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„Neue Zeitrechnung“: In Sekunden zerstört – Rekord-Sprengung der Talbrücke Rahmede auf der A45

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Von: Thomas Machatzke

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Es dauerte drei Jahre, sie zu bauen – und nur Sekunden, sie zu zerstören: Die marode A45-Brücke Rahmede in Lüdenscheid ist weg. So lief der Tag der Sprengung.

Lüdenscheid – Die gute Laune, sie hat in den vergangenen Wochen und Monaten aus gutem Grund einen großen Bogen gemacht ums Rahmedetal in Lüdenscheid. Am Sonntag (7. Mai) war sie zurück: Pünktlich um 12 Uhr mittags fiel die A45-Talbrücke Rahmede, und mit ihr fiel vielen Menschen ein Stein vom Herzen. Sprengmeister Michael Schneider allen voran, denn der hatte eine echte Herausforderung gemeistert, hatte die bisher größte in Deutschland gesprengte Brücke punktgenau im vorbereiteten Fallbett landen lassen.

Was?Sprengung der Rahmedetalbrücke
Wann?Sonntag (7. Mai), 12 Uhr
Wo?A45 in Lüdenscheid

Mit einem lauten Knall, einer starken Druckwelle und einer gewaltigen Baustaubwolke verschwand die Brücke. Übrig blieben 17.000 Tonnen Beton und Stahl unten im namensgebenden, engen Rahmedetal. 150 Kilogramm Sprengladung in den Pfeilern hatten den 450 Meter langen und mehr als 70 Meter hohen Giganten der Sauerlandlinie kollabieren lassen (Drei, zwo, eins, Zündung: die Entwicklungen am großen Sprengtag zum nachlesen in unserem Newsticker). Ein eindrucksvolles Drohnen-Video zeigt, wie wenig Platz zwischen Brücke und Gebäuden im Tal war.

„Neue Zeitrechnung“: So lief die Sprengung der A45-Brücke in Lüdenscheid

Im abgesperrten Bereich oberhalb der evangelischen Kirche Oberrahmede hatte sich das Gros der rund 130 akkreditierten Journalisten, aber auch die Ehrengäste aus Politik und Verwaltung auf einer steilen Wiese eingefunden, um das Schauspiel zu verfolgen. Dahinter schauten viele Bürger der Stadt, aber auch auswärtige Gäste zu. Wer im alpinen Wiesengelände fehlte, das war der erfahrene Sprengmeister Michael Schneider.

Der hatte seinen Platz abgeschottet im Tal bezogen. Als der 62-Jährige sich nach getaner Arbeit, die wechselweise als „große Ingenieurskunst“ und „echtes Meisterwerk“ geadelt wurde, bei der offiziellen Pressekonferenz äußerte, bekam er noch nachträglich den Applaus und die Ehrerbietung, die er am Hang vorher verpasst hatte.

„Moment mal, ich bin nicht AC/DC oder sowas“, stellte Schneider in breitester Mundart fest, „Spaß beiseite. Die Brücke ist genauso in ihr Fallbett niedergegangen, wie wir das vorausberechnet haben. Mir fehlt schlicht das Pokerface, ich kann meine Gefühle nicht verbergen und ich bin einfach nur happy, happy, happy, dass hier alles so gelaufen ist, wie wir es wollten. Ich möchte mich an dieser Stelle für die super Zusammenarbeit auf der Baustelle bedanken. Wenn auf der Baustelle nicht alles so 100-prozentig und reibungslos geklappt hätte, wäre in dieser kurzen Zeiteinheit eine derartige Sprengung niemals möglich gewesen.“

Sprengung der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid: Erleichterung an der A45

Aber nicht nur Schneider war ein Stein vom Herzen gefallen: Den zahlreichen Politikern vor Ort auch, weil der Tag der Sprengung gemeinhin als Meilenstein gilt auf dem Weg zur neuen Talbrücke Rahmede. Oder, wie es der FDP-Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel nach dem großen Knall trefflich auf den Punkt brachte: „Natürlich ist eine gesprengte Brücke noch keine neue Brücke, aber klar ist: Ohne eine gesprengte Brücke kann es auch keine neue Brücke geben. Deshalb ist die Erleichterung jetzt auch sehr groß.“

Kurzum: Als der Koloss von Brücke ins Fallbett gesunken und der Rauch verzogen war, da machten die Gesichter mit den großen Kinderaugen, die beeindruckt das Schauspiel verfolgt hatten, Platz für die erwachsenen Gesichter, die einen gewissen Ernst mit einem fröhlichen Strahlen vermischten. Auf der Wiese oberhalb der evangelischen Kirche Oberrahmede, für die der Tag der Sprengung eine Art Picknicktag war, hatte man ganz besonders gut zuschauen können und dabei auch die Druckwelle nach dem großen Knall besonders gut spüren dürfen.

