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Kasseler SPD-Streit: Genossen in Nordhessen in der Krise

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Von: Matthias Lohr, Andreas Hermann

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ARCHIV - 13.04.2013, Bayern, Augsburg: SPD-Fahnen wehen vor dunklen Wolken auf dem Messegelände.
Nordhessen ist traditionell rot: Zuletzt musste die SPD jedoch nicht nur in Kassel Wahlniederlagen einstecken. © Michael Hanschke/dpa

Der Krach in der Kasseler SPD und die jüngsten Wahlpleiten könnten für die Partei Folgen bei der Landtagswahl haben. Wie geht es für die Genossen in Nordhessen weiter?

Kassel – Selbst Sozialdemokraten, die ein halbes Jahrhundert in der Partei sind, können sich nicht erinnern, so etwas erlebt zu haben: Bei der OB-Wahl hat die Kasseler SPD gerade das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Im Rathaus wird sie bald ihre letzten beiden Dezernenten verlieren. Im Stadtparlament sind die Genossen in der Opposition. Und ein Ende des parteiinternen Streits ist nicht in Sicht. Der Politikwissenschaftler Markus Klein sagt: „Die Kasseler Sozialdemokratie steckt in einer massiven Krise.“

Die Misere in der größten Stadt des traditionell roten Nordhessens könnte auch Auswirkungen auf die Landtagswahl am 8. Oktober haben. Spitzenkandidatin Nancy Faeser ist auf Stimmen aus dem Norden angewiesen. Doch hier schwächelten die Sozialdemokraten zuletzt nicht nur in Kassel. Auch in Fuldabrück, Wolfhagen und Bad Zwesten gingen Bürgermeisterwahlen verloren. Führende Genossen rufen daher zur Einigkeit auf.

SPD in Nordhessen in der Krise: Der Bezirksvorsitzende

Timon Gremmels gewann 2021 das Bundestags-Direktmandat im Wahlkreis Kassel. Dem Niestetaler fällt auch eine besondere Rolle zu, weil er Co-Vorsitzender der SPD im Landkreis Kassel und Vorsitzender der SPD in Nordhessen ist. Angesichts der jüngsten Direktwahlpleiten verweist er auf die OB-Wahl in Frankfurt, wo sich der SPD-Bewerber Mike Josef durchsetzte: „Der unterschiedliche Ausgang dieser OB-Wahlen zeigt, dass die SPD dort, wo sie geschlossen auftritt, auch schwierige Situationen meistern kann, und dass die Zerstrittenheit einer Partei von den Wählern bestraft wird – wie in Kassel geschehen.“

Es gab einmal Zeiten, da waren nahezu alle Rathäuser in Stadt und Landkreis Kassel fest in SPD-Hand. Künftig wird das für mehr als die Hälfte nicht mehr gelten. Gremmels sieht als Grund dafür die Einführung der Direktwahlen in Hessen. Immer öfter bewerben sich parteilose Kandidaten – und werden zunehmend auch gewählt. Zudem gebe es heute nicht mehr die Zustimmung zu Volksparteien wie vor 30 Jahren, das gelte für die SPD genauso wie für die CDU. Die SPD habe aber im Landkreis nicht nur Rathäuser verloren, sondern auch – wie etwa in Schauenburg – wieder zurückgewonnen.

Ziel der Nordhessen-SPD ist es, ein Überschwappen der Kasseler Verhältnisse auf das Umland zu vermeiden. Bezirkschef Gremmels hat den Eindruck, dass es auch in der Kasseler SPD Bewegung gebe, um zur Geschlossenheit zurückzufinden. Seine Hoffnung setzt er dabei auf die Landtagswahl. „Der Wahlkampf bietet auch die Chance, die Partei wieder zusammenzuführen.“

SPD-Krise in Nordhessen: Nach „Kapitel Christian Geselle und OB“ müsse man nach vorne schauen

In Sachen Geschlossenheit sieht Gremmels vor allem die SPD-Landtagskandidaten Esther Kalveram und Ron-Hendrik Hechelmann in der Verpflichtung, darauf auch im eigenen Interesse hinzuwirken.

Das „Kapitel Christian Geselle und OB“ sei in Kassel beendet, man müsse jetzt nach vorn schauen. Geselles Parteiaustritt hat der SPD ein langwieriges Verfahren erspart. „Vielleicht heilt die Zeit ja doch noch Wunden – und er kehrt als einfaches Mitglied irgendwann einmal in die SPD zurück“, meint Gremmels. Nach seinen Angaben hat es bisher nur eine Handvoll Parteiaustritte gegeben.

Steckt die SPD in Nordhessen in der Krise? Manuela Strube äußert sich

Fragt man Manuela Strube, ob die nordhessische SPD in ihrer größten Krise ist, hat die Baunataler Bürgermeisterin jede Menge Zahlen parat, die das widerlegen. So haben die heimischen Genossen in den vergangenen zwei Jahren 26 Direktwahlen gewonnen. Sowohl bei der Kommunalwahl als auch bei der Bundestagswahl 2021 war die nordhessische SPD stärkste Kraft. Fünf von sechs Bundestagskandidaten gewannen ihren Wahlkreis. Das alles spricht eine deutliche Sprache.

Strube war vier Jahre Landtagsabgeordnete und sagt, dass es nach 25 Jahren CDU-geführter Landesregierung in Wiesbaden Zeit für einen Wechsel sei. Ein Argument gegen Schwarz-Grün ist für sie, dass es keine Nordhessen mehr im Kabinett gibt: „Wir als Nordhessenpartei fordern, dass künftig ein wichtiges Ministerium in Nordhessen angesiedelt wird.“

SPD-Krise in Nordhessen: Das sagt der Staatssekretär

Eine der wichtigsten nordhessischen Stimmen in Berlin gehört Edgar Franke. Der Ex-Bürgermeister von Gudensberg ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und kann auch auf die Erfahrungen seines Vaters zurückgreifen. August Franke saß schon 1954 im Landtag und wusste: „Die Menschen wollen keinen kleinkarierten Streit in der Politik.“ Für Edgar Franke ist dies die wichtigste Erkenntnis aus der verlorenen OB-Wahl in Kassel. Einige der Handelnden hätten nicht realisiert, „dass es bei den öffentlichen Auseinandersetzungen letztlich nur Verlierer geben kann“.

Auch wenn traditionelle Wählerbindungen zurückgegangen sind, stellt der 63-Jährige fest, dass die SPD in Nordhessen mehr Mitglieder hat als die SPD in einigen anderen Bundesländern: „Und bei der letzten Europawahl gab es nur einen größeren roten Fleck auf der politischen Landkarte in Deutschland – das war Nordhessen.“

Franke weiß, dass seine Partei auch im Schwalm-Eder-Kreis einige Bürgermeisterwahlen in einstigen Hochburgen verloren hat – etwa in Felsberg. Dafür gäbe es nun in Willingshausen, Neukirchen und Neuental „überzeugende Rathauschefs“. Die Menschen wünschten sich jemand, der zuhört und sich kümmert. Insofern spricht vielleicht die politische Genetik für die Sozialdemokratie, denn: „Das Kümmern ist die SPD-DNA in Nordhessen immer gewesen.“ In Kassel muss sich die Partei jedoch auch erst einmal um sich selbst kümmern. (Andreas Hermann, Matthias Lohr)

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