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Coronavirus: Vorfall in Kölner Supermarkt zeigt, wohin die Angst Menschen treibt

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China: Eine Kundin trägt beim Einkaufen in einem Lebensmittelladen eine Atemschutzmaske.
China: Eine Kundin trägt beim Einkaufen in einem Lebensmittelladen eine Atemschutzmaske. © dpa / Mark Schiefelbein

Coronavirus-Angst in Deutschland: Einem Supermarkt in Köln wird es zu bunt - nach einem Rassismus-Vorfall wehren sich die Mitarbeiter.

Köln - Normalerweise postet der Heng Long Asia Supermarkt aus dem Kölner Stadtzentrum über Veranstaltungen, Rezepte oder Hintergründe zu ihren Produkten auf der Facebook-Seite - und die Kunden liken oder stellen Fragen. Im Januar bekam der Laden Besuch von Youtuberin Dagi Bee, die hier ein Shooting zu ihrer aktuellen Kollektion machte.

Doch der letzte Facebook-Post fällt völlig aus der Reihe. „Was wir im Moment erlebt haben, ist sehr traurig“, schreiben die Inhaber und Mitarbeiter auf Facebook. Deshalb hätten sie sich zu einem ernsten Post entschieden. Viele Menschen asiatischer Herkunft würden seit Ausbruch des Coronavirus* davon berichten, dass sie in der Öffentlichkeit ausgegrenzt oder gemieden werden - ein Vorfall in ihrem Laden ging den Mitarbeitern deutlich zu weit.

Coronavirus in Deutschland: Mädchen soll Schal übers Gesicht ziehen

„Ein Mädchen kam mit ihrer Mutter ins Geschäft rein. Sie wollte anscheinend einen neuen Rekord für den schnellsten Einkauf brechen“, erzählen die Inhaber auf Facebook von einem Erlebnis, das ihnen von Anfang an seltsam erschien. Doch dann wurde es noch ungewöhnlicher: „Sie hat ihrer Tochter gesagt, bitte zieh deinen Schal vor das Gesicht.“ Diese Ansage der Mutter brachte das Mädchen wohl ins Grübeln, denn das Mädchen reagierte prompt - mit Angst: „Die Tochter fragte ob hier alle Chinesen krank sind“, erzählen die Inhaber des Asialadens weiter. 

Video: Wie können Sie sich vor dem Coronavirus schützen?

Doch anstatt die Tochter zu beruhigen und mit ihr über die Hintergründe des Virus* zu sprechen, schwieg die Mutter. Eine Chance, selbst mit dem Mädchen zu sprechen, bekamen die Supermarktmitarbeiter dann wohl auch nicht mehr: „Leider konnten wir die Dame nicht mehr zu einem Gespräch bitten um sie und ihre Tochter aufzuklären, dass nicht alle Asiaten Chinesen sind und automatisch den Virus haben. Leider ist sie so schnell geflüchtet wie sie reingekommen ist. “

Coronavirus in Deutschland: Asiasten in Deutschland unter Generalverdacht

Mit #JeNeSuisPasLeVirus machen weltweit Menschen darauf aufmerksam, dass die Angst vor Ansteckung* momentan als Rechtfertigung dafür dient, andere Menschen auszugrenzen oder herabzuwürdigen - eine rassistische Handlung, die Betroffene hilflos und wütend zurücklässt. „Wir sind nicht der Virus“, sagen auch die Mitarbeiter des Asialadens ganz klar in ihrem Facebook-Post. Dass sie sich jetzt zu diesem Schritt genötigt sahen, macht sichtbar, was in asiatischen Communities derzeit heiß diskutiert wird. 

