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OB-Wahl in Kassel: Der Paukenschlag kam um kurz vor acht

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Von: Matthias Lohr, Andreas Hermann

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Der Kandidat mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang bei der OB-Wahl in Kassel tritt bei der Stichwahl nicht an: Christian Geselle verkündete am Sonntagabend seinen Rückzug von der Kandidatur.

Kassel – Mit einem Paukenschlag hat Amtsinhaber Christian Geselle am Sonntagabend verkündet, sich aus dieser Kasseler Oberbürgermeisterwahl zurückzuziehen. Es war die sensationelle Wendung eines spannenden Wahlabends. Kurz zuvor war gegen 19.50 Uhr das vorläufige amtliche Endergebnis der OB-Wahl in Kassel im Stadtverordneten-Sitzungssaal des Rathauses verkündet worden.

Der Sozialdemokrat, der als unabhängiger Bewerber für eine zweite Amtszeit kandidierte, begründete seine Entscheidung mit einer angeblichen Diffamierungskampagne gegen seine Person und Vorfällen in den letzten Wochen, unter denen seine Familie zu leiden habe. Es seien keine angenehmen Wochen und Monate gewesen. „Ich stelle mich vor meine, vor unsere Kinder“, sagte Geselle.

Kamen gegen 19.50 Uhr aus dem OB-Büro in den Sitzungssaal: Oberbürgermeister Christian Geselle (von links) mit Frau Adriane sowie den Unterstützerinnen Rosa-Maria Hamacher und Esther Kalveram.
Kamen gegen 19.50 Uhr aus dem OB-Büro in den Sitzungssaal: Oberbürgermeister Christian Geselle (von links) mit Frau Adriane sowie den Unterstützerinnen Rosa-Maria Hamacher und Esther Kalveram. © Andreas Fischer

Geselle zieht sich überraschend aus der OB-Wahl in Kassel zurück

Näher ging er auf diese Vorfälle nicht ein. Vorige Woche hatte seine Wählerinitiative von mehreren Geschehnissen berichtet. So sollen am Samstag vor einer Woche am frühen Morgen vermummte Gestalten vor dem Haus des Rathaus-Chefs gepocht und laut gerufen haben.

Geselle sagte, es habe einige Vorfälle und Diffamierungen gegeben, „die meine Familie sehr beeinträchtigt haben“. Er wünsche sich, dass die politische Kultur in der Stadt nicht langfristig Schaden nehme. Er ging aber auch auf das Wahlergebnis ein. Ihm sei durchaus bewusst, dass er 13.000 weniger Stimmen bekommen habe als bei der OB-Wahl vor sechs Jahren.

Christian Geselle war kurz nach Verkündung des vorläufigen Endergebnisses der OB-Wahl als letzter der im Rathaus anwesenden Bewerber in den Saal gekommen. Moderatorin Amira El Ahl, die durch den Abend führte, befragte auf der Bühne um kurz vor 20 Uhr bereits Sven Schoeller (Grüne), Eva Kühne-Hörmann (CDU) und Violetta Bock (Linke) zu ihrem Abschneiden. Einige fragten sich schon, ob Geselle überhaupt im Sitzungssaal erscheinen werde.

Als er dann doch kam, schritt er nicht gleich zu den anderen aufs Podium, sondern gab erst einmal dem Hessischen Rundfunk (HR) zwei Interviews. Dort verkündete er seine überraschende Entscheidung, von der aber fast niemand im Saal etwas mitbekam. Erst danach verkündete Geselle seinen Entschluss auch per Mikro auf der Bühne im Saal. Kurzzeitig kam es daraufhin zu tumultartigen Szenen.

Die Unterstützer von Amtsinhaber Geselle, die mit ihm aus dem OB-Büro hinüber in den Sitzungssaal gekommen waren, gaben sich anschließend wortkarg. Bettenhausens Ortsvorsteher, der Stadtverordnete Volker Zeidler, sagte: „Damit war nicht zu rechnen, aber ich kann das nachvollziehen.“ Uwe Frankenberger von der Wählerinitiative meinte nur: „Ich respektiere die Entscheidung.“ Und der SPD-Stadtrat Hendrik Jordan erklärte, der OB und OB-Kandidat Geselle sei bewusst über die Medien diffamiert worden: „Wenn ich eine Familie hätte, hätte ich genauso entschieden.“

Auch diejenigen, die nicht zum Geselle-Lager zählen, waren am Sonntagabend nach dessen Entscheidung fast sprachlos. Der SPD-Vorsitzende Ron-Hendrik Hechelmann versicherte: „Die SPD distanziert sich von jedem Negative Campaigning.“

OB-Wahl in Kassel - Reaktionen auf Geselles Rückzug

Der FDP-Vorsitzende Matthias Nölke erklärte: „Man muss die persönliche Entscheidung von Christian Geselle respektieren.“ Der Liberale gab aber auch zu bedenken: „Die Politik wird leider zu einem immer härteren Geschäft. Man muss das aushalten können, wenn man selbst kräftig austeilt. Mit seinem Rückzug schadet Geselle ein Stück weit der Demokratie. Die lebt von der Auswahl. Die gibt es nun nicht mehr.“

Das sei keine spontane Entscheidung gewesen. „Ich hatte mir das schon einige Zeit überlegt“, sagte Christian Geselle zu seiner Ankündigung. Er habe die Wahl gewonnen und er hätte durchaus weitere gute Chancen gehabt. „Sven Schoeller wird aber allein in die Stichwahl am 26. März gehen“, meinte der 47-Jährige. „Das Wichtigste ist die Familie und die Gesundheit.“

Nach dieser Äußerung gab es viel Applaus für Geselle im Saal des Rathauses. Für seine Wähler werde dies gewiss enttäuschend sein, meinte Geselle. „Ich bitte aber um Verständnis.“ Über seine Partei, die SPD, und über Isabel Carqueville als seine Mitbewerberin aus den eigenen Reihen verlor Christian Geselle auch an diesem Abend kein Wort.

Unseren Newsticker zum Wahlabend finden Sie hier.

In unserem Themen-Spezial zur OB-Wahl in Kassel sammeln wir alle Artikel zur Wahl am 12. März – und zur Stichwahl zwei Wochen später. Dort beantworten wir auch allgemeine Fragen zur Abstimmung und erklären sowohl die Brief- als auch die Stichwahl.

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