1. Startseite
  2. Sport
  3. KSV Hessen Kassel

Zwei Ecken, zwei Kopfbälle, zwei Tore: KSV Hessen schlägt Spitzenreiter Steinbach

Erstellt:

Von: Frank Ziemke, Maximilian Bülau

Kommentare

Mahir Saglik.
Der entscheidende Treffer: Mahir Saglik bejubelt das Tor zum 2:1 gegen den TSV Steinbach. Im Hintergrund: Robin Urban. © Andreas Fischer

Riesen-Überraschung im Kasseler Auestadion: Der KSV Hessen hat im Abstiegskampf drei wichtige Punkte geholt und Spitzenreiter TSV Steinbach 2:1 geschlagen. Beide Tore erzielte Mahir Saglik. 

Er liegt den Löwen, dieser TSV Steinbach. Sieben Mal ist der KSV Hessen Kassel in der Fußball-Regionalliga auf die Mittelhessen getroffen. Verloren hat er dabei noch nicht. Drei Unentschieden gab es. Und am Samstag im Auestadion den vierten Sieg. Das 2:1 kostete die Gäste die Tabellenführung. Dem KSV brachte er drei unerwartete Punkte, die im Kampf um den Klassenerhalt noch enorm wichtig sein können. Der Vorsprung auf den 17. Platz beträgt derzeit vier Zähler.

Neben dem sportlichen Erfolg, den zwei Standardsituationen und einer starke Defensivleistung gab es bei diesem Spiel im Auestadion noch einiges drumherum. So wurde Alban Meha für seinen Freistoß in Hadamar zum Torschützen des Jahres 2020 in der Hessenliga gekürt. Im Mittelpunkt stand aber einer, der nun fehlen wird: Sergej Evljuskin bestritt nach sechseinhalb Jahre sein letztes Spiel für den KSV Hessen. Er führte die Mannschaft als Kapitän auf das Feld. Der 33-Jährige zeigte eine starke Leistung und bereitete den Siegtreffer mit vor.

UPlakat der KSV-Fans.
Unterstützung: ein Plakat der Fans. © Maximilian Bülau

Das Spiel: Löwen schlagen Spitzenreiter Steinbach

Die Aufmunterung gab es bereits auf dem Weg zum Stadion. Fans der Löwen hatten ein Plakat am Zaun hinter der Haupttribüne aufgehängt. „Leere Ränge, Verletzungspech – vorwärts Löwen, jetzt erst recht“ stand da. Der KSV Hessen Kassel nahm diese Vorgabe an. Noch kein Sieg in diesem Monat, jede Menge Verletzungspech, in der Tabelle immer dichter rangerückt an die Abstiegsränge – und dann kommt noch der Spitzenreiter.

Machte alles nichts. Die Gastgeber gewannen höchst überraschend 2:1. Und vor allem nach einer starken zweiten Halbzeit war dieser Erfolg auch absolut verdient.

Zusammenfassen lässt sich der Sieg in einem Satz so: zwei Ecken, zwei Kopfbälle, zwei Tore. Ebenso entscheidend war aber eine unglaublich konzentrierte Defensivarbeit. Nach dem Wechsel, kaum zu glauben, erlaubten die Kasseler dem Tabellenführer keine hochkarätige Torchance – und das, obwohl sich vieles abspielte im Strafraum vor Torhüter Maximilian Zunker. In dem dann aber Kevin Nennhuber, Robin Urban und Co. die wichtigen Zweikämpfe gewannen.

Doch zurück zum Beginn: Die zuletzt gesperrten Alban Meha und Ingmar Merle waren wieder dabei. Das sollte sehr schnell sehr wichtig werden. Die Gastgeber wurden früh in die Defensive gedrängt. Doch sie standen sicher, ließen außer einem abgeblockten Schuss von Dino Bisanovic nichts zu. Und wenn die Chance da war, suchten sie vor allem über die Flügel den Weg nach vorn. So wie Merle, der in der 15. Minute über rechts in den Strafraum zog und eine Ecke herausholte.

Standardsituationen waren in der Hessenliga eine der Stärken im Spiel des KSV. Eine Liga höher sprang bisher nicht viel Zählbares heraus. Aber das änderte sich jetzt. Denn es ging schnell. Es ging direkt. Und es ging denkbar einfach. Meha trat den Eckstoß von der rechten Seite, in der Mitte schraubte sich Mahir Saglik zum Kopfball hoch. Mustergültig. Erfolgreich. In der 15. Minute stand es 1:0. Nur mal zum Vergleich: Saglik ist 1,78 Meter groß. Steinbachs Innenverteidiger David Kamm Al-Azzawe misst 1,88, sein Nebenmann Ivan Mihaljevic gar 1,91 Meter. Aber Saglik hat halt die Erfahrung, richtig zu stehen. „Ich weiß, dass Alban sehr gute Standards schlägt. Das war einfach eine Willenssache, aber auch nicht das erste Spiel, in dem ich zwei Kopfballtore mache“, sagt Saglik.

