Forscher schätzen: 36 Zivilisationen könnten in der Milchstraße existieren
Neue Entdeckungen ermöglichen es Forscherinnen und Forschern, immer genauere Schätzungen über Leben in der Milchstraße abzugeben.
Nottingham – Immer wieder entdecken Forscherinnen und Forscher neue Exoplaneten. Das James-Webb-Teleskop ist dabei das neueste Werkzeug, das der Weltraumforschung zur Verfügung steht. Eine Frage, die Forschende bei der Suche nach neuen Planeten antreibt: Gibt es außerirdisches Leben?
Mangels harter Beweise haben zwei Forscher eine neue Schätzung darüber vorgenommen, wie wahrscheinlich die Existenz von Zivilisationen im Universum ist. Ihre im Astrophysical Journal erschienene Schätzung kommt zu dem Schluss, dass es derzeit dutzende funkfähige Zivilisationen in der Milchstraße geben könnte, wobei 36 die wahrscheinlichste Zahl ist. Diese mittels der sogenannten Drake-Gleichung erstellte Schätzung halten die Forscher für konservativ.
„Die Drake-Gleichung (erstmals 1961 aufgestellt) ist unser bestes und einziges Werkzeug, um diese uralte Frage zu beantworten, auch wenn sie auf Dingen beruht, die noch sehr spekulativ sind“, sagte Tom Westby, Ingenieur an der Universität von Nottingham in Großbritannien und Mitautor der Studie.

Weltraum: Die Drake-Gleichung über mögliches außerirdisches Leben bedarf einiger Mutmaßungen
Die Herausforderung besteht natürlich darin, dass die Berechnung auf einer Reihe von Annahmen beruht, von denen einige wesentlich mehr Mutmaßungen erfordern als andere. Für die unwägbaren Teile der Drake-Gleichung, wie beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass lebensfreundliche Planeten Leben hervorbringen, und die Wahrscheinlichkeit, dass Leben komplex genug wird, um Funksignale zu entwickeln, wandten sie sich der Philosophie zu.
Westby und Conselice konzentrierten sich bei ihrer Analyse vor allem auf das, was mit ausreichender Genauigkeit gemessen wurde – Sterne und Planeten. Sie berücksichtigten Beobachtungen darüber, wie schnell in anderen Galaxien Sterne entstehen, wie viele dieser Sterne über die für die Bildung von Planeten erforderlichen Materialien verfügen und wie viele Planeten das Kepler-Teleskop der Nasa in unserer eigenen Galaxie entdeckt hat.
Weltraum: Andere Forscher kritisieren Prämisse
Das sind gewaltige Annahmen, stimmt Westby zu, meint aber, dass sie ein notwendiges und vernünftiges Übel für eine solche Berechnung sind. „Das ist das große Problem der Astrobiologie, wenn man versucht, von einem Datenpunkt hier auf der Erde zu extrapolieren“, sagte er. „Aber wenn wir einer aus einer Stichprobe sind, sollten wir davon ausgehen, dass wir in den meisten Aspekten typisch sind.“
Andere Forscherinnen und Forscher haben jedoch Kritik an dieser Prämisse geübt. David Kipping, ein Astronom an der Columbia University, der vor kurzem eine ähnliche Studie auf Grundlage eines anderen statistischen Rahmens veröffentlicht hat, wies darauf hin, dass wir nicht wissen können, ob die Menschheit die Ausnahme oder die Regel ist.

„Wenn man einen Lotteriegewinner fragt, wie viele Lose er kaufen musste, um zu gewinnen, würde er wahrscheinlich sagen, ein paar Dutzend oder so, aber das bedeutet nicht, dass wir erwarten sollten, dass jeder nach ein paar Versuchen im Lotto gewinnt“, erklärt er in einer E-Mail an das Nachrichtenportal PopSci. Er betonte: „Die Voreingenommenheit der Gewinner verzerrt ihre Sicht der Realität. Das ist der grundlegende Fehler in ihrer Argumentation“.
Forscher: Erde könnte doch ein „besonderer“ Ort sein
Und es gibt Gründe für die Annahme, dass die Erde ein besonderer Ort sein könnte. Unsere gelbe Sonne zum Beispiel ist relativ ungewöhnlich in einer Galaxie, in der rote Zwergsterne die Norm sind.
Doch sofern wir keinen besonderen kosmischen Jackpot geknackt haben, sollten wir Gesellschaft erwarten. Nachdem sie ihre Beobachtungen, Schätzungen und Vermutungen zusammengetragen hatten, errechneten Westby und Conselice, dass zwischen vier und etwa 200 Zivilisationen (höchstwahrscheinlich etwa 36) in diesem Augenblick leben und auf Sendung sein könnten.
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„Einer der befriedigendsten Momente, als ich alle Zahlen in die endgültige Simulation einbrachte, war, dass die [endgültige] Zahl [von 36 Zivilisationen] relativ nahe bei eins lag“, sagt er, im Vergleich zu weniger plausiblen Schätzungen wie einer Milliarde oder 0,00000001. Er fügt hinzu, dass er diese Zahl für das absolute Minimum hält, „basierend auf unseren härtesten Annahmen, wie zum Beispiel der Annahme, dass wir kurz vor unserem eigenen Aussterben stehen“.
Weltraumforscher: Tausende Zivilisationen könnten zurzeit senden
Die beiden rechneten auch mit weniger strengen Annahmen. Beispielsweise der, dass sich technologische Zivilisationen schneller entwickeln als die fünf Milliarden Jahre, die wir für unsere Entstehung auf der Erde gebraucht haben, und dass solche Spezies über längere Zeiträume überleben können und ihre Funksignale länger als ein Jahrhundert senden. In diesen Fällen fanden sie heraus, dass nicht nur Dutzende, sondern Tausende von Zivilisationen in diesem Moment senden könnten.
Diese Ergebnisse geben der Suche nach außerirdischen Übertragungen eine Chance, wenn auch eine geringe. Selbst unter den optimistischeren Annahmen der Forscher (die von fast 3.000 derzeit sendenden Zivilisationen ausgehen), würde unser nächster Nachbar wahrscheinlich fast 2.000 Lichtjahre entfernt leben, was eine Textnachricht zwischen den Zivilisationen zu einer Angelegenheit von vier Jahrtausenden macht.
Unter Umständen war die Milchstraße nicht immer ein so karger Ort. Westby stellt fest, dass die Galaxie ihren Höhepunkt (in Bezug auf die Sternproduktion) vor etwa zehn Milliarden Jahren erreicht hat. Vielleicht waren fünf Milliarden Jahre danach, als auf der Erde nur Mikroben existierten, die beste Zeit für funkbasierte Kontakte. „Wir könnten zu spät zur Party sein“, sagte Westby. (lz)
In einer anderen Studie haben sich Forscher mit der Frage beschäftigt, wann die Menschheit mit außerirdischen Zivilisationen kommunizieren kann. Außerdem arbeiten Wissenschaftler an einer Botschaft, die sie ins Weltall schicken wollen.