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Rederecht nur über Wirtschaft

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Leipzig / Kassel. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) dürfen sich nur zu Themen äußern, die „nachvollziehbare Auswirkungen“ auf die gewerbliche Wirtschaft in ihrem Bezirk haben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden und damit in dritter Instanz einen Rechtsstreit zwischen der IHK Kassel und dem Kasseler Unternehmer Kai Boeddinghaus entschieden. Dieser ist, weil Unternehmer, Pflichtmitglied in der IHK und zugleich Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern.

Limburger Erklärung

Der Streit hatte sich an der sogenannten „Limburger Erklärung“ entzündet, einem Grundsatzpapier der hessischen Industrie- und Handelskammern, das sich auch mit der Bildungs-, Hochschul- und Energiepolitik beschäftigte. Nach Meinung von Boeddingshaus hätte sich die Kammer solche Bemerkungen verkneifen müssen, weil sie damit ihre Zuständigkeit überschritt. Vor dem Verwaltungsgericht in Kassel blitzte der streitbare Kammerkritiker ab, der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel gab ihm teilweise Recht: Zu Bildungs- und Umweltpolitik etwa hätten die Kammern nichts zu sagen.

Die Leipziger Richter sehen das weniger streng: Nach ihter Entscheidung darf eine IHK auch zu wirtschaftlichen Randthemen Stellung nehmen. Sie muss aber „im textlichen Zusammenhang“ klar machen, was das mit der Wirtschaft in ihrem Bezirk zu tun hat, so die Richter.

Diese richterlichen Formulierungshilfen im Blick, fühlen sich nun Kläger und Beklagte gleichermaßen als Sieger. „Solche Urteile sind nicht unmittelbar wirksam“, sagt Boeddinghaus. „Aber es werden jetzt Grenzen gezogen, die es vorher nicht gab.“ Wie diese genau aussähen, werde die Urteilsbegründung zeigen, die noch nicht vorliegt. Außerdem müssten die Stellungnahmen der IHK laut Richterentscheidung objektiv und zurückhaltend sein. „Darum haben sich die Kammern bisher nicht gekümmert“, kritisiert Boeddingshaus. Die IHK Kassel zeigt sich ebenfalls zufrieden. Schließlich dürfe man zu allen wirtschaftlichen Themen etwas sagen, also auch zur Energie- und Umweltpolitik.

In einem Punkt musste die IHK einen Rüffel aus Leipzig einstecken. Die Limburger Erklärung sei insgesamt, unabhängig von ihrem Inhalt, nichtig, stellten die Richter fest. Denn das Grundsatzpapier sei nicht vor Veröffentlichung von der Vollversammlung, dem „Parlament“ der Kammer abgesegnet worden. Es sei sicherzustellen, dass bei grundsätzlichen Äußerungen die Vollversammlung entscheide, sagte Walter Lohmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Kassel, dazu.

Die Mitgliedschaft in der IHK ist für Unternehmer gesetzliche Pflicht. Deshalb sei eine Industrie- und Handelskammer auch kein Interessenverband, erklärte eine Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts. Sie müsse vielmehr das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft im Auge haben. (Az.: BVerwG 8 C 20.09) Fotos: Fischer/Herzog/nh

Von Barbara Will

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