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Killerwal-Attacken auf europäische Boote: Biologe spricht von neuem Phänomen

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Von: Martina Lippl

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Orcas attackieren Boote auf dem offenen Meer. Diese Vorfälle häufen sich. Killerwale ahmen dieses aggressive Verhalten offenbar nach, vermuten Forscher.

Gibraltar – Vor der Küste von Spanien spielten sich auf dem Meer gespenstische Szenen ab: eine Gruppe von drei Orcas (Orcinus orca) greift ein Boot gezielt an – mitten in der Nacht. In letzter Sekunde konnte die Crew einer Segeljacht Anfang Mai gerettet werden. „Die Angriffe waren brutal“, erzählen Augenzeugen. Ein traumatisiertes Orca-Weibchen könnte nach Ansicht von Experten für die zahlreichen Attacken auf Boote verantwortlich sein.

Killerwal-Attacke auf Boote: Traumatisiertes Orca-Weibchen „White Gladis“ könnte Rolle spielen

Berichte über Zwischenfälle mit aggressiven Orcas häuften sich erstmals 2020. Oftmals verliefen sie jedoch glimpflich. Angefangen hatte es mit Jungtieren, die den Rumpf kleinerer Yachten rammen und Ruder beschädigen. Portugiesische Seeschifffahrtsbehörden führten die Attacken damals auf das „neugierige Verhalten junger Orcas“ zurück, die von bewegenden Strukturen an Schiffen wie Rudern oder Propellern angezogen würden. Seglern wurde in einer Mitteilung empfohlen, im Falle einer Sichtung dieser Säugetiere den Motor abzustellen und das Ruder zu blockieren.

Orca-Attacken in der Straße von Gibraltar: Phänomen weitet sich aus

Nun weitet sich das Verhaltensmuster in der Orcapopulation aus, wie auf der Webseite orcaiberica.org zu erfahren ist. Die Plattform sammelt Daten über Interaktionen mit Orcas. Dabei geht es der Atlantic Orca Working Group (GTOA) neben der Sicherheit für Segler in der Straße von Gibraltar auch um den Schutz des Schwertwals im nordöstlichen Atlantik. Vor der Iberischen Halbinsel lebt eine Subpopulation von weniger als 50 erwachsenen Tieren, die in der Roten Liste der IUCN als stark gefährdet eingestuft wird.

Schwertwal (Orcinus orca), Kopf eines Erwachsenen, der aus dem Wasser auftaucht
Orca-Attacken auf Boote: Vor der Küste Spaniens und Portugals greifen iberische Killerwale (Symbolfoto) Boote an. Forscher rätseln über das aggressive Verhalten. © G. Lacz/imago

Aggressives Verhalten von Orcas bisher völlig unbekannt

Der Anstieg der Aggression gegenüber Booten sei ein neues Phänomen, sagte Biologe López Fernandez von University of Aveiro in Portugal zu livescience.com. Hinweise verdichten sich nach Ansicht von Experten, dass ein traumatisiertes Orca-Weibchen namens „White Gladis“ (offiziell: Gladis Blanca-GB) hinter diesem ungewöhnlichen Verhalten steckt.

„White Gladis“ ist ein erwachsenes Weibchen und eines der „aktivsten Gladis“. Sie hat laut GTOA zwei Töchter (geboren 2015 und 2021), die ebenfalls „interagieren“. Ein Orca gilt als sogenannter Gladis, wenn er mit Schiffen interagiert, heißt es bei GTOA. Der Name stammt demnach von der einheimischen Bezeichnung „Orca Gladiator“ ab und wurde nun zur Identifizierung der Exemplare verwendet.

„White Gladis“: Killerwale ahmen Verhalten von traumatisierten Orca-Weibchen nach

Andere Killerwale würden ihr Verhalten imitieren. Forscher vermuten, dass „White Gladis“ einen „kritischen Moment der Qual“ erlebt haben könnte, beispielsweise eine Kollision mit einem Boot oder in einer Falle beim illegalen Fischfang. Dieses Ereignis könnte das Orca-Weibchen traumatisiert haben und sie dazu gebracht haben, andere Boote zu rammen.

„Die Orcas machen das absichtlich, natürlich kennen wir weder den Ursprung noch die Motivation“, sagte Fernandez. Doch es werde jeden Tag deutlicher, dass ein Trauma hinter diesem Verteidigungsverhalten stecke. Das ungewöhnliche Verhalten – Boote zu rammen – habe sich durch Nachahmen auf die Jungen ausgeweitet, weil sie es für etwas Wichtiges in ihrem Leben halten, so López Fernandez. „Dieser traumatisierte Orca ist derjenige, der dieses Verhalten des physischen Kontakts mit dem Boot ausgelöst hat.“

Iberischer Killerwal: Orcas sind eigentlich gesellige Säugetiere

Orcas sind soziale Lebewesen, die Verhaltensweisen von anderen leicht erlernen und nachahmen können. Die Säugetiere leben in stabilen sozialen Strukturen, von denen auch ihr Überleben abhängt, haben Forscherteams in Studien schon herausgefunden. Kürzlich zeigten sogar Aufnahmen, wie ein Orca-Weibchen ein Baby-Grindwal adoptiert hat.

Es gibt auch Forscher, die das Verhalten als eine „Modeerscheinung“ bezeichnen. „Sie sind unglaublich neugierige und verspielte Tiere, daher könnte es sich eher um eine Spielerei als um eine aggressive Handlung handeln“, so Deborah Giles, Orca-Forscherin an der University of Washington.

Im Pazifik vor der Küste der USA ereignet sich ein ungewöhnliches Naturschauspiel. Eine Gruppe von Orcas greift ausgewachsene Grauwale an. Ein Video zeigt unfassbare Szenen. (ml)

Der größere Schwertwal – auch als Killerwal genannt – nahm immer wieder Anlauf und rammte den Segler mit voller Wucht. Zwei kleinere rüttelten hinten am Ruder, so der Skipper. Hinter dem aggressiven Verhalten der Orcas

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