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Wolf und Mensch - Eine wechselhafte Geschichte

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Die Beziehung zwischen Wolf und Mensch ist bis heute eine wechselhafte.
Die Beziehung zwischen Wolf und Mensch ist bis heute eine wechselhafte. © picture alliance/Lino Mirgeler/dpa

Der Wolf ist zurück in Deutschland. Zunehmend sorgen die Wildtiere für Diskussionen. Wenig verwunderlich, ist die Geschichte von Mensch und Wolf doch eine sehr wechselhafte.

Kassel - Der Wolf ist zurück in Deutschland. Nicht erst seit gestern streunt Isegrim wieder durch die Wälder zwischen Rhein und Oder. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn lange waren die Vorfahren der Hunde in Deutschland ausgestorben.

Der Wolf - Bewundert und gefürchtet

Dabei ist die gemeinsame Geschichte von Wolf und Mensch eine sehr lange. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen wahrscheinlich schon in der Steinzeit anfingen, Wölfe zu domestizieren. Diese Tiere waren die Vorfahren der Hunde, wie wir sie heute kennen.

Ein weiterer positiver Aspekt prägte lange Zeit die Beziehung zwischen Mensch und Wolf. So galt das Tier lange Zeit als mystisch. Seine „übernatürlichen“ Fähigkeiten bei der Jagd nötigten den Menschen Respekt ab. Daneben symbolisierte der Wolf Stärke und Zähigkeit, jungen Männern band man Schuhe aus Wolfsfell, damit sie zu tapferen Kriegern wurden. Namen wie Wolfgang oder Wolfhard zeugen noch heute von dieser Verehrung für den Wolf.

Vom Vorbild zum Feindbild Wolf

Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf ist aber nicht nur von inniger Freundschaft und Bewunderung geprägt. Rund 180 Jahre lang haben sich Wölfe kaum in Deutschland blicken lassen. Schon um das Jahr 1750 herum war der Wolf auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik zur Seltenheit geworden. Grund dafür war die intensive Jagd auf den Fleischfresser. Diese hatte noch früher begonnen.

Da im Mittelalter die Haltung von Rindern, Schafen und Schweinen zugenommen hatte, geriet der Wolf schnell in Konflikt mit dem Menschen. Denn was dem Menschen als Schnitzel, Kotelett oder Steak schmeckt, genießt der Wolf gerne roh und frisch von der Weide.

Angst vor der Gefahr durch Wölfe

Aber nicht nur Weidetiere versetzte der Wolf in Angst. Auch für Menschen stellte der Wolf eine Gefahr dar. Wichtiger Faktor war dabei insbesondere in früherer Zeit die Tollwut. Die Krankheit kann dazu führen, dass sich Wölfe aggressiv gegenüber Menschen verhalten, auch wenn sie nicht vorhaben, ihr Opfer zu fressen.

Im Unterschied dazu gibt es eine große Anzahl von Berichten, die darauf schließen lassen, dass Wölfe Menschen unter Umständen als Beute betrachten. Natürlich muss nicht jeder Angriff durch einen Wolf tödlich enden. Oftmals fallen Wölfe Menschen nur an, um herauszufinden, ob sich diese als Beute eignen.

Der Mensch als Opfer des Wolfes

Es gibt aber Berichte über regelrechte Wolfsplagen. An der Mosel soll sich eine solche im ausgehenden 12. Jahrhundert ereignet haben. Von mehreren menschlichen Opfern von Wolfsangriffen ist die Rede. Eine Untersuchung aus Frankreich kommt zu dem Schluss, dass dort zwischen 1362 und 1918 rund 7600 Menschen durch Wölfe getötet wurden. Davon entfielen 4600 Tode durch den Wolf auf Tiere, die nicht mit Tollwut infiziert waren.

In Deutschland sind ebenfalls diverse schriftliche Quellen zur Gefahr durch den Wolf bekannt. Ihnen fielen oftmals Kinder, aber auch Erwachsene zum Opfer. Auch wenn der Begriff „Problemwolf“ zu dieser Zeit noch nicht geprägt war, stellten sich immer wieder einzelne Tiere oder Wolfsrudel als Problem heraus.

