„Will immer das Beste für das Team“

Bad Wildungen. 16:6 Punkte - Handball-Zweitligist HSG Bad Wildungen liegt auf Kurs in Richtung der Aufstiegs-Playoffs. Eine starke Bilanz, auch angesichts der finanziellen Turbulenzen, die die HSG im Herbst erschütterten. Wir sprachen mit Trainer Gernot Weiss über die letzten zwölf Monate.
Ein ereignisreiches Jahr geht für die HSG zu Ende. Wie fällt Ihre ganz persönliche Bilanz aus?
Weiss: Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Aber wir wissen auch, dass wir mit etwas mehr Selbstvertrauen in der Rückrunde der Saison 2009/2010 mehr hätten erreichen können. Man hat dort unsere Schwächen gesehen und wir haben versucht, uns da zu verstärken. Mit der Hinrunde dieser Saison sind wir dann sehr zufrieden.
16:6 Punkte - das ist eine sehr ordentliche Bilanz...
Weiss: Damit können wir richtig gut leben. Aber wir hätten auch zwei Minuspunkte vermeiden können. Wir waren dran in Dortmund, wir waren dran in Weibern. Wenn wir eines dieser Spiele gewonnen hätten, wäre es eine überragende Hinrunde gewesen.
Sie haben das Selbstvertrauen angesprochen: Bei den Niederlagen hatte man das Gefühl, dass gerade dieses fehlt…
Weiss: Das kann man so sehen. Aber das ist auch bei anderen Vereinen so, die geben auch Punkte ab. Es gibt immer Phasen in einer Saison, wo es nicht richtig läuft. Aber wir haben nach den Niederlagen zu Hause immer wieder sehr gut gespielt. Das ist wichtig.
Woran muss konkret gearbeitet werden, damit der Sprung unter die ersten Vier gelingt?
Weiss: In erster Linie an unserer Psyche, dem Glauben an unsere eigene Stärke. Gegen Nellingen und gegen Metzingen hat man gesehen, dass wir es können. Das müssen die Spielerinnen verinnerlichen.
Die Abwehr ist auch in diesem Jahr das Prunkstück des Teams…
Weiss: Auch wenn ich selber nie einer der großen Abwehrspieler in meiner Karriere war: Spiele gewinnt man nur über die Abwehr. Das habe ich meinem Team immer vermittelt. Bis auf das Spiel gegen Bensheim haben wir das auch sehr gut gemacht.
Im Angriff dagegen läuft es nicht immer rund. Warum?
Weiss: In der Abwehr ist es einfacher, etwas zu erreichen, im Angriff schwieriger. Das ist in allen Sportarten so. Kreativ zu sein ist schwerer, als hinten zu verteidigen. Aber auch im Angriff machen wir Fortschritte.
Viel erwartet wurde von Spielmacherin Ruta Latakaite. Wie sind Sie mit ihr zufrieden?
Weiss: Es ist nicht einfach, als Neuzugang gleich die Rolle als Kopf des Teams auszufüllen. Aber sie hat das sehr gut gemacht. Dass sie auch mal ein Tief hat, ist normal. Wir sind sehr zufrieden mit ihr. Sie muss sich aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein holen und ihre vorhandene Stärke auf dem Spielfeld noch mehr zeigen.
Alexandrine Zinsou hat noch Probleme. Woran liegt das?
Weiss: Nach der Absage von Birute Stellbrink mussten wir im Rückraum reagieren. Zum Glück hatten wir Alex gefunden. Sie hat gute Qualitäten - aber sie hat es auch schwer, an Sabine Heusdens vorbeizukommen. In ihrem früheren Verein war Alex Alleinunterhalterin im Angriff. Jetzt muss sie sich in eine Mannschaft integrieren. Das ist eine Umstellung, auch weil sie die Sprache nicht spricht. Sie passt sich aber immer mehr an und wir hoffen, dass sie uns in der Zukunft immer mehr helfen wird.
Schauen wir auf eine Bad Wildunger Spielerin: Esther Meyfarth. Sie ist derzeit vor allem in der Abwehr gesetzt. Wird das so bleiben?
Weiss: Sie spielt für mich die wichtigste Rolle in der Defensive. Ohne sie würde die Abwehr nicht funktionieren. Im Angriff hat sie weniger Spielanteile - ich werde aber versuchen, ihr in der Zukunft mehr zu geben. Auch vorne hat sie sehr gute Qualitäten, gegen Riesa hat sie das gezeigt. Sie ist eine Topspielerin, die noch die ganze Laufbahn vor sich hat.
Turbulenzen gab es einige in dieser Saison. Wie schwer war es, sich dabei auf die sportliche Arbeit zu konzentrieren?
Weiss: Es war nicht einfach. Vor allem für die Mädchen - das hat man im Spiel gegen Bensheim-Auerbach auch deutlich gesehen. Da waren die Köpfe nicht frei.
Das Bensheim-Spiel sorgte intern für einige Irritationen. Mit dem Abstand von ein paar Wochen: Haben Sie nach der Partie gegen den Favoriten mit den als Rücktritt verstandenen Äußerungen in der Pressekonferenz überreagiert?
Weiss: Über die Öffentlichkeit ist es immer der falsche Weg - da brauchen wir nicht drüber zu diskutieren. Das war schlecht von mir. Aber es waren meine Gedanken in dem Moment - so bin ich eben. Dass die Reaktion nicht gut war, weiß ich selber.
Was klar wurde: Die Mannschaft stand hinter Ihnen. Wie stolz macht das einen als Trainer?
Weiss: Die Mädchen kennen mich teilweise sehr lange und sehr gut. Sie wissen: Egal wie ich reagiere, ich will immer das Beste für die Mannschaft - sportlich und natürlich auch privat. Das war auch in dieser Situation so.
„Dass die Reaktion nicht gut war, weiß ich selber.“
Gernot Weiss
Markus Berchten ist nun als sportlicher Leiter für die Zweitligamannschaft mit verantwortlich. Wie sieht die Aufgabenverteilung aus?
Weiss: Ich kann meine sportliche Linie weiter durchziehen - das ist für mich wichtig. Markus Berchten wird sich um das Umfeld kümmern, zum Beispiel um die Verträge mit den Spielerinnen. Ich hatte nie ein Problem mit Markus Berchten, die Zusammenarbeit mit dem Leistungszentrum war immer sehr gut. Das einzige, was mich in dieser schwierigen Zeit gestört hat: Es hätte mehr Kontakt zwischen der neuen Führung und der Mannschaft geben müssen, um die Verunsicherung der Spielerinnen zu bekämpfen.
Was ist Ihr Wunsch an die neue Führung?
Weiss: Dass sie gut arbeitet und der Mannschaft die Möglichkeit gibt, in Ruhe guten Handball zu spielen. Ich hoffe, dass weiter Spitzenhandball in Bad Wildungen gespielt wird und es auch in Zukunft diese schönen Samstagabende in der Ense-Halle gibt, wo alle - Spielerinnen und Fans - viel Spaß haben.
Von Thorsten Spohr