankreich: 46 (5 Tore) |
Die Südamerikaner und die Franzosen lieferten sich ein packendes Spiel, in dem die Mitteleuropäer zunächst einen 0:2-Rückstand aufholten, auch in der Verlängerung trafen beide Teams. So mussten beide Mannschaften beim Stand von 3:3 dem Druck des Elfmeterschießens Stand halten.
Nachdem die beiden PSG-Stars Kylian Mbappé und Lionel Messi als erste Schützen ihres Teams jeweils den ersten Versuch verwandelten, hätte der Druck für den zweiten französischen Spieler kaum größer sein können.
Doch Kingsley Coman nahm sich der Sache an, auch wenn der offensive Flügelspieler des FC Bayern nicht für seine Elfmeter bekannt ist. Der 26-Jährige nahm ein paar Schritte Anlauf und donnerte die Kugel ins von ihm aus gesehen linke Eck, allerdings hatte Argentiniens Keeper Emiliano Martínez auf den Sprung nach rechts spekuliert und ging als Sieger aus dem Duell hervor.
Nachdem Aurélien Tchouaméni den dritten Strafstoß der Franzosen vergab, hatte Argentinien leichtes Spiel und holte nach einem 4:2 im Elfmeterschießen zum dritten Mal in seiner Geschichte nach 1978 und 1986 den Titel. Die Franzosen hingegen gingen enttäuscht zu Boden. Für Coman sollte der Horror jedoch erst beginnen, wie tz.de berichtet.
Kurze Zeit nach dem Elfmeterschießen häuften sich bereits unzählige Hass-Kommentare unter den letzten Bildern, die Coman auf seinem Instagram-Profil geteilt hatte. So fanden sich auch am Tag nach dem Spiel noch eine Vielzahl beleidigender Affen-Emojis und andere heftige rassistische Beleidigungen auf der Seite, etwa böse Anspielungen auf die afrikanische Abstammung vieler Spieler der französischen Nationalmannschaft. Coman hat, wie viele andere Spieler, Wurzeln im französischen Überseedépartement Martinique in der Karibik.
Auch abwertende Kommentare nicht-rassistischer Natur waren keine Seltenheit. „Du verf***ter Idiot“, „F*** dich“, „Müll-Spieler, solltest dich einfach vom Fußball zurückziehen“ – der Heftigkeit waren keine Grenzen gesetzt. Auffällig war dabei, dass die meisten Beleidigungen auf Englisch unter die Bilder gepostet wurden, was auch Usern auffiel. „Die Leute, die hier kommentieren, sind nicht einmal Franzosen“, merkte ein Nutzer an.
Doch auch die Kommentare auf französicher Sprache hatten es in sich. „Bravo, du hast deine gesamte Nation zum Weinen gebracht!“, hieß es etwa. Andere gehen noch weiter und beleidigen den gebürtigen Pariser aufgrund seiner Herkunft. Die Mehrheit stellt sich jedoch gegen die verletzenden Kommentare.
„Die Gewohnheit der Franzosen: Wenn du gewinnst, bist du Franzose, wenn du verlierst, bist du Afrikaner“, schreiben einige User, die sich mit Coman solidarisieren. „Nein zu Rassismus“, lautet der Grundtenor der meisten Kommentare, einige loben den Nationalspieler für dessen Einsatz im Finale. „Kopf hoch und nicht auf die Hater hören“, versuchte eine Userin Coman aufzumuntern.
Der 46-fache Nationalspieler Coman wird sicherlich noch lange Zeit an seinem Fehlschuss nagen. Denn der „King“ hat eine traurige WM-Vorgeschichte. Die Weltmeisterschaft 2018, bei der Frankreich als Turniersieger hervor ging, verpasste der Bayern-Star aufgrund eines Syndesmosebandrisses. Lediglich den Nations-League-Sieg konnte er bislang mit der Équipe Tricolore feiern.
Nun muss Coman auf die kommende Weltmeisterschaft in Nordamerika hoffen. Für die kurzfristige Genugtuung könnte auch ein Weiterkommen im Champions-League-Achtelfinale reichen, dann geht es nämlich gegen Paris Saint-Germain und Lionel Messi. Mut sollte ihm dabei seine schönste Erfahrung mit PSG geben, 2020 erzielte Coman im Finale um die Königsklasse den entscheidenden Siegtreffer für die Bayern. (ajr)