Gezielte Ausrottung ganzer Wolfs-Populationen

So ging man im 15. und 16. Jahrhundert zur systematischen Verfolgung der Räuber über. Ziel war es, den Bestand der Wölfe bis zur Ausrottung zu verringern. Beliebtes Mittel waren dabei Treibjagden auf ganze Rudel. Waldgebiete, in denen sich Wölfe aufhielten, wurden mit Seilen umspannt, an denen Lappen hingen. Die Raubtiere schreckten meist vor diesen Absperrungen zurück und konnten von Jägern zusammengetrieben und dann erlegt werden. Immer wieder kam es aber auch vor, dass Wölfe „durch die Lappen gingen“.

Da aber der einfachen Bevölkerung das Tragen von Schusswaffen verboten war, griff diese zu anderen Methoden wie Gift, Gruben und „Wolfsangeln“, um sich vor der Gefahr durch den Wolf zu schützen.

Jagd mit der Wolfsangel

Wolfsangeln sind noch heute im Wappen vieler Gemeinden zu finden. Sie wurden aus Eisen geschmiedet. Es handelte sich um zwei miteinander verbundene Widerhaken, welche in einem Köder versteckt aufgehangen wurden. Die Wölfe mussten hochspringen, um den Köder zu erreichen. Dabei verfingen sie sich in den Eisenhaken und fanden einen qualvollen Tod.

Doch auch diese Bemühungen konnten die Gefahr nicht vollständig eindämmen. Aus den Jahren 1810 bis 1820 sind diverse Wolfsrisse an Menschen im damaligen Deutschland bekannt, häufig fielen Kinder den Angriffen zum Opfer.

Zeugnis der Beziehung zwischen Wolf und Mensch: Der Wolfsstein

Wie bewegt die Geschichte der Interaktion zwischen Mensch und Wolf ist, zeigen auch die sogenannten Wolfssteine. Häufig wurden diese errichtet, wenn man davon ausging, den letzten Wolf in der Region erlegt zu haben. Die meist in Stein gehauenen Denkmäler nannten Name des Schützen, Datum und oft Begleitumstände zum Tod des Wolfes. Auch eine Darstellung des Tiers ist teilweise zu sehen.

Der Wolf war nie ganz weg

Ein bekannter Wolfsstein ist in Melsungen im Schwalm-Eder-Kreis in Hessen zu finden. Er erinnert an den 18. November 1805, an dem der Rittmeister „von Wolf“ am Kesselkopf den damals letzten Wolf in Hessen erlegte. Ob der Wolf aber jemals ganz aus Deutschland verschwunden ist, daran lässt sich zweifeln. Für diese Zweifel bieten die Wolfssteine ebenfalls Belege. 

So wurde der „letzte“ Wolf in Brandenburg 1961 geschossen, der erste Wolf nach dem Zweiten Weltkrieg in Niedersachsen aber bereits 1948 gefunden. Allerdings handelte es sich bei den Fällen in den 1948 und 1961 Jahren um einzelne Tiere. Welpen oder geschlossene Siedlungsgebiete ließen sich nicht nachweisen.

Wiederbesiedlung des Wolfs in Deutschland

Erst ab den 1990er-Jahren beginnen wieder Populationen von Wölfen in Deutschland aufzutreten. Diese kamen aus den osteuropäischen Ländern. Dort war der Wolf aufgrund der geringeren Siedlungsdichte nie so stark zurückgedrängt worden, wie in Deutschland. Im Gegenteil konnten sich die Tiere dort in großen Gebieten relativ ungestört halten und vermehren.

Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Öffnung der Grenzen konnten sich diese Wölfe wieder freier bewegen. In der ehemaligen DDR wurden große Gebiete erst zu Truppenübungsplätzen und dann Naturschutzgebieten erklärt. Diese Bereiche eigneten sich gut für Wölfe, um heimisch zu werden.

Der Wolf ist wieder heimisch in Deutschland - und braucht Platz

Inzwischen werden in weiten Teilen Deutschlands wieder Wölfe mit Welpen beobachtet. Noch immer liegt der Schwerpunkt im östlichen Sachsen und Brandenburg. Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind Rudel heimisch geworden. In Hessen wurden ebenfalls bereits einzelne Paare beobachtet.

Da das durchschnittliche Territorium eines Wolfs eine Größe von rund 200 Quadratkilometern hat, gehen viele junge Tiere auf Wanderschaft, wenn sie sich von ihrem Rudel trennen. Je mehr Wölfe es gibt, desto mehr Fläche beanspruchen sie auch.

