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Huskies-Trainer Corey Neilson: „Anheizen ist nicht mein Ding“

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Von: Pascal Spindler, Björn Friedrichs

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Steht erst seit kurzer Zeit in Kassel an der Bande: Corey Neilson übernahm das Huskies-Traineramt von Tim Kehler. Seither ging Neilsons Team immer als Sieger vom Eis.
Steht erst seit kurzer Zeit in Kassel an der Bande: Corey Neilson übernahm das Huskies-Traineramt von Tim Kehler. Seither ging Neilsons Team immer als Sieger vom Eis. © Andreas Fischer

Im Interview spricht Huskies-Trainer Corey Neilson über seinen erfolgreichen Start in Kassel, die Playoffs und eine mögliche Weiterbeschäftigung über die Saison hinaus bei den Huskies.

Kassel – Knapp drei Wochen ist es her, dass sich die Kassel Huskies von Tim Kehler getrennt haben und Corey Neilson das Traineramt beim Eishockey-Zweitligisten übernommen hat. Viel Zeit zum Kennenlernen hatte der 45-Jährige nicht. Vor den am Mittwoch startenden Playoffs haben wir mit dem Kanadier gesprochen – über einen makellosen Start, seine Stärken und Schwächen sowie seinen besten Freund.

Herr Neilson, sechs Siege zum Start. Hätten Sie mit so einem Auftakt gerechnet?

Eher nicht, nein. Ich dachte schon, die ersten vier Gegner sind schlagbar (Weißwasser, zweimal Freiburg und Selb, Anm. d. Red.). Es musste aber zu Beginn viel für die Grundlagen gemacht werden, die ich in der Abwehr sehen möchte. Die Spieler haben einen guten Job gemacht, die Vorgaben wie im Flug gelernt. In den ersten vier Spielen haben wir noch Fehler gemacht, die wir ausbügeln konnten. Gegen Dresden haben wir es dann sehr gut gemacht, es stellt sich ein wenig die Gewohnheit bei diesen Details ein.

Was haben Sie am System genau geändert?

Es sind ein paar Kleinigkeiten. Unser Spiel ist in manchen Bereichen jetzt aggressiver. Manchmal vertraut man als Trainer zu sehr auf die einzelnen Fähigkeiten seiner Spieler, anstatt den Fokus auf das Zusammenspiel zu richten. Ich habe dem Team ein paar Vorgaben mitgegeben, die größte ist wohl die Zusammenarbeit in der Defensivzone. Ich möchte, dass zwei unserer Spieler auch mal einen Gegenspieler gemeinsam jagen, sodass der nicht weiß, wo er hinlaufen soll – und nicht, dass einer versucht, seinen Job zu machen, und der andere guckt nur nach dem Puck.

Konnten Sie sich so spontan überhaupt auf das neue Amt vorbereiten?

Viel Zeit war nicht. Ich wurde angerufen und zwei Tage später war ich hier. Ich hatte auch gerade erst meine vorherige Stelle verlassen. Ich kam nach Hause, habe ausgepackt und eigentlich gleich wieder alles eingepackt. Von manchen Spielern kannte ich ehrlich gesagt nicht mal die Namen, als ich herkam.

Jetzt aber schon?

Ja, jetzt kenne ich sie. (lacht) Als ich mitbekam, dass in Kassel womöglich eine Option für mich bestehen könnte, habe ich mir ein paar Spiele angesehen. Es ist eine talentierte Truppe, aber ich sah auch Fehler. Ich dachte, vielleicht kann ich den entscheidenden Teil beitragen, dass es besser läuft.

Hatten Sie im Vorfeld auch Kontakt zu alten Kollegen, zum Beispiel Peter Russell?

Ja, Peter ist mein bester Freund. Wir sprechen jeden Tag. Ich wusste genau, was Kassel bietet. Peter sprach sehr positiv darüber, was die Gruppe anbieten kann. Was die Art und Weise angeht, wie ich mein Team spielen lassen will, bin ich aber immer gut vorbereitet. Ich habe mehrere Präsentationen, die das genau zeigen.

Wie war Ihr erster Eindruck von der Mannschaft?

Es ist ein großes, kräftiges Team – vor allem im Angriff. Wir haben ein paar wirklich gute Techniker, dazu mit Jerry Kuhn einen Torwart, der gegen mich schon viele Spiele gewonnen hat. Die größte Aufgabe war, eine vierte Reihe zusammenzustellen. Wir haben Marco Müller in den Sturm gezogen, ein paar Sachen ausprobiert. Das hat uns weitergeholfen. Wir haben drei richtig gute Reihen und eine vierte, die in jeder Partie sechs, sieben Minuten spielen kann. Das ist wichtig. Die Topspieler, die Tore schießen sollen, bekommen so mehr Pause und Frische.

Während der Spiele sprechen Sie viel, geben Anweisungen. Wie viel Einfluss können Sie nehmen?