Trainer Tobias Damm erzählte später: „Standards lasse ich nie trainieren. Es geht dabei darum, Verantwortung zu übernehmen.“ Das machten die Löwen an diesem Tag. Es stand mittlerweile 1:1, weil Steinbach in seiner stärksten Phase durch Serhat Ilhans platzierten Flachschuss zum Ausgleich gekommen war (33.). Doch in der 51. Minute trat Meha wieder zur Ecke an, diesmal von links. Sergej Evljuskin legte den Ball von der Grundlinie zurück in die Mitte – und dort stieg wieder Saglik hoch, kam wieder zum Kopfball – und es stand 2:1. Diese Führung ließen sich die aufopferungsvoll kämpfenden Gastgeber nicht mehr nehmen.

Der Abschied: Siggi geht von Bord

Vielleicht sagt gerade das eine Menge über Sergej Evljuskin aus. Einen Tag vor der Partie gegen den TSV Steinbach hatte der 33-Jährige am Telefon verlauten lassen, er wisse nicht, ob er von Beginn an spiele. Er sei für jede Minute dankbar, die er am Samstag auf dem Platz stehen dürfe. In seinem letzten Spiel für den KSV Hessen Kassel. Nach sechseinhalb Jahren und 183 Einsätzen für die Löwen. Diese Zahl stand auch auf einem Trikot, das ihm Vorstand Jens Rose vor dem Anpfiff überreichte.

Über jede Minute wäre er dankbar gewesen. Aber klar, es wurden die kompletten 90. Es wurde die Kapitänsbinde. Es wurde ein Sieg. Es wurde eine Torvorlage. Was ja an sich schon etwas Besonderes ist für Evljuskin, den Defensiv-Allrounder. „Das passiert nicht so oft“, sagt er hinterher lachend. Sechs Tore und 16 Vorlagen waren es insgesamt in seiner Kasseler Zeit.

Nein, für Tore stand „Siggi“ nie. Aber umso mehr für die Werte des KSV. „Wir sind unangenehm im Spiel gegen den Ball. Dafür stehen wir“, sagt Evljuskin. Dafür stand er noch einmal 90 Minuten lang. Denn dieser Abschied mit der Binde am Arm war zwar auch eine schöne Geste. Doch sportlich ist der 33-Jährige auch immer noch eine große Hilfe. Er war bissig, nah am Gegenspieler, gewann unglaublich viele Zweikämpfe und leitete das Offensivspiel ein.

Aber es war eben nicht nur der Fußballer Evljuskin, der Spuren hinterlassen hat. Es war auch dieser immer höfliche Mensch. Der – wie er selbst sagt – fast jedes Gesicht auf der Tribüne kannte. „Ich habe mit jedem gern gequatscht. Heute wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr nach Hause gekommen“, sagt er nach dem Schlusspfiff am Samstag. Dass Fans diesen Abschied nicht live im Stadion miterleben konnten, ist einfach traurig. Eine Alternative gab es freilich nicht.

Die, die da sein durften, feierten Siggi aber gebührend. Seine Mitspieler trugen ihn auf den Schultern. Er musste dennoch hier und da für ein Foto bereitstehen. Einem Sanitäter schenkte er ein Trikot. „Es fühlt sich für mich noch so an, als würde es jetzt in die Winterpause gehen. Ich muss es erst realisieren, dass wirklich Schluss ist beim KSV“, sagt Evljuskin.

Beruflich und sportlich verschlägt es ihn nun nach Braunschweig. Mit den Löwen will er – wenn möglich – noch mal gemeinsam nach Mallorca fliegen. Er, der ja eigentlich Weltmeister wäre. Für den KSV war es großes Glück, dass er es nicht ist.

Die Ehrung: Der Freistoß in Hadamar

Wer sich an die Partie des KSV Hessen gegen Hadamar in der Hessenliga am 29. Februar 2020 erinnert, der hat wohl vor allem das Ergebnis noch im Kopf. 8:0. Acht zu Null für den KSV! Hadamar war keine Laufkundschaft, sondern ein Team aus dem oberen Tabellendrittel. Es war zudem das vorletzte Spiel für die Löwen in der vergangenen Saison. Dann kam Corona, der Saisonabbruch, der Aufstieg.

Geblieben ist aber noch mehr als nur dieses besondere Ergebnis. Denn Alban Meha traf damals sehenswert per direktem Freistoß. Seine Spezialität. Die Lotto Hessenliga ließ über die „Bude der Saison“ abstimmen. Und die meisten Stimmen gab es für Mehas Freistoßtreffer. Am Samstag bekam er vor dem Spiel seine Auszeichnung. (Frank Ziemke und Maximilian Bülau)

Auch interessant

Kommentare