Wölfe sind wieder eine Gefahr für Nutztiere

Zum einen sind diese Wanderschaften Grund für die wichtigste Todesursache bei Wölfen. Knapp 75 Prozent streben bei Verkehrsunfällen. Zum anderen führen die Wanderungen wieder zu denselben Konflikten mit Menschen, wie es früher der Fall war. Zwar finden Wölfe in Deutschland Rotwild, welches ihre wichtigste Nahrungsquelle in hiesigen Gefilden ist. 

Aber auch Schafe und Ziegen sowie Kälber werden von Wölfen gerissen. Durchschnittlich zählte die „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ (DBBW) rund 1,75 Angriffe von Wölfen auf Nutztiere pro Tag im Jahr 2018. In diesem Zeitraum wurden 2067 Nutztiere durch solche Angriffe verletzt oder getötet. Das entspricht einer Steigerung von rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Der Wolf auf der Dorfstraße macht Menschen Angst

Diese hohen Zahlen brachten den Wolf auch wieder auf die politische Agenda, auf der er lange Zeit keine Rolle gespielt hatte. Es verlaufen tiefe Gräben zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Wolfs. Natürlich ist auch die Angst vor der Gefahr durch den Wolf ein Faktor. So gibt es eine „Bürgerinitiative für wolfsfreie Dörfer“ in Niedersachsen. Diese zählt zu ihren Motiven den Schutz von Menschen und Tieren. Auf die Frage „warum machen wir das“ antwortet die Initiative auf ihrer Website: „Weil wir unsere Kinder und unsere Tiere nicht hinter Gittern halten wollen, wenn der Wolf schon am hellen Tag auf der Dorfstraße steht“.

Weiter heißt es auf der Website: „Der Wolf macht den Menschen Angst, knurrt Kinder an und verfolgt sie. Menschen werden in ihrem Lebensraum eingeschränkt, sie müssen ihr Freizeitverhalten anpassen.“ Darum fordert die Gruppe klare Prioritäten beim Schutz von Mensch und Nutztier, Dialoge mit der Politik und aktives „Wolfsmanagement“.

Auch den Bundesrat beschäftigt der Wolf

Wie dieses Management aussehen kann, macht ein Beschluss des Bundesrates deutlich. Dieser sprach sich am 14.02.2020 für den erleichterten Abschuss der Wölfe aus. Zwar muss nach wie vor außer bei „Gefahr in Verzug“ jeder Abschuss von Landesbehörden genehmigt werden. Aber es braucht nur noch einen „ernsten“, keinen „erheblichen“ Schaden mehr. 

Weiterhin können Wölfe getötet werden, wenn sie in zeitlicher und räumlicher Nähe eines Risses auftauchen. Wenn noch immer Nutztiere sterben, können weitere Wölfe in der Nähe getötet werden. Mischlinge zwischen Hunden und Wölfen sind ebenfalls zum Abschuss freigegeben. Der Status des Wolfs als streng geschützte Art bleibt aber erhalten.

Der Schutz der Wölfe ist nicht ohne Risiko

Nicht erst seit dieser Gesetzgebung gibt es Menschen, die sich aktiv um den Schutz des Wolfes bemühen. Neben Naturschutzorganisationen wie WWF und NABU setzen sich Organisationen wie der „Freundeskreis frei lebender Wölfe e. V.“ gezielt für den Schutz der Wildtiere ein. Damit stehen sie gemäß einer repräsentativen Umfrage - im Auftrag des WWF - auf der Seite der Mehrheit. Gemäß der Umfrage freuen sich 70 Prozent der Deutschen über die Rückkehr des Wolfs.

Ihrer Ansicht nach ist der Wolf keine Gefahr, sondern eine Bereicherung und wichtiger Bestandteil des Ökosystems. Auch von der Faszination für den Wolf klingt immer wieder durch. Trotzdem müssen die Befürworter zugeben: „Durch Schutzmaßnahmen lassen sich die Risiken für Nutztiere senken, hundertprozentigen Schutz gibt es allerdings nicht“, wie der WWF Deutschland auf seiner Website schreibt.

Wolf und Mensch - Eine wechselhafte Geschichte mit offenem Ausgang

So setzt sich die wechselhafte Beziehung zwischen Mensch und Wolf bis heute fort. Vor der Ausrottung schützen den Wolf strenge Gesetze. Seine Ausbreitung wird aber durch den Menschen und seine Städte begrenzt. Dass es dabei zu Konflikten kommt, erscheint logisch. Ob und wenn ja wie sie sich lösen lassen, wird sich erst in Zukunft zeigen.

Von Marcel Richters

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