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Stress an Weihnachten? Das empfiehlt Psychologe Fritz Propach

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Von: Christiane Geier

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Weihnachten
Balgerei unterm Baum: Stress und Streit wie auf unserem Symbolbild gehören vielerorts zu Weihnachten. Foto: dpa

Weihnachten - Fest der Liebe oder der Hiebe? So weit auseinander liegt beides an den bevorstehenden Feiertagen oft nicht.

Darüber sprachen wir mit dem Diplom-Psychologen Fritz Propach vom Online-Portal www.therapie.de.

Herr Propach, eigentlich sollten doch die Weihnachtsfeiertage still und besinnlichsein. Warum verbreiten viele Menschen eher Hektik und Stress? 

Fritz Propach: Zum Jahresende ist sehr viel los – im Privaten und im Job. Man bereitet die schönen Feiertage vor, mit Geschenken, mit Essen und dem Baum, dem Putzen und Organisieren, wen man wann wie trifft. Die Anforderungen an ein schönes Weihnachtsfest sind unrealistisch hoch – und doch wollen viele sie erfüllen.

Warum sehnen wir uns vor allem an Weihnachten nach Harmonie? 

Propach: Wir sehnen uns an Weihnachten nach Familienglück, und Harmonie gehört dazu. Weihnachten ist ein echter Ausnahmezustand, weil wir ein perfektes Fest wollen. Oft will man den Erwartungen vieler Leute gerecht werden, in Bezug auf Geschenke und die Art der Feierlichkeiten. Es sind eigene Erwartungen und vermutete Erwartungen anderer, die Stress auslösen. Jeder macht sich zu viel Druck, und wir erleiden Weihnachten.

Kann man sich diesen Druck nehmen? 

Propach: Ja klar. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Jeder sollte sich bewusst sein, was seine eigenen Erwartungen an das Weihnachtsfest sind. Das heißt, wie würde ich gern feiern wollen, mit wem und wo? Muss es ein opulentes Essen geben, oder kann es ein schlichtes Essen sein? Zu oft denkt man, dass die Erwartungen der Gäste so hoch sind, damit liegt man häufig aber falsch. Man sollte seine Verwandten und Gäste fragen, wie sie sich die Feier vorstellen. Häufig finden sich dann viel einfachere Lösungen und Kompromisse, man geht zum Beispiel essen und das bedeutet viel weniger Stress.

Weihnachten ist die Zeit der Familie und das bedeutet, dass man Weihnachten teils mit ungeliebten Verwandten feiert. Was kann man tun, wenn man mit jemandem nicht zurecht kommt? 

Propach: So etwas lässt sich nicht planen. Das Einzige was hilft, sich für die Feierlichkeiten einfach einmal zusammenreißen. Manchmal sind die Feierlichkeiten für beide Beteiligten, den Einladenden und den Eingeladenen, quälend. Der erste Schritt sollte also sein: Im Vorfeld klären, ob man sich an Weihnachten überhaupt wirklich sehen muss. Man kann sich auch im Vorfeld treffen und so die Streitigkeiten aus der Welt schaffen oder man lädt einfach andere Personen mit ein, so dass es nicht zum Konflikt kommt. Das Weihnachtsfest ist vielleicht auch Anlass, einen Streit endlich beizulegen.

Das falsche Geschenk unterm Weihnachtsbaum ist ein häufiger Grund für Streitigkeiten. Gibt es einen sicheren Weg, kleinliche Streitereien zu vermeiden? 

Propach: Auch hier hilft eine Planung. Wollen wir uns dieses Jahr beschenken, streben wir ein stark konsumorientiertes Weihnachtsfest an? Oder tut es eine Kleinigkeit, weil wir eigentlich schon alles haben? Vielleicht kann man sich auch etwas wünschen. Es hilft nur ein Abklären der Erwartungen untereinander, und man sollte seine Bedürfnisse den Anderen mitteilen. Häufig reicht auch eine liebevolle Geste.

Warum geben wir dem Weihnachtsfest einen so hohen Stellenwert? 

