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OB-Wahl in Kassel: Grünen-Kandidat Schoeller will die Stadt einen

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Von: Matthias Lohr, Florian Hagemann

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Grünen-OB-Kandidat Sven Schoeller zieht nach dem Rückzug von Amtsinhaber Christian Geselle als einziger in die Stichwahl. Im Interview erklärt er, wie er die Wähler überzeugen will.

Kassel – Sven Schoeller ist in einer kuriosen Situation: Nach dem Rückzug von Amtsinhaber Christian Geselle ist der Grünen-Kandidat der letzte verbliebene Bewerber für die Stichwahl am 26. März, bei der mehr als 50 Prozent der Wähler mit Ja stimmen müssen. Wir sprachen mit dem Rechtsanwalt.

Grünen-Oberbürgermeisterkandidat Sven Schoeller
Geht als einziger Kandidat in die Stichwahl: Grünen-Oberbürgermeisterkandidat Sven Schoeller. © Andreas Fischer

Herr Schoeller, haben Sie Sonntagabend gefeiert?

Klar, wir waren nach dem Rathaus im Irish Pub, der proppevoll war. Es war der passende Ort: Das irische Grün hat sehr gut gepasst. Und ich kann gar nicht sagen, wann ich dann nach Hause gegangen bin. Es gab aber einige, die noch deutlich länger gefeiert haben.

Und Sie haben auch gesungen, war zu hören.

Es gab zumindest einen Teaser für den Karaoke-Gesang, der dann hoffentlich am 26. März nach der Stichwahl folgt. Der war von den Sportfreunden Stiller. Ich habe den Text ein bisschen umgedichtet und gesungen: „Ich wollte euch nur mal eben sagen, dass ihr das Größte für mich seid.“

Hat Sie die Ankündigung von Herrn Geselle überrascht, nicht mehr in der Stichwahl anzutreten?

Ich habe nicht damit gerechnet, dass er nicht mehr antreten würde, und ich finde das auch schade für die Demokratie in unserer Stadt. Ich glaube, es wäre in der Konstellation zwischen ihm und mir eine interessante und echte Wahlentscheidung auch im Hinblick auf Inhalte gewesen. Diese Wahlentscheidung haben die Menschen nun nicht mehr, und das ist ein Verlust für die Demokratie. Mir war es aber auch wichtig, ihm gleich zu sagen, dass ich Verständnis für solch persönliche Entscheidungen habe.

Sie haben allein mit ihm gesprochen.

Es war so, dass Herr Geselle, nachdem er im Stadtverordnetensaal seine Entscheidung gegenüber allen dargelegt und begründet hatte, dann den Saal relativ schnell verlassen hatte. Ich bin noch hinterher und habe ihm das gesagt, weil es mir wichtig war.

Ist es für Sie schlechter, nun gegen keinen richtigen Kontrahenten mehr in der Stichwahl anzutreten? Sie können nun nur noch an sich selbst scheitern.

Ich würde das nicht in die Kategorie „Besser oder schlechter für mich“ fassen. Es ist schlechter für die Stadt, weil der politische Wettbewerb nicht stattfindet. Ich glaube, ich hätte in jeder Konstellation gute Chancen gehabt, mehr als 50 Prozent der Stimmen zu bekommen.

Wie werden Sie das denn jetzt angehen?

Mir ist schon im Wahlkampf wichtig gewesen, den Menschen zu sagen, dass ich für alle ansprechbar bin – und zwar unabhängig davon, wo sie sich selbst politisch beheimatet fühlen. Ich bin von meiner Vita und von meinem Auftreten her kein Kandidat, der klischeehaft nur den Grünen zugeordnet wird. Und so möchte ich auch nicht verstanden werden. Ich bin einer, der antritt, um Oberbürgermeister für alle zu werden. Dieses integrative Thema wird jetzt auch noch mal verstärkt zum Ausdruck gebracht werden in der Kampagne zur Stichwahl. Wir müssen sehen, dass unsere Stadt politisch zutiefst gespalten ist, wir haben uns die letzten Monate – insbesondere die SPD – mit einer tiefen Spaltung befasst. Das hat ein Stück weit auch abgelenkt von den Aufgaben, die zu erledigen sind. Das kostet Zeit und Kraft. Mein Argument für die Menschen, jetzt auch zur Stichwahl zu gehen und mit Ja zu stimmen, ist, dass wir eine konstruktive, lösungsorientierte Politik brauchen.

In zwei Wochen kann man nicht alle Gräben zuschütten.

Nein, aber man kann das Angebot an die Menschen machen: Ich bin jemand, der sich dafür einsetzt, die Gräben zuzuschütten.

Wie wird ein solcher Wahlkampf ohne Kontrahenten denn aussehen in den nächsten zwölf Tagen?

Er wird sich nicht groß unterscheiden von unserem bisherigen Wahlkampf, weil wir keinen Antiwahlkampf gegen jemanden gemacht haben, sondern weil wir unsere Positionen und mich als Kandidaten in den Vordergrund gerückt haben. Wir hatten auch die große Herausforderung, mich als Person in der Stadtgesellschaft politisch bekannter zu machen. Das scheint gut gelungen zu sein. Diesen konstruktiven Ansatz werden wir weiter verfolgen.

Aber Sie werden keine Radständer einweihen, über die gerade hitzig diskutiert wird?

Ich habe immer gesagt, dort, wo Radständer gebraucht werden, ist es völlig in Ordnung, wenn ein Parkplatz dafür geopfert wird. Da, wo sie aber nicht genutzt werden, haben sie nichts zu suchen. Da verfolge ich einen sehr pragmatischen Ansatz. Eins noch dazu: Es ist bekannt, dass ich sehr für eine zeitgemäße Mobilität in unserer Stadt eintrete. Ich bin von daher höchst allergisch gegen Maßnahmen, von denen ich weiß, dass sie nur Widerspruch hervorrufen. Eine Anti-Haltung ist das Letzte, was wir dabei gebrauchen können. Wir müssen einen Perspektivwechsel in Sachen Mobilität mit den Menschen gemeinsam gehen. Das funktioniert nicht, wenn wir Maßnahmen ergreifen, die nicht verständlich sind.

Ihr Parteifreund Boris Mijatovic sagt, die Stichwahl wird kein Selbstläufer. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was es bedeuten würde, keine Mehrheit zu bekommen?

Das würde bedeuten, dass unsere Stadt in die politische Orientierungslosigkeit verfällt und ein Stillstand stattfinden würde. Das hat also keine konstruktive Perspektive. Richtig ist aber, dass es kein Selbstläufer wird. Deshalb werden wir uns auch sehr darum bemühen, dieses konstruktive Votum zu bekommen. Aber ich bin zuversichtlich, weil die Menschen daran interessiert sind, dass es mit unserer Stadt vorangeht.

Florian Hagemann, Matthias Lohr

In unserem Themen-Spezial zur OB-Wahl in Kassel sammeln wir alle Artikel zur Wahl am 12. März – und zur Stichwahl zwei Wochen später. Dort beantworten wir auch allgemeine Fragen zur Abstimmung und erklären sowohl die Brief - als auch die Stichwahl. Unseren Newsticker zum Wahlabend vom 12. März finden Sie hier.

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