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Blackouts in Bayern? Experte verurteilt „Populismus“ in der Politik und ordnet Gefahr ein

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Von: Thomas Eldersch

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Im Winter wächst die Angst vor Blackouts oder kalten Wohnzimmern. Experte Stefan Holzheu von der Uni Bayreuth ordnet die Lage ein.

Bayreuth – In Bayern fürchtet man sich, dass die Dunkle Jahreszeit dunkler werden könnte, als gewollt. Das Schreckgespenst Blackout geistert bereits in vielen Köpfen umher. Also der totale Stromausfall über Minuten, Stunden oder sogar Tage. Politiker verschiedener Lager spielen häufig mit dem Schreckensszenario, um in der Wählergunst zu steigen. Auch die Rufe nach dem Weiterbetrieb der letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke stoßen in das gleiche Horn. Aber was ist dran an der Blackout-Paranoia? Umweltwissenschaftler Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung der Universität Bayreuth bringt Licht ins Dunkel.

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Dieses Interview führten wir im Oktober 2022. Es gehört zu den erfolgreichsten Texten aus unserem Bayern-Ressort im Jahr 2022, weshalb wir es zwischen den Jahren erneut zur Verfügung stellen.

Experte erklärt: Was genau ist ein Blackout eigentlich?

Die Angst ist groß, dass wir im Winter ohne Strom dastehen werden. Ist die Gefahr eines Blackouts wirklich real?

Holzheu: Erst einmal muss man klarstellen, was ein Blackout überhaupt ist. Die Thematik wird meistens ganz unsauber von den Politikern dargestellt. Ein Blackout ist ein großflächiger Stromausfall, der wirklich große Regionen betrifft und nicht einfach wieder zu beheben ist.

Und so etwas droht uns nicht?

Holzheu: Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Gefahr eines Blackouts sehr gering ist. Es kann aber zu partiellen Stromabschaltungen kommen, die aber wahrscheinlich vorher angekündigt werden. Es könnte an einem kalten Winterabend also heißen, wir müssen kurzfristig den Strom abschalten, weil wir nicht genug Energie herbekommen. Ganz einfach – wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, dann bricht das Stromnetz zusammen.

Kann man dagegen gar nichts machen?

Holzheu: Man muss wissen, dass wir sehr kompetente Netzbetreiber in Deutschland haben. Die wissen das in der Regel vorher, wenn eine solche Situation auf uns zukommt. Die lassen dann nicht einfach das Stromnetz zusammenbrechen. Erste Maßnahme wird sein, alle Kraftwerke zu aktivieren, die noch nicht am Netz sind. Sollte das immer noch nicht ausreichen, werden bestimmte Industrien oder Stadtviertel stundenweise vom Strom getrennt. Dann kann man halt mal eine Stunde kein Netflix schauen. Aber selbst eine solch kurze Stromabschaltung gilt unter Experten als relativ unwahrscheinlich.

Steht in dem Fall der Bürger auch in der Pflicht, etwas gegen eine kurzfristige Stromabschaltung zu tun?

Holzheu: Sollte es so weit kommen, dass der Netzbetreiber abends zum Stromsparen aufruft, weil es kurzfristig eng werden könnte, dann sollte man halt in dem Zeitraum nicht gerade die Spülmaschine anwerfen. Das kann man auch noch in der Nacht machen. Aber es gibt leider Menschen, bei denen hat man das Gefühl, dass sie unbedingt einen Blackout wollen. Die duschen beispielsweise extra lang, weil einer gesagt hat, ich soll kurz duschen. Und dann schmeißen sie auch noch ihren Heizlüfter an, weil einer gesagt hat, man sollte das nicht tun.

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Energie-Experte aus Bayreuth: Atomkraftwerke können keine Wunder bewirken

Immer wieder wird die Angst vor einem Blackout auch mit der Abschaltung der Atomkraftwerke Ende des Jahres geschürt. Ist da etwas dran?

Holzheu: Einen großflächigen Blackout wird es wegen der AKW-Abschaltung nicht geben. Es könnte aber dennoch sinnvoll sein, zumindest die beiden Kraftwerke im Süden im Streckbetrieb weiterlaufen zu lassen. Ich erwarte, dass das, wenn sie zum Einsatz kommen, dann gleich ab dem Jahreswechsel ohne vorherige Abschaltung passiert. Aber die Kernkraftwerke werden nicht mehr die volle Leistung liefern. Emsland muss schon im Dezember reduzieren und Neckarwestheim bereits im Oktober. Nur Isar 2 kann bis Dezember laufen, muss dann jedoch ebenfalls die Leistung schrittweise reduzieren. Aber meines Wissens könnte bei einem Weiterbetrieb auch ein europarechtliches Problem auf die Bundesregierung zukommen, weil ab Ende des Jahres die Betriebsgenehmigung erlischt und wenn dann Klagen kommen, könnten die Kernkraftwerke per Eilentscheidung zur Abschaltung gezwungen werden.

Von wie viel Leistung sprechen wir denn, die uns bei einer Abschaltung der beiden Atomkraftwerke im Süden verloren geht?

Holzheu: Wir reden hier von etwa zwei, vielleicht zweieinhalb Gigawatt an Leistung – je nachdem, welchen Zeitraum des Streckbetriebs man betrachtet. Das ist aber gar nicht das Problem. Wir haben eigentlich genug Kraftwerke, um das abzufangen. Das größere Problem kommt aus dem Ausland. Es hängt sehr viel von der Verfügbarkeit der französischen Kernkraftwerke ab. Sollten diese nicht wieder ans Netz gehen, steigt die Nachfrage nach Strom aus dem Ausland und das könnte bei uns zu Engpässen führen.

