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Politiker ruft zum Mord an Dutroux-Ex auf

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Michelle Martin (Mitte) bei ihrer Ankunft am Kloster © ap

Brüssel - Einen Tag nach ihrer vorzeitigen Entlassung hat ein flämischer Politiker zur Ermordung von Michelle Martin aufgerufen, der Komplizin des Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux.

Auch am Tag nach der vorzeitigen Haftentlassung Michelle Martins wollen sich viele Belgier nicht damit abfinden, dass die wohl meistgehasste Verbrecherin des Landes wieder auf freiem Fuß ist. Die kochende Volksseele nutzte der flämische Parlamentarier Jurgen Verstrepen dreist aus: „Ohne zu scherzen, wenn wir zusammenlegen (öffentliche Beiträge), können wir einen Albaner finden und ihn dafür bezahlen, dass er Michelle Martin kalt macht ... Kandidaten?“, schrieb der Politiker der rechtspopulistischen „Liste Dedecker“ auf seiner Twitter-Seite.

Und weiter: „Wenn ich es mir recht überlege, die Albaner sind zu teuer geworden - ein Junkie würde es für weniger machen.“ Ein gleichlautender Eintrag auf seiner Facebook-Seite fand binnen Stunden Dutzende Befürworter. Zwar ruderte Verstrepen danach zurück und sprach von „Ironie“. Politiker anderer Parteien geißelten seine Kommentare dennoch als inakzeptabel und unverantwortlich.

Die öffentliche Entrüstung über den Umzug der Exfrau und Komplizin des Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux in ein südbelgisches Kloster trieb am Mittwoch makabere Blüten: Vor dem Kloster in Malonne schrien wütende Demonstranten gegen das empfundene Unrecht an. „Ich bin gekommen, um zu sehen, wo das Monster lebt.“ Mit diesen Worten zitierte die belgische Zeitung „Le Soir“ einen der rechten Szene angehörenden Protestierenden in Malonne.

Andere reckten anklagende Fotos von Dutroux' Opfern in die Kameras der Fernsehsender. Schon bei ihrer Ankunft am Dienstagabend gegen 22.30 Uhr wurde Martin zudem von mehr als 100 aufgebrachten Demonstranten beschimpft. Einige von ihnen versuchten, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Medienberichten zufolge harrten zornige Anwohner bis 3.00 Uhr morgens vor den steinernen Mauern des Klosters aus.

Im abgedunkelten Geländewagen aus dem Gefängnis

Martin hatte das Brüsseler Gefängnis Berkendael am Dienstagabend gegen 20.30 Uhr in einem zivilen Geländewagen mit abgedunkelten Scheiben verlassen. In einen schwarzen Nadelstreifen-Blazer gekleidet saß die dreifache Mutter auf der Rückbank während der gut 75 Kilometer langen Fahrt nach Malonne. Ihr eigener Sohn gab der 52-Jährigen vorab stützende Worte mit auf den Weg. Sie sei „kein Monster, nur eine arme Frau und eine gute Mutter“, sagte der Spross aus Martins inzwischen geschiedener Ehe mit Dutroux einem Magazin. Doch die Geächtete ist dieser Tage ein gesamtbelgisches Feindbild, auf ihren Wagen flogen bei der Ankunft in Malonne Steine.

Die Nonnen des Klarissen-Ordens in der Gemeinde von Namur hatten sich bereit erklärt, sie im Rahmen eines strikten Resozialisierungsplans aufzunehmen. Polizisten wurden daraufhin vorsorglich in der Nähe des Konvents stationiert. Schon am Abend der ersten Gerichtsentscheidung waren dort Hunderte wütende Anwohner durch die engen Gassen gezogen, um gegen die Aufnahme Martins zu protestieren. Nur eine Straße entfernt liegt ein Kindergarten. Die Kosten der dauerhaften Sicherheitsvorkehrungen vor Ort beziffert die Polizeigewerkschaft auf 120.000 Euro pro Monat.

Opfer-Anwalt kritisiert „Reinwaschung“ der Geächteten

Im Kloster soll Martin mit den Schwestern an ihrer Resozialisierung arbeiten, das gehört zu den Bedingungen der vorzeitigen Haftbefreiung. Mit den elf Nonnen der Glaubensgemeinschaft wird sie im Haushalt und Garten arbeiten, beten und zurückgezogen hinter Mauern leben. Die dafür veranschlagten 20 Stunden pro Woche seien faktisch Schwarzarbeit, kritisierte der Opfer-Anwalt Georges-Henri Beauthier. Das sei nicht nur illegal, sondern noch dazu moralisch verwerflich: „Sie hilft täglich ein paar Stunden und wird im Gegenzug ernährt und von ihrem Stigma reingewaschen.“

Ungeachtet dessen hatte das höchste belgische Gericht zuvor zwei Berufungsanträge abgeschmettert und Martins 30-jährige Haftstrafe am Dienstag vorzeitig beendet - 14 Jahre vor dem eigentlichen Datum. „Das ist absurd. Aber ich werde es akzeptieren müssen“, sagte Pol Marchal, dessen 17-jährige Tochter An von Dutroux ermordet wurde. Martins Anwalt Thierry Moreau sprach dagegen von einer schlichten „Anerkennung der Tatsache, dass wir in einem Land leben, wo für alle das gleiche Gesetz gilt - das finde ich sehr beruhigend“.

Dutroux hatte mithilfe seiner damaligen Frau sechs Mädchen zwischen 8 und 19 Jahren entführt, vergewaltigt und zwei von ihnen ermordet. Zwei weitere ließ Martin in einem Kellerverlies qualvoll zugrunde gehen, während ihr Mann wegen Diebstahls in Haft saß. Die letzten beiden wurden von der Polizei befreit. Martin beharrte stets darauf, unter dem Einfluss ihres psychopathischen Gatten gestanden und lediglich als Erfüllungsgehilfin gehandelt zu haben. In Belgien hat die Affäre Dutroux bis heute den Rang eines Staatstraumas.

dapd

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