Propach: Jeder hat seine eigene Geschichte vom Fest. Für fast jedes Kind ist Weihnachten eine tolle Erfahrung, weil es Geschenke bekommt. Jeder verbindet mit Weihnachten positive Erfahrungen und jeder hat dadurch seine eigenen Erwartungen ans Fest. Nicht zu vergessen ist der mediale Einfluss. Niemand kann Weihnachten ignorieren, man sieht es perfekt in der Werbung und wünscht sich das auch so für seine eigene Familie.

Versucht man sich an Weihnachten wieder so zu fühlen, wie man es als Kind getan hat? 

Propach: Nicht unbedingt. Aber viele wollen genauso schöne Erfahrungen machen – und wenn schon nicht für sich, dann vielleicht doch für die eigenen Kinder. Jeder hat andere Gründe und feiert dementsprechend Weihnachten.

Wie kann die Weihnachtszeit insgesamt positiver und entspannter gestaltet werden? 

Propach: Sich selbst fragen: Wie würde ich gerne selbst Weihnachten feiern? Mit anderen reden, wie die Weihnachten feiern wollen. Vielleicht feiert man nur einmal mit allen, und das ist schon weniger Stress. Man kann auch Termine reduzieren, auf den einen oder anderen Verwandtenbesuch verzichten und im neuen Jahr nachholen. Es gibt viele individuelle Lösungen, die man aber selbst kreieren muss. Niemand kann das Weihnachten aus dem Rewe-Werbespot haben, jeder muss sich sein eigenes Weihnachtsfest schaffen.

Fritz Propach (45) begann 2000 mit der Entwicklung des Online-Portals für Psychotherapie in Verbindung mit einer Therapeutendatenbank. Der Verein Pro Psychotherapie wurde 2004 gegründet, im Jahr 2007 ging die erweiterte Fassung www.therapie.de an den Start. Der gebürtige Münchner studierte in Trier und in München Psychologie und spezialisierte sich schon damals auf systemische Therapie und Familienpsychologie. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

Tipps für ein friedliches Fest

Einfache Regeln helfen dabei, das Fest nicht zur psychischen Belastungsprobe werden zu lassen. Christoph Middendorf, medizinischer Geschäftsführer der Oberbergkliniken, gibt Tipps für einen harmonischen Heiligabend und entspannte Feiertage danach.

Gemeinsam kochen

Damit das Kochen nicht zur Last wird, können Aufgaben aufgeteilt werden oder man kocht das Weihnachtsessen gemeinsam.

Alkohol in Maßen

Den weihnachtlichen Verlockungen sollte man in Maßen begegnen, um Reizbarkeit und Streitlust zu vermeiden. Gerade größere Mengen Alkohol lösen oft Familienstreitigkeiten aus. Und die können eskalieren.

Nichts erzwingen

Weihnachtsrituale sollten nicht erzwungen werden. Nicht jeder singt mit Hingabe oder liest gerne Weihnachtsgeschichten vor. Befinden sich Weihnachtsmuffel unter den Gästen, sollte man dies akzeptieren und niemanden zu etwas zwingen.

Rückzug ermöglichen

Wer die Familie dazu zwingt, die gesamte Weihnachtszeit miteinander zu verbringen, erzeugt damit unnötigen Druck. Entspannungsübungen, eine kurze Auszeit im Gästezimmer, Hobbykeller oder beim Spaziergang können die Stimmung lockern und Streitigkeiten vorbeugen.

Über Pannen lachen 

Pannen kommen auch an Weihnachten vor – selbst bei der besten Planung. Wenn Sie im Gespräch mit Gästen in ein Fettnäpfchen treten oder den Text von „O Tannenbaum“ vergessen: kein Problem. Einfach darüber lachen und es auf die leichte Schulter nehmen.

Keine Provokationen

Keine unnötigen Provokationen: Sollte es zu einem Streit kommen, ist es sinnvoll, ihn bewusst zu verschieben und nicht weiter anzuheizen. Heiligabend ist nicht die richtige Zeit für Grundsatzdiskussionen oder das Austragen alter Konflikte.

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