Künstlicher Winterschlaf könnte vor kosmischer Strahlung schützen

Eine Studie zeigt: Künstlicher Winterschlaf könnte Menschen im Weltall vor kosmischer Strahlung schützen. Der Weg dahin ist jedoch noch weit.
Darmstadt – In gar nicht mehr allzu ferner Zukunft sollen Menschen weit hinaus ins Weltall fliegen. Die Rückkehr zum Mond ist für die kommenden Jahre geplant, in den 2030er Jahren soll es dann weiter zum Mars gehen, plant zumindest die US-Raumfahrtorganisation Nasa. Im Weltall sind Menschen jedoch kosmischer Strahlung ausgesetzt – und die gilt als eines der größten Gesundheitsrisiken für Menschen, die den Weltraum erforschen.
Für künftige Langzeitmissionen ins Weltall arbeitet die Forschung deshalb an geeigneten Strahlungsschutzmaßnahmen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Forschenden des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt hat sich in diesem Zusammenhang mit dem sogenannten Torpor beschäftigt. Der Begriff bezeichnet einen Zustand, den Tiere im Winterschlaf eingehen: die Körpertemperatur wird abgesenkt, der Stoffwechsel reduziert und Körperfunktionen wie Atem- und Herzfrequenz oder Sauerstoffaufnahme werden deutlich verlangsamt.
Im Winterschlaf fahren Tiere ihre Körperfunktionen zurück
Kurz: Die lebenserhaltenden Funktionen des Organismus werden zurückgefahren. Auch auf molekularer Ebene verändert sich in diesem Zustand einiges: Beispielsweise werden die Genaktivität und die Proteinbiosynthese auf ein langsameres Tempo reduziert. Der synthetische Torpor – eine Art künstlich erzeugter Winterschlaf – kann offenbar auch die Resistenz gegenüber Strahlung erhöhen, wie die Forschungsgruppe in einer Studie berichtet, die im Fachjournal Scientific Reports publiziert wurde.
Dass Tiere, die einen natürlichen Winterschlaf halten, in diesem Zustand gegen Strahlung resistent sind, war bekannt. Doch die Studie zeigt zum ersten Mal, dass dies offenbar auch für nicht Winterschlaf haltenden Tieren im künstlichen Torpor gilt. Für ihre Studie nutzte die Forschungsgruppe Ratten.
Künstlicher Winterschlaf könnte Astronauten vor kosmischer Strahlung schützen
Die beiden Hauptergebnisse der Forschungsgruppe: ein synthetischer Winterschlaf kann eine schützende Wirkung vor einer tödlichen Dosis an Kohlenstoff-Ionen haben, außerdem reduziert er die Gewebeschäden bei einer Ganzkörperbestrahlung. „Unsere aktuellen Ergebnisse lassen darauf schließen, dass synthetischer Torpor ein vielversprechendes Instrument zur Verbesserung des Strahlenschutzes im lebenden Organismus während einer langfristigen Weltraummission ist. Er könnte somit eine effektive Strategie zum Schutz des Menschen bei der Erforschung des Sonnensystems darstellen“, erklärt der Leiter der GSI-Abteilung Biophysik, Professor Marco Durante in einer Mitteilung.
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Zwei wichtige Faktoren bei der Verhinderung von Zellschäden sind der Studie zufolge eine geringere Sauerstoffkonzentration in den Geweben und ein reduzierter Stoffwechsel bei niedriger Temperatur. Bisher ist es technisch nicht möglich, Menschen sicher und kontrolliert in einen künstlichen Winterschlaf zu versetzen und auch für die Erforschung der strahlenschützenden Wirkung des synthetischen Winterschlafs ist noch viel Forschung notwendig. Doch die Studie zeigt einen möglichen Weg, um Menschen auf Langzeitmission im Weltall künftig vor der hohen Strahlenbelastung zu schützen. (tab)