Ich möchte erst mal den Job hier erledigen. Dafür brauche ich den Fokus. Danach sehen wir weiter.
Wir glauben allerdings: Viele Football-Fans werden es vermissen, wenn Icke während der Live-Übertragungen keine bunten Geschichten aus dem Netz präsentiert.
Das wird sich zeigen, was die Zuschauer vermissen und was nicht. Ich bin den Leuten sehr dankbar, wie sie das angenommen haben. Mir ist bewusst, dass jemand wie ich sonst wahrscheinlich nicht im Fernsehen gelandet wäre. Ich könnte ohne die Zuschauer nicht all das tun, was ich in meinem Leben mache. Die entscheidende Sache ist aber, dass die Leute den Sport jetzt kennen, verstehen und größtenteils lieben gelernt haben. Das haben wir geschafft, das wird nicht vergehen.
Wird Ihnen denn etwas fehlen, wenn Sie demnächst wieder in der Redaktion sitzen und nicht regelmäßig vor der Kamera stehen?
Ursprünglich war ich nicht derjenige, der sich vor die Kamera gedrängelt hat. Ich denke schon, dass mir etwas fehlen würde, aber wir machen ja auch weiter Live-Übertragungen der European League of Football und vom College Football.
Sind Sie eigentlich schon vorher mit Football in Kontakt gekommen?
Mir wurde durch Dirk Nowitzki Anfang der 2000er ein bisschen die Tür zu dieser Welt geöffnet. Ich komme aus einem Vorort von Berlin in Brandenburg, da stand Fußball im Fokus. Ich habe aber immer viel US-Sport, viel Basketball geschaut – da kam schnell Football dazu. Man kann sagen: Ich wurde früh vom Football-Virus infiziert. Ich wusste, warum ich das alles gut finde. Da sind die Geschichten und Charaktere, die alle etwas zugänglicher sind und einen emotional packen.
Sie waren also zu Beginn der Ran-Übertragungen regelsicherer als Kommentator Frank Buschmann?
(lacht) Wenn ich die Spitze jetzt mitnehmen soll ... Da würde ich nicht widersprechen. Ich kannte Buschi ja vorher schon. Wir können gut zusammen, ich mag ihn. Er wird oft als Schreihals bezeichnet, aber er macht das alles aus Liebe zum Sport. Er ist wie der Onkel, der auf Feiern immer etwas zu laut ist, der dann aber doch allen fehlt, wenn er mal nicht da ist. So war er schon immer. Es war schon richtig stark, wie sehr er sich reingefuchst hat. Buschi hat wahrscheinlich viel mehr Artikel gelesen als ich. Zum Start hatte ich vielleicht zehn Meter Vorsprung beim 100-Meter-Sprint, die hat er aber mit Erfahrung wettgemacht.
Buschi hat ja auch erst mal als Zugpferd gedient.
Wir waren damals alle Amateure. In den ersten Sendungen saßen da Frank Buschmann und Jan Stecker. Sie waren die einzigen, die vorher schon regelmäßig im Fernsehen vor der Kamera gearbeitet haben. In zwölf Jahren Super Bowl, elf Jahren Playoffs und acht Jahren Regular Season haben wir alle eine mega Entwicklung durchgemacht.
Experte Patrick Esume beschrieb Ihren Werdegang kürzlich mit den Worten „vom dicklichen Praktikanten zum dünnen Hipster“. Sie dürfen sich gern revanchieren.
(lacht) Ich bin eigentlich kein Sprüche-Klopfer. Da bin ich sehr durch weibliche Erziehung geprägt. Patrick hat die Gabe, den Leuten eine Sportart, die eigentlich nur wenige richtig verstehen, so nah zu bringen, dass viele sagen: Da hab’ ich Bock drauf. Das ist mein Resümee nach acht gemeinsamen Jahren vor der Kamera.
Sie wirken mittlerweile alle wie Freunde, die richtig Spaß haben.
Dass diese Sportart die Leute so eingefangen hat, liegt auch daran, dass die Menschen vor der Kamera zu einer Freundesgruppe geworden sind. Sonst wäre es auch nicht so ein Erfolg geworden. Bei uns kann jeder auch über sich selbst lachen, das ist wichtig. Wer will schon vier Stunden am Sonntag mit jemandem auf der Couch verbringen, der nicht über sich lachen kann? Manche Menschen haben damals vielleicht auch wegen der guten Stimmung und der etwas anderen Form einer Liveberichterstattung eingeschaltet und sind für den Sport geblieben. Darauf bin ich stolz. Es gibt nicht viele, die sagen können, sie haben etwas verändert. Es gibt Berufe, die sind wichtig, dagegen ist meiner wahnsinnig unwichtig. Wenn ich aber daran denke, dass sich jetzt so viele Leute die Nacht für einen Sport um die Ohren schlagen, der sie vorher kaum interessiert hat, ist das schön.
Gibt es Anekdoten aus Ihren Jahren rund um die Übertragungen?
