Nasa-Sonde spürt 47 bisher unbekannte Mars-Beben auf

Der Mars ist offenbar seismisch aktiver als gedacht, wie eine neue Studie und die Nasa-Mission „InSight“ zeigen. Das führt zu neuen Fragen.
Canberra – Der Planet Mars bebt. Das wissen Forschende spätestens, seit das Nasa-Landegerät „InSight“ Beben auf dem roten Planeten gemessen hat. Mehr als 400 Erschütterungen hat „InSight“ bisher aufgezeichnet, bei den meisten handelt es sich um kleinere Beben in der oberen Mars-Kruste oder um Spannungsrisse nahe der Oberfläche. Einige der Marsbeben könnten mit tektonischen Prozessen auf dem Planeten zusammenhängen, vermuten Forschende und haben vor allem zwei Beben in der Region Cerberus Fossae („Gräben des Kerberus“) im Verdacht. Die Region gilt als sehr jung – was zu seismischer Aktivität passen würde.
Nun hat ein Forscherduo mithilfe einer neuen Methode 47 bisher unentdeckte Mars-Beben in den Daten von „InSight“ gefunden. Alle konnten in der Region Cerberus Fossae lokalisiert werden, die Fachleuten zufolge innerhalb der vergangenen zwanzig Millionen Jahre vulkanisch aktiv gewesen sein muss. Die beiden Forscher – der Geophysiker Hrvoje Tkalčić von der Australian National University in Canberra und sein Kollege, der Geophysiker Weijia Sun von der chinesischen Akademie der Wissenschaften, haben ihre Studie zu den neu entdeckten Mars-Beben im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Mars-Lander „InSight“ hat zahlreiche Beben in der Region Cerberus Fossae gemessen
Magma-Aktivität im Mantel des Planeten Mars könnte der Auslöser der neu entdeckten Beben sein, vermuten die beiden Forscher. Erst dank der „InSight“-Mission wissen Fachleute, wie der Mars in seinem Inneren aufgebaut ist: Der Mantel beginnt in einer Tiefe von etwa 38 Kilometern und reicht bis 1560 Kilometer unter die Oberfläche. Er umschließt den flüssigen Mars-Kern und wird selbst von der etwa 37 Kilometer dicken Kruste des Mars bedeckt.

Studien-Autor Tkalčić geht davon aus, dass die wiederholten Beben und die Tatsache, dass alle in derselben Gegend des Planeten entdeckt wurden, auf eines hindeuten: Der Mars ist seismisch aktiver als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher dachten.
„Wir fanden heraus, dass diese Mars-Beben wiederholt zu allen Tageszeiten des Mars auftraten, während die von der Nasa in der Vergangenheit entdeckten und gemeldeten Mars-Beben offenbar nur während der Nacht auftraten, wenn der Planet ruhiger ist“, erklärt Tkalčić in einer Mitteilung seiner Universität. „Daher können wir davon ausgehen, dass die Bewegung von geschmolzenem Gestein im Mars-Mantel der Auslöser für diese 47 neu entdeckten Mars-Beben unter der Region Cerberus Fossae ist.“
Neue Studie: Mars-Region Cerberus Fossae ist „seismisch hochaktiv“
Tkalčić und sein Kollege Sun gehen davon aus, dass die Region Cerberus Fossae auf dem Mars „seismisch hochaktiv“ ist. Dieses Wissen könne dazu beitragen „fundamentale Fragen über das Sonnensystem und den Zustand des Mars-Kerns, des Mars-Mantels und die Entwicklung seines derzeit fehlenden Magnetfeldes zu beantworten“, erklärt Tkalčić. Das fehlende Magnetfeld des Mars interessiert die Forschung besonders, denn ohne ein Mangetfeld ist „Leben, wie wir es kennen, einfach nicht möglich“, betont Tkalčić und ergänzt: „Alles Leben auf der Erde ist nur möglich durch das Magnetfeld der Erde und seiner Fähigkeit, uns vor kosmischer Strahlung abzuschirmen.“
Warum hat der Planet Mars kein Magnetfeld?
Ein planetares Magnetfeld entsteht normalerweise im Inneren eines Planeten durch eine Art Dynamoeffekt: Eine rotierende, konvektierende und elektrisch leitende Flüssigkeit wandelt kinetische Energie in magnetische Energie um – ein Magnetfeld um den Planeten entsteht. Bisher war man davon ausgegangen, dass es im Inneren des Mars keine Aktivität gibt, da der Planet kein Magnetfeld hat. Diese Annahme scheint jedoch nicht ganz richtig zu sein.
„Die Mars-Beben helfen uns indirekt zu verstehen, ob im Inneren des Planeten Konvektion stattfindet“, erläutert Tkalčić. „Wenn diese Konvektion stattfindet, wonach es aufgrund unserer Ergebnisse aussieht, dann muss ein anderer Mechanismus im Spiel sein, der die Entwicklung eines Magnetfelds auf dem Mars verhindert“, so der Geophysiker weiter. „Das Magnetfeld des Mars zu verstehen – wie es sich entwickelt hat und in welchem Stadium der Geschichte des Planeten es zum Stillstand gekommen ist – ist für künftige Missionen sehr wichtig und entscheidend, wenn Wissenschaftler eines Tages menschliches Leben auf dem Mars etablieren wollen“, erklärt Tkalčić den Zusammenhang seiner Forschung mit künftigen Raumfahrt-Plänen.
Mars wird derzeit von mehreren Nasa-Robotern erforscht
Tatsächlich soll der Mars in Zukunft ein Ziel von Astronautinnen und Astronauten werden: Die Nasa plant, nach dem Mond den Mars ins Visier zu nehmen. Elon Musk, der Gründer des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX hat es noch etwas eiliger: Er geht davon aus, dass bereits 2029 die ersten Menschen auf dem Mars landen werden.
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Derzeit wird der rote Planet von mehreren Robotern erforscht: Die Rover „Curiosity“ und „Perseverance“ suchen nach Spuren von früheren Leben auf dem Mars, während der Lander „InSight“ weiter nach Beben lauscht. Allerdings ist unklar, wie lange „InSight“ noch funktionieren wird. Der Nasa-Rover „Perseverance“ hat unterdessen eine besondere Aufgabe: Er sammelt derzeit Gesteinsproben, die mit einer späteren Mission erstmals zur Erde zurückgebracht werden sollen. (tab)