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Experte: Stichwahl bei OB-Wahl in Kassel ist pragmatisch

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Von: Matthias Lohr

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Jan Seybold Kommunalrechtsexperte
Jan Seybold Kommunalrechtsexperte © Privat

Für den Kommunalrechtsexperten Jan Seybold ist die OB-Stichwahl um das Amt des Kasseler Oberbürgermeisters mit nur einem Kandidaten nicht die schlechteste Variante.

Kassel – Vor der Stichwahl am 26. März stellen sich viele die Frage, welche Legitimität ein Oberbürgermeister Sven Schoeller hätte. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung erhielt der Grünen-Kandidat lediglich 7,9 Prozent der Stimmen. Dies lag auch an der relativ niedrigen Wahlbeteiligung von knapp 41 Prozent. An der Stichwahl, bei der Schoeller nach dem Rückzug von Amtsinhaber Christian Geselle als einziger Bewerber antritt, dürften noch weniger Wähler teilnehmen.

Müsste sich der Rathaus-Chef in den nächsten sechs Jahren immer wieder anhören, dass für ihn ja nur ein geringer Anteil der Kasseler gestimmt hat? Auch deswegen rufen einige dazu auf, mit Nein zu stimmen. Verfehlt Schoeller am 26. März die Mehrheit, würde es Neuwahlen geben.

In der Debatte um die Legitimität des möglichen neuen Oberbürgermeisters verweist der Kommunalrechtsexperte Jan Seybold auf die Hessische Gemeindeordnung (HGO). Der gebürtige Kasseler ist Professor für Kommunalrecht an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen und sagt: „Die Wahlbeteiligung ist wirklich niedrig und der Anteil, den die beiden bestplatzierten Kandidaten bekommen haben, im Verhältnis der abgegebenen Stimmen relativ gering – und im Hinblick auf die Wahlbeteiligung, also der Wahlberechtigten, noch geringer. Dafür jedoch gibt es eine Stichwahl. Die Filterfunktion dieses zweiten Wahlgangs kann dann zum Tragen kommen.“

Tritt am 26. März zur Stichwahl an: Am Sonntag feierte Grünen-OB-Kandidat Sven Schoeller seinen zweiten Platz im ersten Durchgang. Archi
Tritt am 26. März zur Stichwahl an: Am Sonntag feierte Grünen-OB-Kandidat Sven Schoeller seinen zweiten Platz im ersten Durchgang. Archi © Andreas Fischer

Wie auch in anderen Bundesländern sieht die HGO in einem ungewöhnlichen Fall wie jetzt in Kassel auch eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten vor. Dort heißt es: „Nimmt nur ein Bewerber an der Stichwahl teil, ist er gewählt, wenn er die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat.“ Für Seybold ist dies plausibel: „Dies sind nun einmal die Regeln. Jedem Wahlberechtigten steht es frei, mit Nein zu stimmen, aber die Frage ist und wird sein, was denn die Alternative sein wird.“

Kritiker der Stichwahl mit nur einem Kandidaten empfinden es als Nachteil für die Demokratie, wenn die Wähler keine Auswahl an Personen haben. So hat der Kasseler André Schönewolf in einem Facebook-Post erklärt, dass er mit Nein stimmen wird. Zugleich rief er Schoeller dazu auf, wie Geselle zurückzutreten, um gleich den Weg für Neuwahlen freizumachen. Der Gewerkschaftsmitarbeiter betont noch einmal, dass er den Text als Privatperson geschrieben hat.

Kommunalrechtsexperte Seybold sieht die Frage hingegen pragmatisch. Würde man sich die Neuwahl ganz praktisch vorstellen, kämen „völlig absurde Möglichkeiten in Betracht – und entsprechende Fragen: Würde dann Herr Geselle womöglich noch einmal antreten? Wen wünscht sich denn eine Nein-Stimmen-Kampagne? Was wäre, wenn auch bei einer erneuten Wahl nur eine geringe Wahlbeteiligung erreicht würde? Wie lange soll dieses Prozedere dann noch wiederholt werden?“

Für Seybold ist die Regelung in der HGO eine gute Variante: „Diese soll sowohl dem theoretischen Hintergrund ausreichender Legitimation dienen als auch eine pragmatische Lösung ermöglichen.“ Foto: Privat/nh

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