OB-Wahl in Kassel: Kandidaten zu Umwelt, Energiekrise, Bildung, Sicherheit und Personal
Wir haben den Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl in Kassel erneut fünf Fragen zu fünf Themenschwerpunkten gestellt. Hier lesen Sie, welche Positionen sie vertreten.
Kassel – Bei dieser Oberbürgermeisterwahl gibt es kein vorherrschendes Thema in Kassel, das alle anderen Themen in dieser Stadt in den Hintergrund drängt. Wofür die sechs Kandidatinnen und Kandidaten stehen und was sie ablehnen, lässt sich im Wahlkampf nicht immer gleich erkennen. Schon gar nicht auf ihren Plakaten. Deshalb haben wir die am 12. März in Kassel antretenden Bewerber gebeten, zu zehn Fragen und zehn Themenfeldern Position zu beziehen.
Auf zwei Themenseiten soll es um die politischen Inhalte gehen, sollen die Kandidaten zu aktuellen Fragen der Stadtpolitik Stellung nehmen. Wir haben ihnen eine maximale Länge für die Antworten vorgegeben. Zur besseren Vergleichbarkeit platzieren wir die Antworten der Bewerber unter der Frage zu einem Thema jeweils direkt nebeneinander. So werden Schwerpunkte, Übereinstimmungen und Unterschiede deutlich. Einen Ausnahmefall stellen dabei allerdings die Antworten des Satire-Kandidaten Stefan Käufler dar.
Unsere zweite Themenseite dreht sich um die Schwerpunkte Umwelt, Energiekrise, Bildung und Sicherheit. Wir fragten die Kandidaten auch, welche Dezernenten sie sich als Kasseler OB im Magistrat wünschen würden – und wie sie diese politisch durchsetzen wollen.
Umwelt: Wie wird Kassel bis 2030 klimaneutral, und wie holen Sie die Wirtschaft zurück ins Boot?
- Schoeller: Klimaneutral wird Kassel, indem die Maßnahmenvorschläge des Klimaschutzrates ernst genommen und mit bestmöglichem Tempo umgesetzt werden. Ich bin sehr sicher, eine ausgezeichnete Gesprächsbasis mit der Wirtschaft zu finden und bin bereit, den Dialog zu moderieren.
- Carqueville: Ich stehe 100 Prozent hinter der Klimaschutzstrategie und den Zielen. Unternehmen in Kassel leisten bereits einiges. Der Weg wird schwer und benötigt politisches Fingerspitzengefühl. Wir dürfen die Menschen nicht mit den Veränderungen allein lassen und brauchen ein „soziales Klima“.
- Kühne-Hörmann: Jamaika sieht ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, das alle einbezieht, um Klimaneutralität 2030 zu erreichen. Dazu werde ich alle Partner an einen Tisch holen, um eine Gesamtstrategie für die Stadt zu entwickeln: Wirtschaft, Klimaschutzrat, Uni, Fraunhofer-Institut und andere.
- Bock: Ich werde aus dem Rathaus den sozial-ökologischen Umbau mit vorantreiben, indem ich nicht vor Maßnahmen mit der größten Wirksamkeit in den verschiedenen Bereichen zurückschrecke. Unser wirtschaften muss und wird sich verändern, auch wenn das dem IHK-Vorstand nicht passt.
- Käufler: Wie Kassel bis 2030 klimaneutral wird, wissen wir leider nicht. Wir haben nur einen Plan bis 2029.
- Geselle: Wir sind auf einem guten Weg. Der Erfolg des von der Stadtverordnetenversammlung getroffenen Beschlusses zur Kasseler Klimaneutralität bis 2030 hängt von sehr vielen Faktoren ab. Die Wirtschaft muss ich nicht ins Boot holen, sie ist bereits bei mir im Boot.
Energiekrise: Wie unterstützen Sie die Menschen in Kassel, planen Sie weitere Einmalzahlungen?
- Schoeller: Ich möchte die Menschen in Kassel nachhaltig unterstützen, indem wir unsere Stadt durch Ausbau der zentralen Wärmeversorgung weitgehend unabhängig von externen Energiequellen machen. Das bedeutet bezahlbare Energiepreise und einen Vorteil für den Standort Kassel.