„Auch wir haben Sorgen, dass die Krankheit sich zu schnell verbreitet und hoffen, dass die Staaten die Verbreitung in den Griff bekommen. Jedoch würden wir nie auf die Idee kommen und Personengruppen unter Generalverdacht zu stellen und so zu behandeln als wären nur die Gruppe infiziert. Das ist Rassismus, den man nicht sofort erkennt und reinste Panikmache. Das schadet mehr als es hilft“, führen die Ladeninhaber aus. Anstatt sich Angst und Panik anzuschließen, sollte man sich lieber über Vorsichtsmaßnahmen informieren*.

Die Ladeninhaber werden noch deutlicher: „Unser Kundenstamm ist sehr Multikulti und wir sind stolz darauf, dass es so viele verschiedene Leute gibt, die sich für die asiatische Küche interessieren. Wir werden auch weiterhin die Kunden wie immer beraten und scheuen uns nicht vor Kundenkontakt, nur weil etwas passieren könnte.“

Coronavirus-Angst: Nachbarn solidarisieren sich mit dem Asia-Laden

Während es sonst auf dem Facebook-Kanal des Asia-Ladens eher ruhig zugeht, folgen die Reaktionen der Follower auf diesen Post aber prompt. „Super geschrieben! Ich bleibe euer treuer Kunde“, meint ein User.  Eine Kundin versucht, die Mitarbeiter aufzumuntern und einen Sinn hinter der Reaktion der Mutter zu entdecken: „Leider reagieren Menschen oft so, die etwas nicht verstehen und Angst haben. Wir wünschen euch dennoch viel Kraft nimmt es euch nicht zu sehr zu Herzen, es gibt noch viele von uns, die sich weiterhin freuen bei euch einzukaufen ohne Berührungsängste.“ Und auch richtige Unterstützung formiert sich in der Nachbarschaft - eine andere Userin postet ein Bild von einem Asiagericht und meint dazu: „Wir haben gestern mit Freunden zu Hause kleinen Asiaabend gemacht und versucht zu kochen, wir bleiben gerne Kunden.“ Stellvertretend für andere entschuldigen sich sogar ein paar User bei den Ladeninhabern.

Coronavirus: Damit müssen sich Asiaten in Deutschland auseinandersetzen

Und keine Überraschung: Auch manche Kunden machen dank ihres asiatischen Aussehens momentan ähnliche Erfahrungen - eine Userin teilt ihre Gefühle: „Ich werde überall wo ich hingehe gemustert. Sei es im Supermarkt, im Fitnessstudio oder auf offenen Straßen. Auch gestern wollte ich mit einem Aufzug fahren und ein Mann hat sich geweigert mit mir in den Aufzug zu steigen. Es ist ok, Angst vor dem Coronavirus davor zu haben, angesteckt zu werden und aufzupassen. Aber alle Asiaten über einen Kamm zu scheren und zu denken wir wären ein wandelnder Virus* ist einfach ein echt mieses Gefühl.“ Sie freut sich umso mehr über den Post des Ladens: „Vielen Dank für diesen Beitrag! Solche Posts können dabei helfen Menschen zu sensibilisieren und aufzuklären.“ 

Doch es wird ihnen auch ein Vorwurf gemacht: Die Reaktion der Mutter sei kein Rassismus, sondern verständliche Angst. Warum dem nicht so ist, wissen die Inhaber aber: „Das ist leider das tückische an dieser Art von Rassismus“, meinen sie und erklären - wo jemand davon abgehalten werden soll, sich asiatischen Menschen zu nähern - genau da fängt der Rassismus an. Nach ihrem ersten Post reagiert der Supermarkt nochmals sehr positiv: „WOW! Wir sind von der Resonanz überwältigt. Wir hätten nicht gedacht, dass das Thema doch bei vielen so präsent ist und danken allen Unterstützern für die lieben Worte und auch das Mut machen.“ In Berlin schmiss nun ein deutscher TV-Star eine Chinesin aus Angst vor dem Coronavirus aus ihrer Wohnung raus.

Welches Verhalten angemessen ist, darüber wird beispielsweise in der Luftfahrtbranche diskutiert*. 

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