Nach der Bekanntgabe des Transfers vom Pariser Handballstar Dainis Kristopans für den kommenden Sommer, der unerwartet hohen 28:36-Niederlage im einzigen echten Testspiel gegen das abgeschlagene Schlusslicht ASV Hamm-Westfalen und Gerüchten um einen vorzeitigen Abschied von Kapitän Kai Häfner in diesem Jahr stellt sich die Frage, wie es für die Nordhessen in den kommenden Monaten laufen wird.
Wir blicken heute etwas genauer auf die spannende Reise der MT-Profis. Dabei geht es nicht nur um die Perspektive, sondern auch um das Personal und das Programm in der Restrunde. In den nächsten Wochen stehen bereits einige interessante Aufgaben für Trainer Roberto Garcia Parrondo und sein Team auf dem Plan.
Es ist schon jetzt klar, dass es einer der spektakulärsten Transfers im Sommer sein wird. Dass die MT den lettischen 2,15-m-Hünen Dainis Kristopans vom Champions-League-Klub Paris Saint-Germain für vier Jahre an die Fulda holen wird, war ein Paukenschlag. Die Nachricht löste aber beim Melsunger Anhang ein geteiltes Echo aus.
Der Grund liegt auf der Hand: Das Team von Roberto Garcia Parrondo hat mit Kai Häfner und Ivan Martinovic für den rechten Rückraum bereits zwei international erfahrene Topspieler unter Vertrag. Für einen Verein, der als derzeitiger Sechster noch nicht sicher für einen europäischen Wettbewerb planen kann, sind drei einer zu viel. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: Was will Parrondo tun, dass Häfner und Martinovic zu ihren Spielanteilen kommen? Der Kroate verfügt trotz seiner erst 25 Jahre schon über riesige Qualitäten. Als Reservist kann er sein Potenzial nicht einbringen. Der deutsche Nationalspieler braucht auch mit Blick auf die Heim-EM im kommenden Januar Einsatzzeiten. Häfner soll aber laut der Seite RTHandball im Sommer sein Engagement bei der MT ein Jahr vor Vertragsende beenden und zum TVB Stuttgart wechseln. Melsungens Sportdirektor Michael Allendorf sagt: „Wir haben keine Anfrage erhalten.“
Dass Kristopans zum Bankdrücker werden könnte, ist nicht zu erwarten. Der wohl größte Handball-Profi der Welt spielt wegen seiner Qualitäten in der Deckung und seiner Erfolge unter Parrondo einst bei Vardar Skopje im Konzept des Spaniers eine wesentliche Rolle.
Vardar ist das Stichwort. Nach Rogerio Moraes und Gleb Kalarash, den die MT gern über den Sommer hinaus behalten möchte, ist Kristopans der dritte ehemalige Akteur aus Skopje.
Wird die MT zu Vardar 2.0.? Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Klub mit aller Macht so schnell wie möglich in die Champions League möchte. So hält er schon nach weiteren Verstärkungen Ausschau. Über einen Wechsel des Spaniers Erik Balenciaga im Sommer als Ersatz für die scheidenden Aidenas Malasinskas und Agustin Casado hat diese Zeitung bereits berichtet. Nach HNA-Informationen hat die MT großes Interesse am tunesischen Spielmacher Mohamed Amine Darmoul, der bei GWD Minden jedoch noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2024 besitzt. Zudem sollen die Nordhessen neben vielen anderen Klubs am dänischen Weltmeister Simon Pytlick interessiert sein.
In der Vergangenheit sind die Melsunger auch schon mit hehren Zielen gestartet und haben kräftig investiert. Der gewünschte Erfolg stellte sich allerdings nicht ein. Es fehlen noch gewachsene Strukturen, um vorn angreifen zu können. So oft wie die MT in jüngerer Vergangenheit ihre Trainer ausgetauscht hat, war keine Weiterentwicklung zu vernehmen.
Unter Parrondo ist etwas Ruhe eingekehrt. Aber an einigen Baustellen machte er sich bisher auch vergeblich zu schaffen. Der Angriff lebt insbesondere von der Individualität. Und Leidenschaft und Galligkeit kommen kaum zum Vorschein. Begeisternden Handball gab es bislang selten.
Kein DHB-Pokal mehr, kein internationaler Wettbewerb: Für die MT liegt der volle Fokus auf der Bundesliga. In dieser sind Berlin, Kiel, die Rhein-Neckar Löwen sowie Magdeburg weit enteilt. Will man sich bei den Melsungern noch ein Ziel setzen, dann müsste das heißen: Flensburg von Platz fünf verdrängen. 16 Pflichtspiele stehen in dieser Saison noch aus. Neun auswärts, sieben zuhause.
Ein Vorteil könnte sein: Gegen die Topteams geht es zumeist zuhause, nur in Berlin (26. Februar) und in Flensburg (Anfang Mai) warten zwei Teams in fremden Hallen auf die MT. Kiel (19. März), Magdeburg (2. April) und die Rhein-Neckar Löwen (ebenfalls Anfang Mai) kommen nach Kassel.
Die Partien gegen diese Teams werden beim Kampf um Platz fünf, der sicher fürs internationale Geschäft reichen würde, entscheidend sein. Bislang holte die MT nur beim 25:25 gegen Flensburg einen Zähler. In Kiel war man dank des starken Torhüters Adam Morawski beim 22:24 nah an einem Remis dran. Damit mehr geht, muss im Angriff eine Entwicklung her.
Bei den Personalplänen für die kommende Saison wäre der Europapokal enorm wichtig. Eine weitere Saison mit „nur“ Bundesliga und Pokal könnte bei dem qualitativ hochwertigen Kader für Missstimmung sorgen. Und der Stimmungsaspekt im Team ist ja ohnehin eine große Baustelle.
Das Lazarett hat sich gelichtet. Handball-Bundesligist MT Melsungen kann fast wieder aus dem Vollen schöpfen. Nach Julius Kühn, der bereits im Dezember wieder fit war, meldeten sich die beiden Außen Timo Kastening und David Mandic im Januar zurück. Angeschlagen ist aktuell erneut Ivan Martinovic (Knöchelprobleme). Definitiv fehlen werden Trainer Roberto Garcia Parrondo weiterhin Domagoj Pavlovic und Finn Lemke. Bei beiden fallen Prognosen schwer.
Die MT wird weiter darauf bauen, eigene Talente zu fördern. Im ersten Abschnitt dieser Saison bekamen schon mehrere Akteure Einsatzzeiten in der Bundesliga. Neben Julian Fuchs, Ben Beekmann und Florian Drosten, die regelmäßig dabei sind, schnupperten auch andere Nachwuchskräfte in dieser Serie Bundesliga-Luft: Kreisläufer Lasse Ohl und der wurfgewaltige Manuel Hörr. Regelmäßig trainiert zudem Rückraummann Tom Wolf (Jahrgang 2006) mit. (Björn Mahr und Maximilian Bülau)