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„Sich selbst nicht so groß machen“: 2,10-Meter-Handballer Finn Lemke von der MT Melsungen beendet Karriere

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Von: Maximilian Bülau

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Finn Lemke.
Freudentaumel: Finn Lemke singt nach dem EM-Titel 2016 bei einem Fan-Fest. © Jörg Carstensen/dpa

Es klingt komisch, wenn ein Finn Lemke sagt: „Man darf sich selbst nicht so groß machen.“ Immerhin ist der 30-Jährige 2,10 Meter lang. Man muss aber den Kontext kennen.

Denn der Handballer sagte vorher: „Ich wollte immer nur helfen. Helfen schafft man nicht, wenn man im Mittelpunkt steht. Da muss man mal einen Schritt zurückgehen. Man darf sich selbst nicht so groß machen.“ Diese Sätze beschreiben Lemke schon recht gut. Diesen Hünen mit dem sonnigen Gemüt. Diesen stets freundlich auf einen hinabsehenden Abwehr-Koloss. Der – das wird in jedem Gespräch schnell klar – weit mehr kann, als nur Handball zu spielen.

Lemke wollte dem Bundesligisten MT Melsungen, seinem Klub, immer helfen. Auch zuletzt, als es überhaupt nicht rund lief. Doch er konnte nicht, fehlte er doch schon seit September 2021. Seit dem 26. September, um genau zu sein. Und jenem Heimspiel der MT gegen den TuS N-Lübbecke, in dem er unglücklich umknickte und sich schwer am rechten Sprunggelenk verletzte. Auch in Zukunft wird er auf dem Handballfeld nicht mehr helfen können. Weil er einen Schritt zurückgeht. Weg vom Handball. Der gebürtige Bremer beendet seine Karriere. Mehrfach hatte er versucht, auf die Platte zurückzukehren. Am Ende ist es nun ein Riss des Knorpels, der ihn zum Aufhören zwingt. „Ich habe immer noch Schmerzen unter Belastung. Laufen, Sprünge, Abfedern – das ist alles nicht möglich“, sagt er. Und fügt mit etwas Wehmut an: „Ich glaube momentan nicht, dass ich noch mal Handball spielen kann.“

Handball, die Bundesliga, das war in den vergangenen zwölf Jahren Lemkes Arbeitsplatz. Zuerst beim TBV Lemgo, für den er die ersten Profieinsätze bestritt. 2015 wechselte er zum SC Magdeburg, mit dem er 2016 DHB-Pokalsieger wurde. Ein Jahr später ging es dann zur MT. Insgesamt kommt er auf 272 Bundesliga-Einsätze und 485 Tore – denn anders als in seiner Magdeburger und Melsunger Zeit, wo er vor allem als Abwehrspezialist gefragt war, kam er in Lemgo auch im linken Rückraum zum Einsatz.

Seine größten Erfolge feierte der 30-Jährige aber mit dem Nationalteam, für das er 90 Länderspiele bestritt. Er war einer der „Bad Boys“, die sich 2016 zum Europameister krönten. Im selben Jahr gewann er die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio des Janeiro.

„Es tut weh, das steht außer Frage. Das zu verbalisieren, zu sagen, das ist jetzt so, fällt mir nicht leicht“, sagt Lemke zu seinem Karriereende. „Die Zeit, die ich jetzt ehrenamtlich gearbeitet habe, hat aber auch gezeigt, dass es neben dem Leistungssport Dinge gibt, für die ich eine Leidenschaft habe“, fügt er an. Seit sich in den vergangenen Wochen herauskristallisiert hat, dass es mit dem Profisein nichts mehr wird, hat sich der gelernte Bankkaufmann, der während seiner Karriere auch Soziale Arbeit studiert hat, intensiv mit dem Leben danach beschäftigt. „Kinder und Jugendliche sind mein Kerngebiet. Ich kann und möchte ihnen helfen – mit Zeit“, sagt er. Machen wird er das für die MT Melsungen. Schon zuletzt war er als Trainer verschiedener Gruppen und Teams im Einsatz. Wie sein Aufgabengebiet genau aussehen wird, wollen er und die Verantwortlichen in den kommenden Wochen besprechen.

Kassel bleibt also Lemkes Zuhause. „Ich bleibe HNA-Leser. Das können Sie so schreiben“, sagt er lachend. „Ich fühle mich mit meiner Familie wohl hier. Wir hatten einen sehr guten Start und haben enge Freundschaften aufgebaut“, fügt er an.

Zu den Höhepunkten seiner Karriere zählt er die beiden Olympiateilnahmen mit dem Nationalteam, auch in Tokio war er dabei. Der erfolgreichste Moment sei klar der EM-Sieg gewesen. Der wertvollste die erste Kabinensituation in Lemgo. „Da musste ich erst mal einen Realitätscheck machen“, sagt er. Im Kopf ist auch das erste Bundesliga-Tor für Lemgo gegen Wetzlar geblieben, sein Vater war damals Hallensprecher. Ebenso das erste Duell mit der MT gegen seinen jüngeren Bruder Jari Lemke (26), der seine Karriere in Lemgo ebenfalls verletzungsbedingt beenden musste.

Und auch das hat Lemke nie vergessen: „Gibst du nicht allen die Hand, brauchst du nicht wiederzukommen. Das haben sie beim ersten Training in Lemgo zu mir gesagt. Seitdem gebe ich immer allen die Hand“, sagt er lachend. Auch seinen Handball-Kollegen muss er nun die Hand geben. Zum Abschied. (Maximilian Bülau)

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