Merck: Der HSG Bad Wildungen fehlen 250.000 Euro

Bad Wildungen. Glaubt man der neuen Führungsriege des Handball-Zweitligisten HSG Bad Wildungen, dann sieht die finanzielle Lage in der Badestadt alles andere als rosig aus.
Im Interview mit unserer Zeitung spricht Katharina Merck von einer Deckungslücke in Höhe von 250 000 Euro für die laufende Saison. Merck soll zusammen mit Markus Berchten und Bernd Pfeifferling die Leitung der Zweitligamannschaft übernehmen. Die 55-Jährige, bislang Geschäftsführerin des Handball-Leistungszentrums, sieht gute Chancen, den Verein wieder auf solide Füße zu stellen.
Frau Merck, wie nah stand die HSG Bad Wildungen am Abgrund?
Merck: Zunächst einmal kurz eine Begriffsklärung: Die HSG ist die Handballspielgemeinschaft, und die ist nicht in Schwierigkeiten. In Schwierigkeiten ist das Wirtschaftsunternehmen „HSG Sportfördergesellschaft gGmbH“. Dort sind zurzeit keine liquiden Mittel vorhanden.
Wie sieht die finanzielle Lage konkret aus? Ist der Spielbetrieb in Gefahr?
Merck: Die Deckungslücke umfasst etwa 250 000 Euro, soweit wir das einschätzen können. Letztlich muss ein Unternehmensberater diese Dinge jetzt aufdröseln. Die Damen werden zunächst spielen, und wir haben eine Deadline, dass wir in 14 Tagen erste Ergebnisse vorweisen möchten.
Kann der Spielbetrieb bis zum Sommer irgendwie gesichert werden?
Merck: Erst einmal müssen die Sponsoren informiert werden und sich erklären, ob sie uns weiter zur Seite stehen. Die ersten Rückmeldungen sind positiv. Mehr wissen wir am Samstag nach dem Treffen der Sponsoren. Eine Bitte habe ich aber auch an alle Fans: Lasst Euch gerade jetzt in der Halle blicken, signalisiert uns so eure Unterstützung.
Wo sind die Fehler gemacht worden?
Merck: Zunächst einmal möchte ich nicht von Fehlern sprechen, sondern von Versäumnissen. Etwas ehrenamtlich zu stemmen, was einem kleinen Unternehmen gleicht, ist kaum möglich. Dort ist zu lange abgewartet worden, aber sicherlich nicht aus Gleichgültigkeit, sondern man war der Meinung, es zeitlich und vor allem kräftemäßig zu schaffen. Es gibt auch keine wirkliche Marketingabteilung, die man in diesem doch sehr schwierigen Umfeld braucht. Es gibt eine Fülle von Dingen, die man besser machen kann. Ob das dann zum Erfolg führt, kann man jetzt nicht sagen.
Zu hören war ebenfalls von einer Steuernachforderung des Finanzamtes: Was hat es damit auf sich?
Merck: Es gibt eine Steuernachforderung, die gar nicht mal so groß ist, die uns aber den Handlungsrahmen einschränkt, weil das Finanzamt unter bestimmten Bedingungen das Konto sperrt, um sich seiner Abgaben zu versichern. Das hat uns unvorbereitet getroffen und muss gelöst werden. Es gibt eine weitergehende Schätzung des Finanzamtes, die hoch ist, die wir aber mit der Abgabe der entsprechenden Erklärungen zu entkräften suchen. Hier muss aber ein Fachmann hinzugezogen werden, der sich mit Unternehmensberatung bei Sportvereinen auskennt.
Gestern wurden Trainer und Mannschaft informiert. Wie waren die Reaktionen?
Merck: Es war für alle ein Schock natürlich. Ich habe ihnen die Fakten geschildert. Sie haben sich dann besprochen und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie Samstag in Mainz spielen werden und wir nun in den nächsten 14 Tagen nach einer kurzfristigen Lösung für die Löhne suchen.
Auf die Spielerinnen sollen Gehaltskürzungen zu kommen. Das wird nicht bei jeder auf Gegenliebe gestoßen sein…
Merck: Bislang wird davon nicht gesprochen, und wenn das nötig ist, möchte ich das mit den Spielerinnen klären und nicht in der Öffentlichkeit. Fakt ist aber, dass alle mithelfen müssen, sonst schaffen wir es nicht.
Bleiben die Spielerinnen und der Trainer der HSG treu?
Merck: Bislang ja. Das hängt sicherlich davon ab, wie weit Vertrauen aufgebaut werden kann und wie zuverlässig sie ihr Honorar bekommen.
Im Umfeld wird eine Professionalisierung angestrebt. An was ist konkret gedacht?
Merck: Zunächst wird in Kürze ein Marketingfachmann zu uns stoßen. Der kommt aus Berlin und war eigentlich vorab für das HLZ im Gespräch. Der Vorteil ist, dass er bereits Erfahrung im Handball hat. Zum zweiten müssen wir mittelfristig einen hauptamtlichen Geschäftsführer einstellen. Die schwierigen Verflechtungen zwischen HSG und HSG Sportfördergesellschaft sollen geklärt und neu geordnet werden, so dass auch dort Klarheit einkehrt.
Stimmt es, dass Sponsoren auf diese Professionalisierung gedrängt haben sollen?
Merck: Ja.
Wie wird die Aufgabenverteilung künftig aussehen?
Merck: Diese Frage kommt zu früh. Aber naturgemäß wird Markus Berchten den sportlichen Part übernehmen. Da er überdies auch Erfahrung in wirtschaftlichen Dingen hat, macht diese Besetzung leicht. Bernd Pfeifferling wird Geschäftsführer sein, bis ein Hauptamtlicher Geschäftsführer eingesetzt werden kann.
Zweitligamannschaft und Leistungszentrum sind bislang zwei getrennte Einheiten. Wird das so bleiben?
Merck: In jedem Fall.
Von Thorsten Spohr