1. Startseite
  2. Waldeckische Landeszeitung
  3. Lokalsport

0,75 Bratwürste pro Nase: Jörg Virnich bewirtet zu Hause die Schweizer Springer und an der Schanze die Fans

Erstellt:

Von: Dirk Schäfer

Kommentare

Kaffee-Nachschub: Jörg Virnich, „Head of Bewirtung“ des Ski-Clubs Willingen, koordiniert und packt selbst mit an.
Kaffee-Nachschub: Jörg Virnich, „Head of Bewirtung“ des Ski-Clubs Willingen, koordiniert und packt selbst mit an. © Artur Worobiow

Willingen – Die W-Frage beschäftigt schon seit Jahrzehnten Journalisten und Menschen, die auch mal Großveranstaltungen organisieren. Wie viele Würstchen werden an einem Weltcup-Wochenende gegrillt?

Für Jörg Virnich ist diese Frage eine von vielen und beileibe nicht die, die ihm am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Als Kopf der Abteilung Bewirtung unter den Free Willis sorgt der Willinger nicht nur für genug Essen – und füllt nicht nur die rund 50 000 Mägen an der Mühlenkopfschanze.

Virnich hat auch ein Leben neben den Weltcup. Mit seiner Familie betreibt er das Waldhotel, in dem die Schweizer Mannschaft seit Jahren logiert. Und auch, wenn dort Frau und Sohn den Laden am Laufen halten, lässt der Hotelier die Kernarbeit nicht gänzlich ruhen. Nach Mitternacht ins Bett, um 3 Uhr wieder raus – typisch Weltcup-Woche. „Erstmal stehe ich zwei Stunden am Herd, ehe es zur Schanze geht.“

Für den gelernten Koch wohl eine Art Entspannung. Der echte Stress wartet rund um die Schanze, wo der 52-Jährige mit knapp 600 Helfern gefordert ist: Dienste einteilen, genug Vorräte anlegen, Essens- und Getränkestände versorgen, Nachschub besorgen, und diesmal auch Tische und Bänke im Festzelt aufbauen – eine Maßnahme, um die Zahl der Gäste nicht ins Unermessliche ansteigen zu lassen.

Nicht nur die Zuschauer werden vom Team bewirtet – auch die Fernsehteams sowie die Springerinnen und Springer im Adlerhorst und im Funktionsgebäude am Schanzenturm. „Manche essen sogar recht viel, wenn es gute Verbrenner sind. Die Frauen haben voriges Jahr fast gar nichts gegessen. Da waren die Helfer etwas enttäuscht“, sagt Virnich.

Frischware ist schwer zu kalkulieren

Da blieb also genug übrig. Dass nicht so viel übrig bleibt, ist eine der Denkaufgaben für Virnich und Co. Nicht nur in Zeiten von Nachhaltigkeit. „Der Bedarf an Glühwein lässt sich im Grunde gar nicht berechnen; das hängt zu sehr vom Wetter ab. Frischware ist natürlich schwer zu kalkulieren. Bei Kommissionsware stellt sich das Problem nicht so “, erklärt Virnich. Er versichert aber, es besteht kein Grund zur Panik, dass die Mühlenkopfschanzen essens- und getränketechnisch trocken gelegt wird: „Die Reserve reicht aus, um abschätzen zu können, ob der Vorrat reicht oder ob man am nächsten Morgen eine neue Lieferung braucht.“ Gut 20 Jahre ist Virnich jetzt schon ein Free Willi.

Gleichwohl war das Catering 2023 ein bisschen Neuland. Zwei Jahre lang waren es schließlich nur ein paar Dutzend statt Zehntausende, die in Willingen zu Gast waren. „Nach der Coronazeit war es teilweise wie ein Neuanfang. Auch die Helfer waren etwas unsicherer“, sagt Virnich. Nicht alle Griller, Frittierer und Limoverkäufer sind aber wiedergekommen. Erstmals musste der Ski-Club die lukrativen Stände in und direkt am Festzelt verpachten.

„Dort haben viele Free Willis geholfen, die über 70 sind und schon länger angekündigt hatten, dass sie aufhören“, erklärt Virnich, der die Corona-Weltcups aber nicht stressfreier empfand, als die Springen mit Zuschauern. „Durch die Pandemie-Vorschriften hatte ich kaum Helfer, da sind auch 500 Portionen Essen anstrengend.“

Neuheiten warten selten auf die Skisprung-Fans

Jetzt sind es wieder weit mehr Portionen. Die Arbeit beginnt – von Manöverkritik und Nachlese direkt nach einem Weltcup abgesehen – für Virnich meist Anfang Dezember. Grundlage für die Kalkulation ist der Verbrauch 2019, weil 2020 ein Springen ausfiel. Probleme, Ware zu beschaffen, etwa wegen Lieferengpässen, gab es keine. Neuheiten warten selten auf die Skisprung-Fans. „Ich habe in all den Jahren gut 30 andere Angebote ausprobiert, weil es hieß, die Zuschauer wollten dies. Aber das war alles kein Renner“, so Virnich, „zum Experimentieren ist das Publikum zu groß.“ Man greife auf Bewährtes zurück.

Auch im Regen hat man Hunger und Durst: Zuschauer des Skispringens haben bei Essen und Trinken eine gute Auswahl. Rund 600 Helfer sorgen fürs Wohlergehen.
Auch im Regen hat man Hunger und Durst: Zuschauer des Skispringens haben bei Essen und Trinken eine gute Auswahl. Rund 600 Helfer sorgen fürs Wohlergehen. © Artur Worobiow

Womit wir wieder bei der W-Frage wären. Die aber Jörg Virnich selbst nach 20 Jahren nicht ganz beantworten kann. Mitnichten sei es aber so, dass man bei 50 000 Zuschauern auch 50 000 Bratwürste einkaufen müsse. „Es gibt keine Faustregel, es gibt ja auch mehr als nur Würstchen zu essen. Wir gehen davon aus, dass 60 Prozent der Leute eine Wurst essen, maximal drei Viertel der Zuschauer. Macht also 0,75 Würstchen pro Nase. Klingt wenig. Aber drei Bier sind ja auch eine Wurst, sagt der Volksmund. (schä)

Auch interessant

Kommentare