- Carqueville: Die Einmalzahlungen waren ein gutes Signal der Solidarität zum richtigen Zeitpunkt. Zukünftig müssen wir Win-Win-Situationen schaffen und Entlastungen mit Investitionen in Klimaschutz verbinden, zum Beispiel für unsere Energieinfrastruktur oder den Ausbau des Nahverkehrs.
- Kühne-Hörmann: Wir, Jamaika, werden Solarkampagnen für den privaten Bereich auflegen, verschiedene Maßnahmen zum Energiesparen vorschlagen und ein städtisches Paket zu Hilfen vom Bund und dem Land beschließen. Es wird keine Einmalzahlungen, sondern Hilfen für Bedürftige geben.
- Bock: Mit Beratung und Geld aus dem Nothilfefonds wird gezielt denen geholfen, die es brauchen. Nicht per Gießkanne, sondern durch anrechnungsfreie Möglichkeiten günstiger Mieten und Mobilität. Und indem Menschen durch ausreichend Personal schnell zu ihrem Recht bei Anträgen kommen.
- Käufler: Jeden Montag um 18 Uhr wird sich die komplette Stadtverwaltung auf dem Balkon vom Rathaus zum Klatschen für die Bürger versammeln – und dann muss es aber auch mal gut sein.
- Geselle: Durch die Stärkung der Kasseler Versorgungsbetriebe und durch Maßnahmen wie das Einwohner-Energie-Geld (EEG), wenn es Notsituationen wie im vergangenen Jahr gibt.
Bildung: Was planen Sie gegen den Mangel an Kita-Plätzen und den Investitionsstau an Schulen?
- Schoeller: Die Investitionen in beiden Bereichen dürfen nicht in die Zukunft verschoben werden. Es braucht einen klaren und transparenten Plan, in welchen Zeiträumen, mit welchen Kosten in welcher Priorisierung welche konkreten Maßnahmen erfolgen. Dann wird konsequent abgearbeitet.
- Carqueville: Der jährliche Ausbau der Kita-Plätze läuft gut, trotz Fachkräftemangels. Das will ich fortführen und dazu endlich das Projekt Ganztagsbetreuung an den Grundschulen auf den Weg bringen. Investitionen in Schulen sind teuer, aber die Bildung unserer Kinder muss uns das wert sein.
- Kühne-Hörmann: Wir schaffen 500 zusätzliche Kita-Plätze pro Jahr und erhöhen die Versorgungsquote auch in den Krippen. Der katastrophale bauliche Zustand von Schulen wird sofort angegangen durch ein öffentliches Kataster zur Bestandsaufnahme für Schulsanierungen.
- Bock: 1000 Kita-Plätze fehlen. Bis die alle gebaut sind, sollte sich die Stadt aktiv bei den Eltern melden, wie sie in der Zwischenzeit helfen kann. Es gibt schließlich das Recht auf einen Kita-Platz. Na, und in die Schulen investieren. Für mehr Finanzspielraum werbe ich für höhere Gewerbesteuern.
- Käufler: Den Mangel an Kita-Plätzen werden wir mit kostenlosen Verhütungsmitteln angehen. Bei dem Elend macht es eh keinen Sinn mehr, Kinder in die Welt zu setzen.
- Geselle: Der Plan liegt vor: Wir wollen 500 Kita-Plätze pro Jahr schaffen. Bei den Schulen liegt das Programm der GWG Pro vor: eine neue Schule in der Nordstadt, Knipping-Schule, Comenius-Schule, Wilhelms- und Friedrichsgymnasium sowie Georg-August-Zinn-Schule sind weitere Schwerpunkte.
Sicherheit: Werden Sie sich als OB für Waffenverbotszonen und Videoüberwachung einsetzen?
- Schoeller: Beides kann im Einzelfall in Betracht kommen. Ich warne aber davor, solche Maßnahmen als „Heilsbringer“ anzusehen. Der Stern ist seit Jahren videoüberwacht. Fühlen Sie sich dort sicher? Sicherheit entsteht aus guter sozialer Arbeit und angemessener Personalausstattung der Polizei.
- Carqueville: Zu einem lebens- und liebenswerten Kassel gehört für mich auch die Sicherheit. Dabei kann die Videoüberwachung helfen. Ob eine Waffenverbotszone sinnvoll ist, sollten wir zusammen mit den Experten der Polizei prüfen und umsetzen. Soziale Präventionsarbeit hat für mich Priorität.
