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Chemie-Nobelpreis 2016 für die kleinsten Maschinen der Welt

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Die Gewinner des Chemie-Nobelpreises 2016 auf der Leinwand v.l.: Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa.
Die Gewinner des Chemie-Nobelpreises 2016 auf der Leinwand v.l.: Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa. © AFP

Stockholm - Am Mittwoch sind in der schwedischen Hauptstadt Stockholm die neuen Nobelpreisträger in Chemie gekürt worden. Die Wahl der Jury fiel auf drei Molekularforscher.

Für die Entwicklung der kleinsten Maschinen der Welt erhalten drei Molekülforscher dieses Jahr den Nobelpreis für Chemie. Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa haben aus nur wenigen Molekülen unter anderem eine Art Lift, künstliche Muskeln und ein Mini-Auto hergestellt. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm mit. Solche Maschinen könnten demnach künftig für neue Materialien, Sensoren und Energiespeicher verwendet werden. Die höchste Auszeichnung für Chemiker ist mit umgerechnet rund 830.000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Die Preisträger seien in eine neue Dimension der Chemie vorgedrungen, hieß es von den Juroren. „Sie haben Moleküle entwickelt, deren Bewegungen man kontrollieren kann und die eine Aufgabe erfüllen, wenn sie die dafür nötige Energie bekommen.“ Die künstlichen molekularen Maschinen seien über tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares.

Immer wieder bauten die Forscher mit ihren Arbeiten aufeinander auf: Den ersten Schritt machte der 1944 geborene Franzose Sauvage (Universität Straßburg) im Jahr 1983: Er baute aus Molekülen zwei Ringe, die wie Kettenglieder zusammenhängen und sich wie diese locker bewegen können.

Der Beginn einer Revolution

Der gebürtige Brite Stoddart (74, Northwestern University in Evanston, USA) entwickelte seit den 1990er Jahren molekulare Achsen und zugehörige Ringe, die darauf auf- und absteigen können - sogenannte Rotaxane. Auf dieser Grundlage schufen er und sein Team winzige Aufzüge und künstliche Muskeln. Die Rotaxane nutzte Stoddart zudem, um Computerchips zu bauen, die zwar nur 20 Kilobyte speichern können, dafür aber viel kleiner sind als herkömmliche Chips. Einige Forscher glauben, dass diese Chips die Computerwelt einmal so revolutionieren könnten wie es einst die Transistoren taten.

Der Niederländer Feringa (65) von der Universität Groningen baute als

Nano-Auto
Nano-Auto. © Randy Wind und Martin Roelfs/Universität Groningen/dpa

erster einen molekularen Motor, der sich kontinuierlich in eine Richtung drehte. 2011 folgte eine Art Nano-Auto. Dazu montierten er und sein Team die Motoren als Antriebsräder an einen zentralen Träger. Das Fahrzeug sei nur rund einen Milliardstel Meter (Nanometer) lang, schrieben die Forscher im Fachblatt „Nature“. Es werde über die Spitze eines Rastertunnelmikroskops mit Strom versorgt und mit kurzen Spannungspulsen in Bewegung versetzt. Mit zehn Impulsen sei das Auto etwa sechs Nanometer weit über eine Kupferoberfläche gefahren.

„Die drei Nobelpreisträger haben dieses ganze Feld von molekularen Maschinen eröffnet“, sagte Nobel-Juror Olof Ramström. Damit habe eine „Revolution“ begonnen. „Die Entwicklungsstufe hier ist ähnlich der zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als viele Forscher zeigten, dass elektrische Maschinen möglich sein könnten. Die Zukunft wird zeigen, wie wir das hier anwenden können.“

Die Zukunft der Nano-Maschinen

Bis zu alltäglichen Anwendungen sei es noch ein weiter Weg, betonte Christoph Schalley von der Freien Universität Berlin. Er verwies darauf, dass es in der Natur Vorbilder dafür gebe. „Im Prinzip kann man vielleicht den Geißel-Antrieb wie bei einem Bakterium realisieren.“ Denkbar sei auch ein Mini-Schalter. „Dann hätte man ein soweit es nur irgend geht miniaturisiertes elektronisches Bauteil.“

Was molekulare Motoren inzwischen können, lässt sich bald im südfranzösischen Toulouse sehen: Dort startet Anfang 2017 ein Rennen von Nanofahrzeugen auf einer 100 Nanometer langen Strecke. Beobachter müssen allerdings Geduld haben - und genau hinschauen. Zurzeit schaffen die Autos 5 bis 20 Nanometer pro Stunde. Übertragen wird das Rennen mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops.

Nobelpreisträger Feringa: "War ein bisschen geschockt"

Dem diesjährigen Nobelpreisträger Bernard Feringa hat die Nachricht von der Auszeichnung überwältigt. "Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und war ein bisschen geschockt, weil das so eine große Überraschung war", sagte Feringa, der nach der Verkündung in Stockholm per Telefon zugeschaltet war. "Meine zweite Reaktion war, dass ich mich so geehrt fühle, und dass es mich berührt." Eine Stunde zuvor hatte die Jury den Niederländer über den Nobelpreis informiert. Er wolle den Preis mit seinem ganzen Team feiern, sagte Feringa.

Nobelpreisträger in Medizin und Physik bereits gekürt

Seit 1901 wurde der Chemie-Nobelpreis an 171 verschiedene Forscher mit dem Durchschnittsalter von 58 Jahren (35 bis 85 Jahre) vergeben. Einer von ihnen, der Brite Frederick Sanger, erhielt ihn sogar zweimal. Unter den Preisträgern waren bislang vier Frauen, etwa Marie Curie 1911, die die radioaktiven Elemente Polonium und Radium entdeckt und ihre Eigenschaften untersucht hatte.

Am Dienstag war der Physik-Nobelpreis den gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz für die Beschreibung exotischer Materiezustände zuerkannt worden. Am Montag war der Japaner Yoshinori Ohsumi als diesjähriger Medizin-Nobelpreisträger gekürt worden. Er hatte ein lebenswichtiges Recycling-System in Körperzellen entschlüsselt.

Überreichung der Auszeichnungen am 10. Dezember

Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Im vergangenem Jahr erhielten Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei) diese Auszeichnung für Arbeiten zur Erbgut-Reparatur. Sie haben nach Angaben der Akademie damit fundamentale Erkenntnisse etwa für die Suche nach Krebsmedikamenten geliefert.

dpa

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