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Joe Kaesers Problem mit dem Öl

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Von: Philipp Vetter

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Hofft mittelfristig auf steigende Ölpreise: Siemens-Chef Joe Kaeser verteidigt den vielkritisierten Kauf von Dresser-Rand, einem amerikanischen Zulieferer aus der Öl-Industrie. © dpa

München - Siemens ist mit schlechten Zahlen ins Geschäftsjahr gestartet. Bei der Hauptversammlung kritisierten die Aktionäre vor allem den teuren Kauf eines Zulieferers aus der Öl-Branche. Vorstandschef Joe Kaeser hält seine Strategie langfristig für richtig und bittet um Geduld.

Über seine Kunden spricht Joe Kaeser eigentlich nie. Neulich aber, so erzählt es der Siemens-Chef am Morgen der Hauptversammlung, hatte er ein Treffen mit einem Vertreter aus der Öl-Branche in Saudi-Arabien. Eine Milliarde Dollar Umsatz mache dessen Unternehmen – pro Tag. „Man kommt sich da fast vor, wie ein kleines Startup“, sagt Kaeser.

Dass Kaeser aus dem Nähkästchen plaudert, hat einen Grund: Er hat viel Geld ausgegeben, um den amerikanischen Zulieferer für die Öl-Industrie Dresser-Rand zu kaufen. Rund 7,6 Milliarden Dollar. Die Firma liefert vor allem Maschinen für das umstrittene Fracking, bei der Öl und Gas aus sehr tief liegenden Gesteinsschichten gefördert wird. Die Anekdote aus Saudi-Arabien soll zeigen, wie viel Geld man in der Öl-Branche verdienen kann.

Schon bei Abschluss des Geschäfts galt der Kaufpreis als ziemlich hoch, heute liegt er in Euro gerechnet wegen des schwachen Währungskurses sogar noch höher. Und der Ölpreis hat sich seit der Bekanntgabe des Deals halbiert. Da verschiebt mancher Ölkonzern seine Investitionen in die Technik von Dresser-Rand vermutlich lieber in die Zukunft, in der Hoffnung, dass das Geld bald wieder fließt. Für Kaeser sind das schlechte Voraussetzungen, um sich der alljährlichen Versammlung der Siemens-Aktionäre in der Münchner Olympiahalle zu stellen.

Zumal das Geschäft auch unabhängig vom Dresser-Rand-Kauf im ersten Quartal des Geschäftsjahres, das bei Siemens im Oktober beginnt, alles andere als gut gelaufen ist. Der Gewinn brach um 25 Prozent auf nun knapp 1,1 Milliarden Euro regelrecht ein – vor allem wegen negativer Effekte bei Finanzderivaten. Aber auch die Gesundheitstechnik und der umsatzstärkste Bereich „Power and Gas“ schwächelten. „Power and Gas benötigt ein deutlich weiterreichenderes Konzept, um längerfristig zu den früheren Margen zurückzukehren“, sagt Kaeser. Der Konzernumsatz stieg zwar leicht um fünf Prozent, doch die Auftragseingänge – und damit die Umsätze der Zukunft – sanken um elf Prozent (siehe Grafik).

Angesichts der Zahlen und des Dresser-Rand-Kaufs sind viele der insgesamt 7700 Aktionäre und Vertreter bei der Hauptversammlung trotz der auf 3,30 Euro steigenden Dividende ungeduldig. Fondmanager Ingo Speich von Union Investment kritisiert, dass 2015 erneut ein Übergangsjahr bei Siemens sein soll. „Wie viele Übergangsjahre wollen Sie uns noch zumuten, Herr Kaeser?“, fragt er. Neben den Problemen mit dem Ölpreis seien auch die Umweltrisiken des Frackings längst nicht geklärt. „Sehen Sie hier keine Reputationsrisiken, Herr Kaeser?“ Auch Henning Gebhardt von der DWS kritisiert den Dresser-Rand-Kauf. „Auch wenn es für eine Beurteilung heute natürlich zu früh ist, so erscheint der Einstieg in Öl und Gas erst einmal misslungen.“

Kaeser verteidigt den Kauf von Dresser-Rand. Ein Drittel des Geschäfts mache die US-Firma mit Gas, hier gebe es ohnehin kein Problem. Beim Öl-Geschäft entfalle rund die Hälfte auf die „hochprofitable“ Wartung. „Ein Kompressor wird gewartet, egal, ob der Ölpreis bei 100 Dollar oder bei 50 Dollar ist.“ Aber Kaeser räumt ein, dass Investitionen verschoben werden und Siemens dies bereits spürt. Die langfristigen Prognosen seien aber „intakt“, er rechne mit steigenden Preisen. „Bei solchen Akquisitionen denken wir natürlich mittel- und langfristig.“

Im Gegensatz zu Kaeser entgeht Aufsichtsratschef Gerhard Cromme dieses Jahr weitgehend der Kritik der Aktionäre. Auch, weil das Aufsichtsgremium umbesetzt wird und es mit Noch-BMW-Chef Norbert Reithofer aus Sicht vieler Aktionäre nun einen potenziellen Nachfolger für Cromme gibt. Einige Spitzen bekommt aber auch Cromme ab. „Der Aufsichtsrat scheint nun wieder für die Zukunft gerüstet“, sagt Aktionärsvertreter Gebhardt. „Jetzt fehlt nur noch der finale Schritt.“

Auch der Vorstand wird zum 1. Februar erneut umgebaut. Janina Kugel wird künftig für Personalfragen verantwortlich sein (siehe Kasten). Gleich in der ersten Woche wird sie sich um die Auswirkungen des Effizienzprogramms auf die Arbeitsplätze bei Siemens beschäftigen müssen. Kaeser will dazu bei der Hauptversammlung noch nichts sagen. Es gebe eine „latente Unruhe“ im Unternehmen, räumt er ein. Die werde sich aber bald beruhigen, man sei jetzt soweit Entscheidungen zu treffen.

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