- Kühne-Hörmann: Die Menschen haben einen Anspruch darauf, vor Kriminalität geschützt zu werden und sich in Kassel sicher zu fühlen. Das ist mir sehr wichtig. Eine öffentliche Drogenszene ist nicht akzeptabel – aufsuchende Sozialarbeit, Videoüberwachung, Waffenverbotszonen unter anderem ja.
- Bock: Nein, aber für mehr Streetworker und Stärkung der Sozialarbeit. Wir müssen die soziale Sicherheit stärken statt mit dem Argument „gefühlter Sicherheit“ die Stadtpolizei auszubauen. Damit ist mehr gewonnen als mit der Stigmatisierung von bestimmten Wohngebieten.
- Käufler: Waffenverbotszonen sind sehr zu unterstützen. Wir würden testweise mit der Ukraine beginnen. Die Videoüberwachung werden wir massiv ausbauen! Beginnend mit Bodycams für alle Polizist*innen.
- Geselle: Für solche Maßnahmen gibt es klare rechtliche Vorschriften. Wo Voraussetzungen erfüllt sind, bin ich für die konsequente Umsetzung solcher Maßnahmen. An der Videoüberwachung arbeiten wir. Eine Waffenverbotszone ist nach erfolgter Prüfung in Kassel rechtlich unzulässig.
Personal: Welche Dezernenten wollen Sie an Ihrer Seite, wie wollen Sie die politisch durchsetzen?
- Schoeller: Die Amtszeiten aller Dezernent*innen außer der von Nicole Maisch werden in diesem Jahr zu Ende gehen. Die Jamaika-Koalition wird Vorschläge zur weiteren Besetzung des hauptamtlichen Magistrats machen. Als OB aus dieser Koalition werde ich mit einem guten Team im Rücken regieren.
- Carqueville: Die Kämmerei und das Oberbürgermeisteramt müssen getrennt sein. Als Oberbürgermeisterin werde ich das Sozialdezernat zur Chefsache machen. Sozialpolitik gehört in den Mittelpunkt. Alles Weitere muss mit der jeweiligen Koalition vertrauensvoll verhandelt und eingehalten werden.
- Kühne-Hörmann: Das wird nach der Oberbürgermeisterwahl gemeinsam in der Jamaika-Koalition vereinbart werden.
- Bock: Dezernent:innen, die an der Sache und nicht am Parteibuch orientiert sind. Angesichts von Jamaika wird es weiter außerparlamentarischen Druck brauchen. Die Organisierung der Einwohner:innen ist langfristig der beste Weg, die Welt zu verändern – in der Kommune und darüber hinaus.
- Käufler: Solange sie die ganze Arbeit machen, interessieren mich die Namen nicht. Für Einschleimen und schöne Geschenke bin ich allerdings sehr empfänglich. Bewerbungen gerne unter kassel@die-partei-hessen.de.
- Geselle: Die Dezernenten werden von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Der Oberbürgermeister hat dabei das Dezernatsverteilungsrecht.
In unserem Themen-Spezial zur OB-Wahl in Kassel sammeln wir alle Artikel zur Wahl am 12. März – und zu einer möglichen Stichwahl zwei Wochen später. Dort beantworten wir auch allgemeine Fragen zur Abstimmung und erklären sowohl die Brief- als auch eine mögliche Stichwahl.
OB-Wahl in Kassel: Die Kandidaten im Video
In den vergangenen zwei Wochen haben wir alle Kandidaten in der Zeitung vorgestellt. Dafür haben wir sie zu ihren Lieblingsplätzen in der Stadt begleitet. Treffpunkt, Route und Verkehrsmittel haben die Kandidaten selbst gewählt. Wenn Sie ein Porträt verpasst haben oder noch einmal alle im Überblick haben wollen, finden Sie die Porträts ebenfalls in unserem Wahl-Spezial auf HNA.de. Das Besondere: Online werden die Porträts um kurze Videos ergänzt, die während der Termine entstanden sind. So können Sie die Kandidaten auch im Bewegtbild kennenlernen. Die Videos finden Sie nicht nur auf unserer Website, sondern auch auf unserem Youtube-Kanal.