(lacht) Eine lustige Anekdote, für mich aber inzwischen fast schon nervig: Ich hatte in der ersten oder zweiten Saison mein Handy einmal nicht auf lautlos gestellt, es hat dann in der Sendung geklingelt. Da ist Buschi natürlich gleich ausgeflippt, ich solle rangehen. „Anonym“ stand da, ich bin drangegangen und kannte denjenigen gar nicht. Der sagte nur: „Biste gerade im Fernsehen? Ihr macht ‘ne super Sendung.“ Da lache ich noch heute drüber, aber das Handy ist jetzt immer auf lautlos.
Schauen wir endlich mal auf das Spiel: Ist es für Sie ein Traumfinale?
Ich habe vor der Saison die San Francisco 49ers im Super Bowl gesehen. Ich hätte sie mir dort gewünscht. Und hätten die 49ers nicht so viel Pech mit den Verletzungen der Quarterbacks gehabt, wäre es auch möglich gewesen. Philadelphia hat in meinen Augen das kompletteste Team. Man muss aber bedenken, dass sie sowohl in der Divisional Round als auch im Conference Championship keine richtige Aufgabe hatten. Da konnte man noch nicht sehen, ob Quarterback Jalen Hurts nach seiner Schulterverletzung wirklich wieder fit ist. Vielleicht bin ich ihm gegenüber aber auch zu skeptisch. Die Stadt hätte den Super-Bowl-Sieg auf jeden Fall verdient.
Und die Chiefs?
Wer Patrick Mahomes als Quarterback hat, der ist immer Super-Bowl-Anwärter. Er hat es in seinen fünf NFL-Spielzeiten schon geschafft, den Status von Tom Brady zu übernehmen. Bei dem konnte man sich auch immer darauf verlassen, dass seine Teams weit kommen. Deshalb ist es auch der verdiente Super Bowl, die beiden besten Teams der Saison stehen im Finale.
Reicht der Superstar-Quarterback denn gegen ein kompletteres Team?
Guter Punkt. Auch Hurts hat in seinen drei NFL-Jahren einen enormen Sprung gemacht. Mit ihm werden die Eagles in den kommenden Jahren immer konkurrenzfähig sein. Beide Quarterbacks sind inzwischen Superstars. Bei den Chiefs darf man nicht vergessen: Sie haben mit Andy Reid einen sehr erfahrenen Trainer, der war vor 15 Jahren schon mit den Eagles im Super Bowl. Der schafft es immer wieder, seine Teams bestens vorzubereiten. Und sie haben natürlich Tight End Travis Kelce. Ich würde nicht mal sagen, dass die Chiefs das schlechtere Team sind, sondern die Eagles eher in der Breite besser aufgestellt.
Wenn aber einer weiß, wie man Kelce ausschaltet, dann wohl sein Bruder Jason, Offensivspieler der Eagles?
Das ist schon eine coole Geschichte und das erste Mal, dass sich zwei Brüder im Super Bowl gegenüberstehen. Müsste ich mir einen aussuchen, dann wäre es Jason von den Eagles. Mit ihm habe ich vor Philadelphias Meistersaison 2017 gesprochen und gesagt: Wenn ihr in den Super Bowl kommt, trinken wir beiden ein Bier. Daran konnte er sich damals erinnern und dann haben wir zusammen auf der Parade in Philly ein Kölsch getrunken, das ich mitgebracht habe.
Was ist Ihr Tipp?
Das Schöne an diesem Super Bowl ist, dass man es nicht sagen kann. Sonst habe ich immer ein Gefühl dafür. Auch wenn man eigentlich nicht gegen Mahomes tippen darf, sind die Eagles für mich leichter Favorit. Ich tippe auf ein knappes 27:24.
Übrigens: Basketball, Football, vielleicht noch Eishockey – da können Sie auch mal nach Kassel kommen, da gibt’s alles vor der Haustür.
Stimmt! Und ihr habt ja die Huskies. Neben Sport sind Hunde meine Leidenschaft. Ich habe selbst keinen, aber einen Gassi-Geh-Führerschein in einem Münchner Tierheim. Ich bin großer, großer Huskies-Freund. Und ja, Kassel hat die Huskies.
Christoph „Icke“ Dommisch (36) wurde am 5. Januar 1987 in Frankfurt an der Oder geboren und wuchs in der Nähe von Berlin auf. Heute lebt er in München. Nach seinem Abitur absolvierte Dommisch zunächst ein Praktikum bei Radio Fritz, danach studierte er Sportjournalismus und Sportmanagement. Nach dem Studium ging es für ihn zu ProSiebenSat.1, wo er bei der Sportsendung Ran ein Volontariat absolvierte. Seit 2015 ist er Redakteur der Sendung und zudem Netzreporter bei American-Football-Übertragungen. Zusammen mit Max Zielke hat er den Podcast „Sport Support“. Dommisch ist ledig und hat keine Kinder.
(Maximilian Bülau & Björn Friedrichs)