Wie kann man denn diese zweieinhalb Gigawatt Leistung unserer Kernkraftwerke einordnen?

Holzheu: Das ist nicht die Welt. Man hat in der politischen Diskussion immer das Gefühl, die könnten absolute Wunder bewirken.

Das heißt, Politiker, die unbedingt ein Weiterlaufen der Kernkraftwerke fordern, weil sonst der Blackout droht, spielen mit dem Feuer?

Holzheu: Ja, über solche Personen ärgere ich mich. Da wird behauptet, dass uns großflächige Blackouts drohen und dass es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen kann. Das ist unverantwortlich. Vor allem für einen demokratischen Politiker, der damit nur Stimmen einfangen will. Sicher, wir haben ein Strom- und Energieproblem, aber das ist der Zeitpunkt, an dem die demokratischen Parteien an einem Strang ziehen sollten. Der Populismus der Politik gerade ist eine Gefahr für unsere Demokratie.

Dr. Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung.
Dr. Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung. © Universität Bayreuth

Holzheu über den 2011 von CDU und CSU beschlossenen Atomausstieg: „Bescheuerter kann man’s nicht machen“

Sie sind auf Twitter sehr aktiv und zeigen dort häufig Politikern in ihren Beiträgen ihre Fehler mit Fakten und Studien auf. Dabei scheint es, dass Sie sich besonders auf die CDU/CSU und die FDP eingeschossen haben. Stimmt das?

Holzheu: Aus dieser Ecke kommen halt häufig Vereinfachung der Probleme, die der Sachlage nicht gerecht werden. Aber ich würde jedem Politiker, gleich welcher politischen Ausrichtung, seine Fehler vorhalten. Wenn die Grünen Unsinn erzählen, würde ich das versuchen richtig zu stellen, kommt aber im Moment nicht so oft vor. Es ist einfach auffällig, dass auf Seiten der Union und der FDP häufig weniger sachlich diskutiert wird.

Die Union und die FDP haben 2011 den Ausstieg aus dem Atomstrom beschlossen, den sie jetzt gerne – zumindest vorübergehend – aussetzen wollen würden. Was sagen Sie dazu?

Holzheu: Wenn man sich als Wissenschaftler oder Ingenieur diesen Atomausstieg anschaut, dann muss man sich doch fragen, wer auf die bescheuerte Idee kam, sechs AKW fast bis zum Ende laufen zu lassen, dann drei plus drei abzuschalten und das auch noch mitten im Winter. Bescheuerter kann man’s nicht machen. Warum nimmt man nicht jedes Jahr ein Kernkraftwerk vom Netz, dann wäre das eine kontinuierliche Sache und dann wäre das alles jetzt nicht so ein riesiges Thema. Denn natürlich ist das ein Problem, wenn ich acht Gigawatt aus einem 60-Gigawatt-System innerhalb von einem Jahr rausnehme.

Einer, der den Atomausstieg in der jetzigen Form damals mit vorangetrieben hat, ist jetzt Ministerpräsident von Bayern.

Holzheu: Das muss man Söder schon ankreiden. Sein Populismus von damals hat dazu geführt, dass der Atomausstieg in seiner jetzigen Form so ins Gesetz geschrieben wurde. Er hatte gepoltert, wenn nach 2022 noch ein AKW in Bayern läuft, dann tritt er zurück. Das war vor elf Jahren und nicht wirklich viel ist passiert. Beispielweise hat sich die bayerische Politik beim Thema Windräder nicht mit Ruhm bekleckert. Da gibt es zu viel Widerstand in der Bevölkerung, da laufen uns zu viele zur AfD über, dann wollen wir keine Windräder, heißt es häufig aus der Partei. Und das, obwohl Bayern beim Ausbau von Windrädern gut dabei war.

Experten-Tipps zum Strom- und Gassparen

Der Blackout ist jetzt vom Tisch. Aber was kann man tun, um mögliche Abschaltungen zu verhindern?

Holzheu: Weniger Strom und Gas verbrauchen ist natürlich jetzt Gebot der Stunde. Ich bin selbst Gemeinderat und bei uns im Gemeindesaal geben wir regelmäßig einen Tanzkurs. Letztens hatte es im Saal 16 Grad und wir haben beschlossen nicht zu heizen. Das muss reichen, denn der Saal wird auch mit Gas beheizt.

Worauf kann man bei sich zu Hause achten?

Holzheu: Das Beispiel gilt auch für Privathaushalte. Wer es schafft, soll versuchen, sich warm anzuziehen und die Raumtemperatur abzusenken. Dann kann man schauen, wo man Strom einsparen kann – Stichwort Stromfresser identifizieren. Alte Standby-Geräte verbrauchen beispielsweise sehr viel Strom. Da lohnt sich eine Steckerleiste mit Ausschaltknopf. Kürzer duschen ist auch nicht verkehrt, auch wenn es gerne ins Lächerliche gezogen wird. Und jeder sollte überprüfen, ob er sich eine PV-Anlage aufs Dach setzen kann. Das lohnt sich jetzt wirklich.

Wie steht es um das beliebteste Elektrogerät der Deutschen derzeit – der Heizlüfter?

Holzheu: Solange die Leute nicht auf die Idee kommen, alle ihre Heizlüfter auf einmal anzuschalten, sollte alles gut gehen. Ansonsten drohen lokal Stromausfälle. Dann sitzt man halt im Dunkeln und der Strom wird erst wieder eingeschaltet, wenn die Leute ihre Heizlüfter abgeklemmt haben.

Das Interview führte Thomas Eldersch

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