Ich versuche, die Spieler zu ermutigen, ihr eigenes Spiel zu machen, kreativ zu sein. Zeitgleich gibt es viele Dinge, die ein Trainer besser wahrnehmen kann. Deshalb ist es sehr wichtig, Feedback, Ideen und Hilfe anzubieten, wenn die Spieler vom Eis kommen. Für Leute, die sich nicht auskennen, wirkt Eishockey chaotisch. Alle laufen herum, Spieler stürmen runter vom Feld und hinauf, es ist sehr schnell. Für mich als Trainer ist das aber alles geplant. Für jedes Bully gibt es einen Plan – was passiert, wenn wir es gewinnen; was, wenn wir es verlieren.

Werden Sie in Sachen Importspieler auch in den Playoffs rotieren oder vertrauen Sie da auf einen festen Stamm?

Das ist eine schwierige Frage. Auch Profisportler sind Menschen, die man mit Respekt behandeln muss. Das Wichtigste ist: Eishockey ist nicht immer fair. Jeder ist in etwas gut, jeder ist in etwas nicht so gut. Man hat auch einen Torhüter und einen Back-up, das ist auch nicht fair. Jonas Neffin will auch spielen, aber Jerry hält fantastisch. Bevor ich also öffentlich erzähle, wie ich damit umgehe, möchte ich erst mit den Spielern gesprochen haben. Deshalb kann ich das jetzt nicht beantworten.

Nun wartet das Playoff-Derby gegen Bad Nauheim. Ihre Einschätzung?

Meine erste Priorität war, dass unser Team anders spielt – so wie ich es mir vorstelle. Darauf liegt auch weiter der Fokus, bis zu einer Eingewöhnung braucht es Zeit. Meine Teams sollen anders spielen. Aggressiver, mit vielen verrückten Arten des Face-offs. Wobei – nicht verrückt. (lacht) Oder doch? Ein bisschen verrückt, ein bisschen anders. Andere Teams richten ihren Matchplan eher nach uns, weil wir Dinge anders machen. Wir respektieren Bad Nauheim total, aber wir fokussieren uns nur auf unser Spiel.

Worauf kommt es jetzt an?

Das Wichtigste jetzt ist, dem Team auch ein bisschen Pause zu geben. Wir haben gegen Dresden bewiesen, dass wir gegen jeden mithalten können, wenn wir engagiert auftreten. Es war ein hartes Jahr mit Corona und einem verrückten Spielplan. Die Energiespeicher müssen jetzt neben harten Einheiten auch wieder aufgefüllt werden.

Wie wichtig ist der Heimvorteil im ersten Spiel?

Ich habe in der Coronazeit gelernt, dass es viele Sachen gibt, die ein Trainer können muss. Der Großteil meiner Aufgabe ist hockeybezogen. Warum läuft ein Spieler hier- oder dahin? Ich sehe das Spiel wie auf einem Schachbrett, das ist meine Stärke. Der Motivationsteil, das Anheizen der Stimmung, ist nicht mein Ding. Speziell in der Coronazeit habe ich gelernt, dass die Energie und der Druck der Fans gefehlt hat. Für jemanden wie mich, der so gut in der einen, aber nicht so gut in der anderen Sache ist, ist es wichtig, eine tolle Fanbase zu haben, die die Gruppe motiviert. Für mich ist es absolut vorteilhaft, vor so energiegeladenen Fans zu spielen. Und ich denke, wir spielen auch auf eine Art, die ihnen Spaß macht.

Man hat das Gefühl, für die Huskies ist jetzt alles möglich. Auch das Finale?

Alles ist möglich, in sieben Spielen kann viel passieren. Es gibt Teams, deren Kader tiefer ist, ja. Aber wer weiß, was in den Playoffs passiert, auch bei Verletzungen? Ein Beispiel: Weißwasser ist hier mit zehn Spielern angetreten. Sie haben gut gespielt, es gab aber keine Chance für sie, das Spiel zu gewinnen. Keine. Ich hoffe, dass wir verletzungsfrei bleiben, dann haben wir die Chance zu gewinnen.

Ihr Vertrag läuft bis Saisonende. Können Sie sich vorstellen, länger zu bleiben?

Mhm, ja.

Weil die Stadt so schön ist, der Klub so besonders? Oder weshalb?

Ja, es ist nett hier. Auch die Halle ist schön, es ist ein Vergnügen herzukommen. Ich hoffe, dass wir erfolgreich weitermachen, dann schauen wir weiter.

Zur Person

Corey Neilson (45) wurde in Oromocto (Kanada) geboren und hat neben der kanadischen auch die britische Staatsbürgerschaft. Er spielte von der Jugend an Eishockey, 1995 wurde er im NHL-Draft von den Edmonton Oilers in der dritten Runde gezogen, zu einem Einsatz in der NHL kam es aber nicht. Nach seiner Karriere wurde er Trainer – neben Klubmannschaften trainierte er gemeinsam mit dem aktuellen Ravensburger Trainer Peter Russell auch das britische Nationalteam. Zwischen 2018 und 2021 war Neilson Trainer der Lausitzer Füchse, 2019 wurde er zum DEL-2-Trainer des Jahres gewählt. Neilson ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Von Pascal Spindler und Björn Friedrichs

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