„Bei einem Lockdown wird den Vereinen die Existenzgrundlage entzogen“

Der momentane Lockdown hat massive Auswirkungen auf die örtlichen Vereine. Auch der TSV Immenhausen fehlen Einnahmen.
Immenhausen – Vereine prägen das Leben in den Orten. Sie bieten nicht nur ein umfangreiches Sport-, sondern auch ein breites Unterhaltungsprogramm. Die TSV Immenhausen gilt hier als Musterbeispiel. Für viele die Großveranstaltungen im Ort zeichnet die TSV verantwortlich. Jetzt im Lockdown ruht der Betrieb weitgehend. Die Folge: Den Immenhäusern fehlen Veranstaltungen, der TSV fehlen Einnahmen. Knapp 400.000 Euro setzt die TSV pro Jahr um. Wir sprachen mit dem Kassenwart der TSV, Lars Obermann.
Herr Obermann, wer den Terminkalender der TSV anklickt, findet in normalen Zeiten an einem Montag 22 Angebote des TSV.
Ich habe sie nicht gezählt, aber es kann hinkommen. Es geht von Rehasport Orthopädie um 10 Uhr, über Judo, Turnen, Schwimmen bis zum Jedermannsport abends um 20 Uhr. Wir haben viele Mitglieder, viele Abteilungen, viele Leute, die sich ehrenamtlich engagieren. Entsprechend groß ist das Angebot.
Derzeit ruht das Angebot aber weitgehend.
Ja, leider lassen die Vorschriften vieles derzeit nicht zu. Rehasport Orthopädie darf aber weiterlaufen, den Rehakurs Lungensport, der auch am Montag ist, mussten wir aber mit Rücksicht auf die Gesundheit der Teilnehmer streichen. Wie auch viele andere Veranstaltungen.
Auch die publikumswirksamen Veranstaltungen wurden abgesagt. Stichworte: Fußballwoche und Karneval.
Nicht zu vergessen das Oktoberfest, das Tanzcafe unserer Tanzabteilung sowie die beliebte Kegelwoche der Abeilung Kegeln . Und weil es keine Fußball-EM gab, gab es auch kein Public Viewing.
Veranstaltungen, die Geld in die Kasse bringen, fanden oder finden also nicht statt. Lassen Sie uns über Geld reden: Kann der Schatzmeister der TSV noch ruhig schlafen?
Ja. Wir haben in den zurückliegenden Jahren sehr gut gewirtschaftet und Rücklagen gebildet.
Sie hatten aber auch hohe Ausgaben, beispielsweise für den Kunstrasenplatz.
Hier wusste der Verein, dass die Ausgabe auf ihn zukommen wird. Entsprechend hat er sich finanziell darauf vorbereitet. Den Eigenanteil von 140 000 Euro konnten wir daher leisten, ohne ein Darlehen aufnehmen zu müssen.
Jetzt aber fehlen die einkalkulierten Einnahmen aus der Vermietung des Platzes und auch die Einnahmen aus den großen Gesellschaftsveranstaltungen. Wie hoch ist der Verlust?
Vor allem sind es natürlich die Großveranstaltungen, die uns wehtun. Unterm Strich brachten alle zusammen einen Gewinn von etwa 15 000 Euro. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass wir weniger Ausgaben haben. Wenn Veranstaltungen ausfallen, fällt auch die Vergütung der Übungsleiter weg. Alles zusammengerechnet bleibt aber natürlich ein Defizit.
Die TSV hat hohe Fixkosten. Unterhalt Jahnturnhalle, eine hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle und und und ...
Natürlich. Die Jahnturnhalle kostet uns im Jahr etwa 50 000 Euro, wobei sich die Stadt am Defizit beteiligt, weil sie ja eine Art Dorfgemeinschaftshaus ist. Und auch Mitarbeiter kosten Geld. Aber auch hier gilt, dass der Lockdown auch weniger Ausgaben bedeutet. Im Frühjahr machten die Mitarbeiter zeitweise Kurzarbeit, die Halle muss weniger geheizt werden. Reinigungskosten entfallen. Aber wie gesagt, ein Defizit bleibt.
Wie lange hält ein Verein wie die TSV Immenhausen einen so stark eingeschränkten Betrieb wie derzeit durch?
Wir werden nicht in Konkurs gehen. Ich würde den Lockdown aber ungern auf den finanziellen Aspekt beschränken. Wir sind hier gut aufgestellt und würden ein Jahr über die Runden kommen. Viel wichtiger und schlimmer finde ich, dass die Angebote ausfallen. Für viele ist der Reha-Termin oder das Training fester Bestandteil des Wochenprogramms. Es sind persönliche Kontakte, die hier derzeit nicht ausgeübt werden können. Und auf Großveranstaltungen, das gemeinsame Feiern, kann auf Dauer kein Gemeinwesen verzichten. Ich bin mir sicher, dass es einmal eine Studie geben wird, die mit Blick auf den Lockdown zeigen wird, dass die Vereinsamung und die Zahl der Depressionen in dieser Zeit stieg. Kontakt, Bewegung, Fitness - die Rolle der Vereine ist in diesen Bereichen sehr wichtig. Und es ist der Sinn und Zweck eines Vereins. Bei einem Lockdown wird den Vereinen die Existenzgrundlage entzogen.
Aber die TSV-Mitglieder stehen zu ihrem Verein?
Ja, wenngleich wir einen leichten Rückgang zu verzeichnen haben.
Also sind Mitglieder sauer wegen des eingeschränkten Angebots?
Nein. Es ist die normale Fluktuation. Wir haben etwa 1500 Mitglieder. In den vergangenen Jahren verließen wegen Wegzug, Alter oder sonstigen Gründen etwa 100 pro Jahr den Verein. 100 kamen im gleichen Zeitraum - meist über unser breites Sportangebot - neu zu uns. Die 100 Abgänge pro Jahr bleiben, aber wenn wir weniger oder keine Angebote wegen des Lockdowns machen können, geht die Zahl der Zugänge natürlich zurück. (Michael Rieß)
Zur Person: Lars Obermann
Lars Obermann (48) ist Leiter des Fachbereiches Zentrale Dienste und Finanzen im Rathaus von Immenhausen. Dem örtlichen Sportverein gehört er seit 46 Jahren an. Er wurde als schon als Zweijähriger als Mitglied der TSV Immenhausen angemeldet, wo er seit 17 Jahren das Amt des Kassenwarts innehat.
Zuvor spielte Obermann von 1978 bis 2008 bei der TSV Fußball und war bei der Abteilung Turnen und Tischtennis aktiv. Heute hält er sich fit beim Laufen und selten noch beim Fußball, er macht jährlich das Sportabzeichen, ist begeisterter Skifahrer und großer Anhänger des Zweitligisten Hamburger SV. Obermann ist verheiratet mit Nadine Carrier-Obermann. Das Ehepaar hat drei Kinder im Alter von 10 bis 16.