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Erdbeeren in Gefahr? Deutsche Bauern klagen - auch in Hessen und Niedersachsen

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Von: Patrick Mayer

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Zwischen Bodensee, Darmstadt und Bremen: Der Anbau deutscher Erdbeeren wird immer teurer und unrentabler. Der Mindestlohn für Erntehelfer steht in der Kritik. Und erste Bauern geben auf.

Darmstadt/Vechta – Inflation, Energiepreise, Personalmangel: Die deutsche Landwirtschaft kämpft mit Faktoren, die sie bei der Erzeugung ihrer Produkte massiv beeinträchtigen. Massiv unter Druck stehen die Obstbauern zwischen Süden und Norden.

Inflation, Energiepreise, Personalmangel: Deutsche Obstbauern stehen unter Druck

Darunter sind jene Landwirte, die Erdbeeren anbauen. Die Hauptanbaugebiete für die beliebte Süßfrucht liegen am Bodensee, in Südhessen rund um Darmstadt-Dieburg und in Niedersachsen in der Weser-Ems-Region. Überall dort haben die Landwirte schwer zu kämpfen.

Zu Beginn der Erntesaison 2023 kritisieren sie den neuen Mindestlohn in Deutschland. Nicht wenige Obstbauern meinen: Der Anbau deutscher Erdbeeren ist so nicht mehr rentabel.

In Lindau am Bodensee gibt es auf einem Markt Erdbeeren zu kaufen. Doch: Bald nicht mehr aus regionalem Anbau? (Archivfoto)
In Lindau am Bodensee gibt es auf einem Markt Erdbeeren zu kaufen. Doch: Bald nicht mehr aus regionalem Anbau? (Archivfoto) © IMAGO / Westend61

Ein Beispiel: „Wir werden in Zukunft in Lindau keine Produktion von Erdbeeren mehr haben“, sagte Obstbauer Klaus Strodel aus Weißensberg am Bodensee der Schwäbischen Zeitung: „Die Politik schafft das ab. Durch den Mindestlohn haben wir hohe Lohnkosten bei einer arbeitsintensiven Kultur.“ Zur Einordnung: Der gesetzliche Mindestlohn wurde im Herbst auf Betreiben der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP von 10,45 Euro auf zwölf Euro die Stunde angehoben.

Erdbeeren: Steigende Kosten machen Landwirten zu schaffen, mancher Bauer reduziert Anbauflächen deutlich

„Die Supermärkte nehmen unsere Ware zwar, zahlen aber den gleichen Preis“, erzählte Strodel. Und das sei ein Verlustgeschäft. Walter Witzigmann aus Wasserburg am Bodensee dampfte dagegen seine Erdbeer-Felder von 1,5 Hektar auf 300 Quadratmeter regelrecht ein. Er vertraut ausschließlich auf Direktvermarktung. Witzigmann kritisiert laut Schwäbische Zeitung ebenfalls den Mindestlohn, den auch ausländische Erntehelfer bekommen. „Wer soll das noch bezahlen? Ich mache den Job seit 1981“, wird er zitiert: „Es gab viele schlechte Jahre, doch es ging immer wieder bergauf. Jetzt geht es nur noch abwärts.“

Schon 2022 hatte der Erdbeer-Anbau große Sorgen bereitet. Das Angebot war groß, weil es im Frühjahr sehr warm und sonnig war. Wegen der einsetzenden Inflation kauften die Kunden aber weniger. Die Folge war ein massiver Preisverfall auf im Schnitt unter fünf Euro für ein Kilo Erdbeeren. Seit Frühjahr 2022 stiegen die Kosten für Dünger, Pflanzenschutzmittel und für Jungpflanzen dagegen kontinuierlich, erklärte Eva Würtenberger von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI). Die hohen Energiepreise wirken sich zudem auf Transportkosten aus. So hatte etwa die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen bereits Ende Mai 2022 darauf hingewiesen, dass einige Bauern künftig auf die Erdbeerernte verzichten, weil sich diese schlicht nicht mehr lohne.

Erdbeeren aus Deutschland: Neben Kosten setzt Preisverfall den Erzeugern zu

Laut Oberhessischer Presse klagen auch Obstbauern rund um die Kreisstadt Marburg über den Preisverfall. „Die Zahl der obstanbauenden Betriebe allgemein und auch der kirschanbauenden Höfe nimmt kontinuierlich ab“, erzählte Andreas Klein vom Hessischen Landesverband für Erwerbsobstbau im März 2022 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Schon damals wurde der Mindestlohn als Problem bezeichnet, obwohl er noch bei 10,45 Euro lag. Die nunmehr zwölf Euro pro Stunde seien „für viele einfach nicht umsetzbar, und manche bleiben dabei eben auf der Strecke“, meinte Klein.

Kostenintensiver Anbau: eine Erdbeeren-Plantage bei Darmstadt-Dieburg.
Kostenintensiver Anbau: eine Erdbeeren-Plantage bei Darmstadt-Dieburg. © IMAGO / Zoonar

Wankt in ganzer Wirtschaftsfaktor? In Hessens Landwirtschaft ist der Erdbeeranbau weit verbreitet. Die größten Flächen befinden sich im Kreis Darmstadt-Dieburg, im Wetteraukreis und im Main-Taunus-Kreis. Zur Einordnung: Im Jahr 2021 nutzten rund 170 hessische Bauernhöfe etwa 1140 Hektar Fläche zum Anbau von Erdbeeren, aktuellere Zahlen für das Jahr 2022 liegen noch nicht vor. 

Erdbeeren: Erntehelfer verdienen in Spanien, Italien und Griechenland viel weniger

Ein anderes Beispiel aus Deutschland: In Niedersachsen hatten Landwirte 2018 noch auf 2900 Hektar Erdbeeren angebaut, 2022 waren es nur noch 2400 Hektar. Was immer noch mehr als ein Viertel aller deutschen Anbauflächen bedeutet. Wie der NDR berichtete, verkauften aber zum Beispiel Erzeuger aus dem Landkreis Hildesheim bei Hannover im vergangenen Sommer 30 Prozent weniger Erdbeeren.

Eine weitere Herausforderung: Wie die Schwäbische Zeitung schreibt, konkurrieren deutsche Erdbeerbauern mit Produzenten aus Spanien, Italien und Griechenland, wo Erntehelfer einen Bruchteil des deutschen Mindestlohnes verdienen. Was im Umkehrschluss billigere Erdbeeren in Supermarktregalen bedeutet. Dem Bericht zufolge sind mehr als die Hälfte der Kosten Lohnkosten. Zum Beispiel, weil Pflanzen unter Folien belüftet werden müssten oder weil Stroh nachgelegt werden müsse. Womöglich kann sich mancher Obstliebhaber die Erdbeere aus Deutschland also schlicht nicht mehr leisten. (pm)

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