Sprengung der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid: „Wichtiges Signal für die Region“

„Man kennt das nur aus Fernsehen, da bekommt man die Schwingungen und Bodenbewegungen gar nicht mit. Großer Respekt an alle, die dies vorbereitet haben“, stellte der Chef der Lüdenscheider SPD, Fabian Ferber, fest, „für mich beginnt heute eine neue Zeitrechnung. Wir müssen sehen, dass ab dem Tag, an dem wieder Autobahnverkehr über die Rahmedetalbrücke führt, wirklich Tag 1 für Lüdenscheid neu beginnt. Und dafür haben wir jetzt die wichtige Vorbereitungszeit. Da dürfen wir keinen Tag verlieren. Das haben die Leute verdient.“

Volker Wissing bei der Sprengung der A45-Brücke
Bundesverkehrsminister Volker Wissing steht zufrieden vor den Trümmern der gesprengten A45-Brücke in Lüdenscheid. © Cornelius Popovici

Einen Tag im Zeichen der Hoffnung nannte der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak den Tag der Sprengung, von einem „Signal für die Region“ sprach NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Fast wortgleich äußerte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing, als er in Lüdenscheid vor den Trümmern der Brücke stand. Florian Müller, Bundestagsabgeordneter der CDU, mahnte aber auch direkt Tempo an für den Neubau. Kein Ausruhen auf den Lorbeeren des besonderen Brückentages.

Sprengung der Rahmedetalbrücke: Polizei holt Unbelehrbaren aus dem Sperrbereich

Besonders war der Tag allemal, aber nicht besonders schwierig für die Einsatzkräfte. Im Gegenteil: „Fast ein normaler Sonntag – nur, dass da noch eine Brücke gefallen ist“, stellte Feuerwehr-Chef Christopher Rehnert, gelassen fest. Einen Einsatz bei einem jungen Mädchen mit Kreislaufproblemen hatte man im Zuschauerbereich verzeichnet, sonst nichts.

Auch die Polizei zog eine positive Bilanz: Einen Unbelehrbaren hatte man am Morgen noch aus dem Sperrgebiet in Brückennähe geholt. Die Meldung dreier weiterer Zuschauer, die sich im Wald zu nah der Brücke genähert hatten, erwies sich als Ente. Und so war es der größte Aufwand für die Polizei, die Bahnhofstraße zu sperren, als die Menschen vom Public Viewing am Mittag in die Stadt weiterzogen.

Nächste Brückensprengung an der A45 bereits am 28. Mai

Last but not least war auch die Kirchengemeinde Oberrahmede zufrieden mit dem Brückentag. Die Jugendlichen der Gemeinde hatten im Gemeindezentrum übernachtet und waren früh auf den Beinen gewesen, um alles vorzubereiten. Von den Evakuierten in Brückennähe fanden 16 Unterschlupf in der Kirche. Nicht zuletzt sorgte die Sprengung auch nicht für Schäden im denkmalgeschützten neugotischen Kirchenbauwerk. Das wurde direkt am Mittag von Mitarbeitern der Autobahn GmbH geprüft. Der Tag der Sprengungen war der Tag einer großen Party, nach der es noch viel aufzuräumen gibt. Aber mit guter Laune. Das kann eine Menge ausmachen.

Und die neuen Aufgaben warten bereits. Am 28. Mai 2023 soll ein Teilbau der Talbrücke Sterbecke auf Schalksmühler Gemeindegebiet gesprengt werden. Natürlich wieder mit Michael Schneider in tragender Rolle. Nach der Sprengung ist vor der Sprengung. Und auch dann wird er sich vielleicht wieder wie einer der Jungs von AC/DC fühlen. Mit welchem Song der Hardrocker, das wusste bei der PK Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer mit einem breiten Lachen beizusteuern: „T.N.T.“, natürlich. Welcher auch sonst.

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