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Mit 15 aus seiner Heimat geflohen: Im Ring bekämpft Timur Bykov die Gedanken an den Krieg

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Von: Maximilian Bülau

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Timur Bykov.
Im Ring: Der 15 Jahre alte Boxer Timur Bykov aus der Ukraine. © Andreas Fischer

Timur Bykov hat keine Probleme, über die Dinge zu sprechen, die sich in seinem Heimatland abgespielt haben und noch abspielen.

Der 15-Jährige fügt an: „In meiner Familie haben bislang zum Glück aber auch alle überlebt.“ Timur Bykov lebte noch vor Kurzem ein ganz normales Teenager-Leben. Er, sein kleiner Bruder, der sechs Jahre alt ist, seine Eltern. Nischyn, rund zwei Stunden Autofahrt von der ukrainischen Hauptstadt Kiew entfernt, heißt der Ort, in dem er zur Schule ging, Freunde traf.

Nun lebt Timur Bykov in Nordhessen. Nach Besse im Schwalm-Eder-Kreis ist er mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder gekommen. Geflohen. Nischyn, so erzählt er, ist eine Stadt, in der es einen Militärstützpunkt gibt. Dieser liege nur wenige Meter von dem Haus entfernt, in dem die Bykovs einmal lebten. Anfangs seien es nur wenige Bomben und Raketen gewesen. Irgendwann habe es gar nicht mehr aufgehört zu knallen, als die Russen den Militärstützpunkt als Ziel ins Auge fassten. Das war der Moment, als die Bykovs flohen. Ein Tag im April.

Timurs Vater musste in der Ukraine bleiben. Er ist Arzt, lebt nun in der Hauptstadt. Jeden Tag telefoniere er mit ihm, sagt Timur. Ob er bald zurückwolle in seine Heimat? „Klar. Aber niemand weiß, wie es in einem, in drei Monaten ist“, sagt Timur. Er vermisst seine Freunde, ist fast immer online mit dem Handy. Er habe es sich nie vorstellen können, er habe es nicht fassen können, dass seine Familie fliehen muss.

Eine Sache, die Timur nicht in der Ukraine zurücklassen musste, ist sein Hobby, seine Leidenschaft, das Boxen. Mit elf Jahren hat er angefangen. Wegen der Corona-Pandemie habe er zwischenzeitlich ein Jahr lang nicht boxen können, da auch in der Ukraine alles geschlossen gewesen sei, Fitnessstudios, Hallen, erzählt er. Beim KSV Baunatal hat er nun eine neue sportliche Heimat gefunden.

Viermal in der Woche trainiert Timur. Sein Trainer, Amin Tirmizi, hat sein Talent sofort erkannt. Er sagt: „Viele haben Talent. Es gibt Menschen, die aber genau deswegen nicht an sich arbeiten. Die, die sich noch etwas erarbeiten müssen, das sind meistens die nachhaltigeren Sportler. Die, die am Ende mehr erreichen.“ Timur sei so einer. Einer, der arbeitet.

Bereits nach kurzer Zeit in Deutschland boxte Timur bei der Hessenmeisterschaft. Weil er in der Ukraine bereits Kampferfahrung gesammelt habe, sei er in seiner Alters- und Gewichtsklasse gleich in der A-Kategorie angetreten, sagt der Trainer. Sein Gegner war der deutsche Vizemeister. Timur konnte diesen Kampf nicht gewinnen. Doch das bremst ihn nicht.

Timur hat Ziele. Er will die Schule nicht vernachlässigen, später mal was mit IT machen. Also nur, wenn es mit dem Boxen nichts werden sollte. Weltmeister werden wie seine Vorbilder, die Klitschko-Brüder und Alexander Usyk – alle drei kämpfen derzeit an verschiedenen Fronten in der Ukraine – das wäre was. Das ist sein Traum.

Aber auch sonst hilft Timur das Boxen. „Wenn du trainierst, im Ring stehst, dann denkst du nur ans Boxen. Der Geist ist frei, der Fokus liegt auf dem Sport“, sagt er. In gewisser Weise bekämpft er in diesem Ring nicht nur Pratzen und Gegner. Er bekämpft auch die Gedanken an den Krieg. An etwas, das er sich vor Kurzem nicht einmal vorstellen konnte. (Maximilian Bülau)

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