Schoellers Sieg bei der OB-Wahl in Kassel: knapp, aber respektabel
Der Wahlabend in Kassel wird in die Geschichte eingehen: Wegen seiner Einzigartigkeit, weil hier ein Kandidat gegen ein Nein antreten musste.
Kassel – Keine Frage: Auch dieser Wahlabend in Kassel wird in die Geschichte eingehen: wegen seiner Einzigartigkeit, weil hier ein Kandidat gegen ein Nein antreten musste. Wegen der unfassbaren Spannung, die vergleichbar war mit jener, als Deutschland ganz gern mal Fußball-Endspiele erreichte. Und wegen der Tatsache, dass erstmals ein Grüner gewann und nun Oberbürgermeister in Nordhessens größter Stadt wird.
Aus regionaler Sicht übertrifft das Ereignis in Kassel sogar eine andere erstaunliche Erkenntnis des gestrigen Abends: dass die SPD hier nicht mehr automatisch Wahlen gewinnt – nicht in Fuldabrück, nicht in Wolfhagen und eben auch nicht in Kassel.

Schoeller gewinnt mit 51,2 Prozent die Stichwahl um das OB-Amt in Kassel
Sven Schoeller hat es hier mit 51,2 Prozent geschafft. Was im ersten Moment als schwaches Mandat daherkommt, ist in Wahrheit ein respektabler Wahlsieg: Schoeller lag im ersten Wahlgang nur knapp hinter Amtsinhaber Christian Geselle. Das Ergebnis durfte bei den Kasseler Verhältnissen so gedeutet werden, dass der Herausforderer als Favorit in die Stichwahl geht. Dass er es dort mit einem Nein als Gegner zu tun hatte, das hat nicht Schoeller zu verantworten. Geselle machte mit seinem Verzicht die Stichwahl für seinen Kontrahenten wahrscheinlich schwerer, als wenn er sich selbst noch einmal zur Wahl gestellt hätte.
Auf den gewählten OB wird nun eine Herkulesaufgabe zukommen. Er hat ein kleines Kunststück zu vollbringen. Auf der einen Seite muss er die urgrüne Klientel befriedigen, die nur auf diesen Tag gewartet hat. Er muss also grüne Politik machen. Auf der anderen Seite aber muss er all den Skeptikern die Angst genau davor nehmen: vor grüner Politik.
Schoeller wird vor allem zu Beginn seiner Amtszeit als Moderator gefragt sein. Er muss all jenen, denen bei dieser Abstimmung das Nein näher lag als ein OB Schoeller, klar machen, dass Kassel nicht irgendwann ein einziger Radbügel sein wird. Dass er zuletzt immer wieder betont hat, er wolle die Stadt einen, zeigt zumindest, dass er seinen Auftrag verstanden hat. Denn auch das macht das Wahlergebnis deutlich: Kassel ist derzeit zutiefst gespalten. (Florian Hagemann)
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