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Studie zeigt: Bestrahlung und Operation sind bei Prostatakrebs häufig nicht die beste Option

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Von: Helmi Krappitz

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Eine Langzeitstudie aus Großbritannien zeigt die Auswirkungen von Bestrahlung und Operation bei Prostata-Karzinomen.

London – Das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken ist bei Männern über 50 Jahren vergleichsweise hoch. Etwa 70.000 Männer erhalten jährlich die Diagnose Prostatakarzinom - es ist die häufigste Krebsart beim Mann. In der britischen Protect-Studie untersuchten Fachleute Niedrigrisiko-Karzinome und ihre Entwicklung je nach Behandlungsart: Operation, Bestrahlung und Überwachung. 2016 wurden die ersten Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht. 15 Jahre nach Therapieentscheidung wurden nun auch Langzeitdaten zu den Überlebensraten und Nebenwirkungen offengelegt. Die Ergebnisse zeigen, dass Bestrahlung und Operation nicht immer die beste Option ist.

Langzeitstudie: Gleiche Sterblichkeitsrate bei Beobachtung von Prostata-Karzinomen

Die Langzeitergebnisse der Protect-Studie zeigen, dass die Patienten mit Niedrigrisiko-Karzinomen die gleiche krankheitsspezifische Sterblichkeit haben – unabhängig davon, ob sie bestrahlt, operiert, oder nur aktiv überwacht wurden. In Fällen der aktiven Überwachung wurden die Patienten erst beim Fortschreiten der Krankheit behandelt.

Diese Ergebnisse seien bedeutsam für die Prostatakrebstherapie, erklärt Professor Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Uniklinikum Düsseldorf im Interview mit der FAZ. „In der Protect-Studie wurde nur einmal im Jahr ein PSA-Wert bestimmt, und erst wenn dieser Wert um 50 Prozent angestiegen war, wurde eine Diagnostik ausgelöst.“ Demnach sei bereits eine harmlose Überwachungsart genügend, um das Überleben der Patienten zu sichern.

Prostatakrebs-Studie: Bei Überwachung soll Metastasen-Bildung verhindert werden

Laut Forschungsergebnissen entwickelte jeder zehnte Patient, der aktiv überwacht wurde, Metastasen. Es handelte sich häufig um Knochen- und auch Lymphknotenmetastasen, die heute gut behandelbar sind. Diese sind jedoch ein Indikator für das Voranschreiten der Krankheit und muss dementsprechend behandelt werden. „Das hat starke Auswirkungen auf die Lebensqualität. Wir müssen daher künftig in der aktiven Überwachung verhindern, dass Metastasen entstehen“, so Alberts.

Die Studienergebnisse zeigen, dass insgesamt nur 45 der 1643 Teilnehmer in den 15 Jahren nach der Diagnose an der Krebserkrankung starben. Alberts geht davon aus, dass die krankheitsspezifische Sterblichkeit an einem „lethal cancer“-Phänotypen liegen könne. „Das heißt, dass es in der großen Gruppe der Niedrigrisiko-Karzinome eine kleine Gruppe gibt – das sind etwa zehn bis fünfzehn Prozent, die Genveränderungen haben, die zum Tode führen.“

Ein Querschnitt einer Prostata.
Laut Studie müssen Niedrigrisiko-Karzinome nicht zwangsläufig bestrahlt oder operiert werden. © picture alliance/dpa | Uwe Anspach

Prostata-Krebs: Bestrahlung und Operation bei Niedrigrisiko nicht nötig

Die Protect-Studie zeigt, dass Bestrahlung und Operation nicht immer die erste Option sein müssen. Bessere Diagnostik und aktive Überwachung, die einen wachsenden Tumor schneller als in der Studie erkennen kann, bieten neue Therapieansätze. „Wir haben durch die Ergebnisse der Protect-Studie gesehen, dass wir die Niedrigrisiko-Karzinome deutlich konservativer behandeln können, und zwar nicht nur die ISUP-Grade-Group-1-Karzinome, sondern auch die ISUP-Grade-Group-2-Karzinome, die bisher operiert oder bestrahlt werden“, erläutert Alberts die Studienergebnisse.

Krebs-Studie: „Höhergradige Karzinome müssen sofort und radikal behandelt werden“

Auch die Nebenwirkungen der Behandlungsmethoden wurden langfristig untersucht. Teils waren nach zwölf Jahren noch Impotenz und Inkontinenz präsent. Eine im Fachjournal Jama Oncology veröffentlichte Arbeit weist zudem daraufhin, dass viele Männer ihre radikale Operation bereuen. Das Team aus den USA und Kanada befragten 2000 Patienten mit unterschiedlichen Therapieansätzen nach der Krebserkrankung. Demnach bereuten 16 Prozent der Patienten die Prostatektomie, also die Entfernung der Prostata. Elf Prozent mit Strahlentherapie hätten sich im Nachhinein anders entschieden. Die Krebs-Patienten, die sich nur überwachen ließen, waren am zufriedensten – nur sieben Prozent waren unschlüssig, ob es die richtige Entscheidung war.

„Wir müssen die Langzeitergebnisse zu den einzelnen Nebenwirkungen und deren Einfluss auf die Lebensqualität sehr genau mit den Patienten besprechen. Dieses langwierige Aufklärungsgespräch wird in Deutschland nicht bezahlt“, erklärt Alberts und fordert eine angemessene Bezahlung für ausführliche Beratungsgespräche. Das zähle jedoch „nur für Prostatakarzinome mit einem geringen Risiko, also für Karzinome mit der Einstufung ISUP Grade Group 1 und 2. Höhergradige Karzinome müssen sofort und radikal behandelt werden.“ (hk)

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