Doch kein außerirdisches Raumschiff? Neue Studie erklärt, wie sich „Oumuamua“ fortbewegt

Der mysteriöse Himmelskörper „Oumuamua“ stammt aus dem interstellaren Raum und wirft viele Fragen auf. Eine neue Studie löst nun eines der größten Rätsel.
Berkeley – Im Herbst 2017 wurde in unserem Sonnensystem ein derart ungewöhnlicher Himmelskörper entdeckt, dass er noch mehr als fünf Jahre später regelmäßig für neue Nachrichten sorgt. Dabei war der Himmelskörper, der den Namen „Oumuamua“ bekam, nur etwa vier Monate lang mit großen Teleskopen zu beobachten. Die Beobachtungsdaten werden bis heute ausgewertet und Stück für Stück veröffentlicht.
„Oumuamua“ gilt als der erste Himmelskörper, der von außerhalb unseres Sonnensystems stammt. Worum es sich genau handelt, ist nicht klar, denn der Himmelskörper wirft Fragen auf: Er sieht nicht aus wie ein Komet und besitzt keine der typischen Kometen-Eigenschaften – weder zieht der Himmelskörper einen Schweif hinter sich her noch ist er von einer Koma umgeben. Darunter versteht man eine Hülle aus Gas und Staub. Stattdessen ähnelt er einem inaktiven Objekt, wie einem Asteroiden.
Name: | 1I/ʻOumuamua |
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Typ: | unklar - evtl. Komet oder Asteroid |
Datum der Entdeckung: | 19. Oktober 2017 |
Entdecker: | Pan-STARRS-Teleskop/Robert Weryk |
mittlerer Durchmesser: | etwa 200 Meter |
Form: | etwa zigarrenförmig |
Interstellarer Besucher „Oumuamua“ wirft viele Fragen auf
Doch auch dieser Vergleich stimmt nicht ganz, denn Asteroiden bewegen sich nicht von alleine. Sie befinden sich auf einer Umlaufbahn um einen Himmelskörper und werden von der Schwerkraft angetrieben. „Oumuamua“ dagegen wird offenbar von etwas angetrieben, obwohl das Objekt inaktiv wirkt. Schnell kamen Gerüchte auf, die bis heute existieren: Bei „Oumuamua“ könnte es sich um ein Alien-Raumschiff handeln, ist sich beispielsweise der renommierten Harvard-Chefastronom Avi Loeb sicher.
Doch nun zeigt eine Studie, die im Fachjournal Nature publiziert wurde, dass es eine schlüssige Erklärung dafür gibt, warum sich „Oumuamua“ wie mit einem Antrieb durch das Weltall bewegt. Jennifer Bergner (University of California in Berkeley) und Darryl Seligman (Cornell University) erklären das bisher unerklärliche Verhalten „Oumuamuas“ damit, dass der Himmelskörper Gas von seiner Oberfläche freigibt – und so angetrieben wird. Diese Erklärung wurde bisher ausgeschlossen, da kein Gas zu sehen ist.
Neue Studie erklärt, wie der Himmelskörper „Oumuamua“ angetrieben wird
Doch die beiden Forschenden erklären ihre Theorie mit molekularem Wasserstoff, den „Oumuamua“ ausstößt. Der Theorie der Forschenden zufolge entstand „Oumuamua“ in einem fremden Planetensystem als normales wasserreiches Planetesimal (die Vorstufe eines Planeten), das einem Kometen ähnelte. Auf seiner Reise durch den interstellaren Raum war der Himmelskörper kosmischer Strahlung ausgesetzt, die bewirkte, dass aus den Wassermolekülen molekularer Wasserstoff entstand, der in der Mischung aus Wasser und Eis des Himmelskörpers gefangen war.
Als „Oumuamua“ sich schließlich der Sonne näherte, veränderte das Eis seine Struktur und gab das eingeschlossene Eis frei – es fungierte als eine Art „Antrieb“ im Weltall. Marco Micheli, Planetary Defense Officer der europäischen Raumfahrtorganisation Esa, ist von der Studie überzeugt: Die beiden Forschenden würden zeigen, dass es genug Eis unter der Oberfläche von „Oumuamua“ gibt und dass es heiß genug werden kann, um den Wasserstoff freizusetzen. „Noch wichtiger ist, dass ihr Modell keine Menge an Wasserstoff benötigt, die für Astronomen auf der Erde sichtbar wäre“, schreibt Micheli in einem die Studie begleitenden Kommentar für Nature.
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Kurz: „Oumuamua“ könnte inaktiv ausgesehen haben, als er von den irdischen Teleskopen beobachtet wurde, obwohl er genügend Wasserstoff ausstieß, um davon angetrieben zu werden. „Der Vorschlag der Autoren ist kompatibel mit unserem aktuellen Verständnis, wie interstellare Objekte entstehen und geht nicht davon aus, dass sie exotisches Material beinhalten, das es in Kometen in unserem Sonnensystem nicht gibt“, schreibt Micheli weiter. Der Fachmann ist sich sicher: „Die Forschungsarbeit von Bergner und Seligman bietet vielleicht die erste einfache und physikalisch realistische Erklärung für die Eigenheiten dieses Objekts.“ (tab)