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Ganz schön anstrengend: Ein Besuch beim Rollstuhlbasketball

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Von: Raphael Digiacomo

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Integrativer Sport auf Rädern: Beim Rollstuhlbasketball spielen Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Beim Selbstversuch wird Redakteur Raphael Digiacomo klar, wie körperlich und mental fordernd der Sport sein kann.
Integrativer Sport auf Rädern: Beim Rollstuhlbasketball spielen Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Beim Selbstversuch wird Redakteur Raphael Digiacomo klar, wie körperlich und mental fordernd der Sport sein kann. © Schachtschneider, Dieter

Rollstuhlbasketball ist eine integrative Sportart, bei der Menschen mit und ohne Handicap um Ball und Körbe kämpfen. Unser Redakteur war beim Training in Baunatal dabei.

Baunatal – Rumms. Als die zwei Rollstühle frontal gegeneinander krachen, hallt ein lauter Knall durch die Sporthalle. Metall prallt auf Metall. „Stoooopp!“, brüllt Sebastian Arnold vom Spielfeldrand. „Ich hab gesagt, Ihr dürft den Rollstuhl nur zweimal hintereinander anschieben, dann müsst ihr dribbeln.“ Er muss es wissen: Der 44-Jährige sitzt nach einem Autounfall seit 22 Jahren im Rollstuhl.

Nahezu ebenso lange spielt der Südhesse auch schon Rollstuhlbasketball. Mit Erfolg: Arnold lief für die Frankfurter Skywheelers schon in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga (RBBL) auf. Heute trainiert er die erste Mannschaft mit und spielt selbst in der zweiten. Dazu pendelt er fünf Mal die Woche von Freigericht nach Frankfurt – insgesamt 100 Kilometer am Tag.

Sebastian Arnold spielt und trainiert seit 22 Jahren Rollstuhlbasketball in Frankfurt.
Sebastian Arnold spielt und trainiert seit 22 Jahren Rollstuhlbasketball in Frankfurt. © Schachtschneider, Dieter

Vorwärts, wenden, rückwärts: Beim Aufwärmprogramm zeigt Arnold, wie man im Rollstuhl fährt, lenkt und wendet. „Wenn Du das rechte Rad anschiebst, fährt der Stuhl nach links.“ Dann geht es im Slalom um rote Plastikhütchen. Gar nicht so leicht. Später kommt der Ball dazu. Auf den Korb zufahren, den Ball zu Arnold passen, der passt zurück und im Fahren der Wurf auf den Korb. Wieder daneben. Beim nächsten Versuch zappelt der Ball endlich im Netz.

„Denkt dran, Ihr habt da gleich zwei Spielgeräte, die ihr kontrollieren müsst. Den Ball und den Rollstuhl“, ruft Arnold. Der Ball geht ans gegnerische Team – fünf Schüler der Klasse 9 B der Theodor-Heuss-Gesamtschule (THS) in Baunatal, die ein rotes Leibchen tragen. Die Roten flitzen auf Rollstühlen wie ein Schwarm Wespen durch die Max-Riegel-Halle, ebenso ihre Gegenspieler in Blau.

Wir machen hier gerade was gegen Berührungsängste - und das mit Spaß an der Bewegung

Sportlehrer Sven Sedlaczek

Die Jugendlichen kämpfen um jeden Ball. Tropfen auf dem Linoleumboden zeigen, wie schweißtreibend das ständige Anschieben der Räder auf die Dauer ist. „Das ist krass anstrengend“, sagt eine Jugendliche zu ihrer Mitschülerin. Wohl wahr: Nach einigen Minuten Spiel und mehreren Sprints brennen Schultern und Arme, Atemrhythmus und Puls steigen.

Fünf Spieler pro Team

Beim Rollstuhlbasketball besteht eine Mannschaft aus fünf Feld- und bis zu sieben Ersatzspielern. Ein Match besteht aus vier Quartern von zehn Minuten; bei einem Unentschieden wird um fünf Minuten verlängert. Die Regeln sind dem klassischen Basketball ähnlich. Die Spieler sind nach Grad der Behinderung eingeteilt. Rollstuhlbasketball ist seit 1960 Disziplin bei den Paralympics, bei denen Deutschland schon mehrere Medaillen geholt hat.  rdg

Die Spieler fahren durch die Halle und dem Ball hinterher – zum Teil unkoordiniert und in Schlangenlinien. Kaum jemand von ihnen hat schon in einem derartigen Gefährt gesessen, geschweige denn darin Sport gemacht.

Eins, zwei, Rebound: Anfangs fällt es nicht leicht, den Ball in den Korb zu werfen. Schon im Stehen ist es nicht leicht, obwohl der ganze Körper beim Wurf mitfedern kann. Ungleich schwieriger ist es in dem eisernen Rollstuhl sitzend. Und doch sind auf dem Spielfeld alle bei der Sache. Einige lachen, andere beißen die Zähne aufeinander. Zwei Schüler versuchen, ihrem Sportlehrer Sven Sedlaczek den Ball abzuluchsen. Der wendet blitzschnell und passt den Ball zu einer Mitspielerin. „Mach es!“, ruft er. Die Schülerin rollt auf den Korb zu, bremst ab, zielt und wirft: Treffer.

Was sich in der kühlen Halle an einem Vormittag unter der Woche abspielt, ist Teil des Sportunterrichts. Und doch viel mehr: „Über die BDKS und die Unfallkasse Hessen hab ich Kontakt zu Sebastian aufgenommen“, erklärt der athletisch gebaute Lehrer, der Sport- und Informatikunterricht gibt. „Es geht darum, die Schüler für Menschen mit Handicap zu sensibilisieren.“

Unter den wachsamen Augen von Sportlehrer Sven Sedlaczek (links) erklärt Coach Sebastian Arnold den Schülern der 9 B der THS Baunatal die Regeln beim Rollstuhlbasketball.
Unter den wachsamen Augen von Sportlehrer Sven Sedlaczek (links) erklärt Coach Sebastian Arnold den Schülern der 9 B der THS Baunatal die Regeln beim Rollstuhlbasketball. © Dieter Schachtschneider

Zumindest das Interesse der Jugendlichen ist geweckt. Nach dem Spiel steht ihnen Sebastian Arnold Rede und Antwort. „Rollstuhlbasketball ist eine der wenigen Sportarten, bei denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen spielen.“ Gelebte Inklusion also. „Frauen, Männer, Junge, Alte, Schwarz und Weiß: Jeder, der will, ist dabei.“ Das könne Nähe und Verständnis füreinander schaffen. „Genau darum geht es“, erklärt Sportlehrer Sven Sedlaczek. „Wir machen hier gerade was gegen Berührungsängste – und das mit Spaß an der Bewegung.“ (Raphael Digiacomo) Mehr Informationen unter zu.hna.de/rbbl

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