Krankenkassen: Beitragssenkung nicht in Sicht - Fragen und Antworten

Kassel. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind zu Jahresbeginn gestiegen. Dabei hat der Gesundheitsfonds, der das Geld an die Kassen verteilt, ein Milliardenpolster. Hunderttausende wechselten derzeit wegen Zusatzbeiträgen die Kasse. Fragen und Antworten zum Thema.
? Wie hoch sind die Summen, um die es geht?
!Der Gesundheitsfonds hat 2010 Rücklagen von etwa 3,6 Milliarden Euro angehäuft. Bis Ende des Jahres könnte das Polster wegen der guten Konjunktur auf 6,2 Mrd. Euro wachsen, so die Prognose des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kassen selbst haben laut Experten weitere 6,3 Mrd. Euro auf der hohen Kante.
? War die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge unnötig?
!Dieser Ansicht ist der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er fordert, den Beitragssatz für die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer um 0,3 Prozent zu senken. Sie würden dann nicht mehr zahlen als 2010. Allerdings steht Lauterbach damit allein da.
? Was spricht gegen die Beitragssenkung?
!Laut Gesetz muss der Fonds eine Reserve von einem Fünftel der Monatsausgaben vorhalten – etwa drei Mrd. Euro. Mit der Reserve wird die Liquidität sichergestellt, sagt Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen. Außerdem würde das Geld bald fehlen, um den Sozialausgleich und Zusatzbeiträge für Hartz-IV-Empfänger zu bezahlen.
? Was hat es mit diesen Zusatzbeiträgen auf sich?
!Eine gesetzliche Krankenkasse verlangt sie von ihren Mitgliedern, wenn sie mit dem Geld nicht auskommt. Wenn der Betrag zwei Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens übersteigt, bekommt das Mitglied einen Ausgleich aus dem Fonds. Maximal 74,24 Euro Zusatzbeitrag im Monat müssen gezahlt werden. Denn die Einkommensgrenze für Krankenkassenbeiträge beträgt 3712 Euro.
? Wird dieser Ausgleich immer voll gezahlt?
!Nein. Ausgeglichen wird nicht der reale, sondern ein durchschnittlicher Zusatzbetrag, für dessen Berechnung alle Kassen herangezogen werden. Dieser Wert ist im Moment bei Null. Wer ein geringes Einkommen hat, kann auf seinem hohen Zusatzbeitrag sitzenbleiben. Auch Hartz-IV--Empfänger kommen am Zuschlag nicht ganz vorbei.
? Erhalten Kassen mehr Geld, weil der Fondstopf voll ist?
!Nein, sie erhalten das Geld nach Pauschalen für die Patienten. Für besondere Krankheiten gibt es Zuschläge.
?Gibt es ein Kündigungsrecht bei Zusatzbeiträgen?
!Ja. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende. Die Zusatzbeiträge müssen nicht gezahlt werden, während die Kündigung läuft.
Welche Krankenkassen Zuschläge verlangen finden Sie auf www.krankenkassen.de
Schneller Wechsel möglich
Wenn die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag verlangt, gilt ein Sonderkündigungsrecht
Spätestens vier Wochen bevor sie einen Zusatzbeitrag erhebt, muss eine gesetzliche Krankenkasse ihre Versicherten darüber und über das Sonderkündigungsrecht informieren. Darauf weist die Verbraucherzentrale Niedersachsen hin. Die Betroffenen haben also mindestens vier Wochen Zeit um zu kündigen, bevor der Zusatzbeitrag erstmals fällig wird. Die Frist beträgt zwei Monate.
Ein Beispiel: Wer im Februar kündigt, wird zum 1. Mai Mitglied der neuen Krankenkasse. „Wer das Sonderkündigungsrecht nutzt und zu einer anderen Kasse wechselt, muss den anfallenden Zusatzbeitrag trotz der Kündigungsfrist nicht zahlen“, erklären die Verbraucherschützer.
Achtung: Wer die Frist zur Sonderkündigung verpasst, kann zwar „regulär“ seiner Krankenkasse den Laufpass geben. Dann muss er aber den Zuschlag bei seiner alten Kasse zahlen, bis er Mitglied bei seinem neuen Versicherer ist. Ansonsten gilt: Freiwillig und Pflichtversicherte müssen nach einem Wechsel in der Regel 18 Monate in ihrer neuen Kasse bleiben, bevor sie erneut in eine andere aufgenommen werden können, so die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Das Sonderkündigungsrecht wird davon aber nicht berührt. Dieses gilt übrigens auch, wenn bisher gezahlte Prämien wegfallen. Mitglieder von gesetzlichen Kassen, die spezielle Wahltarife nutzen, etwa Selbstbehalttarife, binden sich bis zu drei Jahre an ihren Versicherer. Beim Wechsel der Krankenkasse sollten sich Versicherte nicht nur von Ranglisten und der Höhe von Zusatzbeiträgen leiten lassen. „Viel wichtiger ist die individuelle Situation“, erklärte Kai Vogel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Das Gute ist: Keine Kasse darf einen neuen Kunden wegen seines Alters oder seiner Vorerkrankungen ablehnen“, sagt Vogel. (wll/dpa)
Weitere Informationen mit Musterbriefen zur Kündigung der Krankenkasse finden Sie unter: www.krankenkassen.de/krankenkasse-wechseln/ www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/UNIQ129623928424678/link671251A.html
Von Barbara Will
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