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Freunde steigen auf: Badmintonspieler des TV Volkmarsen überraschen sich selbst mit Meisterschaft

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Siegerpose eines Badmintonspielers
Siegerpose: Frederic Schuh (Volkmarsen) bejubelt den Regionalliga-Aufstieg. © Werner Spitzkopf

Wer den Klassenerhalt als Saisonziel ausgibt und dann mit 24:0 Punkten Meister wird, dem könnte man Tiefstapelei unterstellen.

Volkmarsen – „Das war es aber nicht, denn wir haben uns in dieser Saison auch selbst überrascht“, sagte Felix Drude-Kampczyk (34), Spieler und Sprecher der Badminton-Mannschaft des TV Volkmarsen, die den Aufstieg von der Oberliga in die Regionalliga geschafft hat.

Niemand habe wegen Corona genau gewusst, wo er leistungsmäßig stehe, betont Drude-Kampczyk und dann kam auch das Glück hinzu: „Wir hatten keinen Ausfall, andere Mannschaften schon.“

Das klingt fast schon wieder nach zu viel Bescheidenheit, denn Frederic Schuh, Gesa Thunert, Fabian Drude, Svenja Hügel, Marcel Krafft und Felix Drude-Kampczyk können schon gut mit dem Federball umgehen, das gilt auch für Christian Krafft, Sebastian Becker, und „Oldie“ Carsten Tegethoff, die immer einsprangen, wenn Not am Mann war.

Badminton ist viel Kopfsache, wenn man eine zittrige Hand bekommt, funktioniert gar nichts mehr.

Felix Drude-Kampczyk

„Das ist nicht nur eine Mannschaft, sondern es sind auch Freunde“, beschreibt TVV-Abteilungsleiter Rainer Deutsch den Meisterkader und für ihn liegt darin der entscheidende Grund für diesen Durchmarsch in die Regionalliga - immerhin die dritthöchste Klasse in Deutschland. Aber Lobhudelei ist nicht Deutsch sein Ding, denn auf die Frage, ob er dieser Mannschaft den Regionalliga-Aufstieg zugetraut hat, sagt er: „Eigentlich nicht - erst seit diesem Jahr.“

Meister ohne einen Trainer und gemeinsames Training

Doch diese Leistung der Volkmarser Federballspieler ist noch einmal höher zu bewerten, wenn man etwas tiefer in diese Mannschaft hineinschaut. Sie hat keinen Trainer und kann auch so gut wie nie gemeinsam trainieren. Marcel Krafft, Felix Drude-Kampczyk, Christian Krafft und Sebastian Becker wohnen in und um Volkmarsen, Svenja Hügel wohnt in Köln, Frederic Schuh in Stuttgart, Gesa Thunert und Fabian Drude sind liiert und wohnen in Hamburg.

Alle Teammitglieder treffen sich im Jahr höchstens viermal zu gemeinsamen Trainingswochenenden, ansonsten bereitet sich jeder allein auf seine Saisonauftritte vor. Da läge noch Potential für eine Leistungssteigerung, aber mehr Badminton-Zeit ist nicht drin. „Dass wir nicht öfter gemeinsam trainieren können, ist schon ein großer Nachteil gegenüber den anderen Mannschaften, denn keiner von uns hat dadurch die Möglichkeit, mit seinem Doppelpartner zu trainieren“, betont Drude-Kampczyk, der auch den Trainerschein besitzt. Und obwohl Corona einige Trainingseinheiten hat platzen lassen, sieht der TVV-Kapitän bei seinen Teammitgliedern sportliche Fortschritte: „Geza, Frederic, Svenja haben sich richtig gut entwickelt. Frederic hat in dieser Saison kein Einzel verloren und der Jüngste von uns, Marcel Krafft, ist vor allem im Kopf gereift, und hat mental einiges draufgepackt.“

Der Trainingsumfang sei zwar nur geringfügig gesteigert worden, aber alles sei konzentrierter geworden, meint Drude-Kampczyk für den die mentale Kraft das A und O im Badminton ist: „Technische Dinge sind erlernbar, aber vieles ist bei diesem Spiel Kopfsache, weil es sehr feinfühlig ist, aber wenn man eine zittrige Hand bekommt, funktioniert gar nichts mehr.“

Außerdem müsse man in der Lage sein, vor dem Gegner Schmerz oder Schwäche zu unterdrücken und ihm den Siegeswillen zu zeigen. „Ich glaube, wir haben in dieser Saison viele Spiele gewonnen, weil wir es mehr wollten und weil das auch der Gegner gemerkt hat, da baut sich dann im Team eine ganz besondere Stimmung auf.“

Wirtschaftlich sehen die Volkmarser bei dem Unternehmen Regionalliga kein erhöhtes finanzielles Risiko. Die Auswärtsreisen seien kaum weiter als bisher, sagt Deutsch. Allerdings steht der langjährige Sponsor, ein Steuerberater aus Kassel, nicht mehr zur Verfügung. Er habe vor allem die Mannschaftseinkleidung von Ersten bis zu den Kindern bezuschusst. Die Suche nach einem neuen Sponsor läuft.

Wunschzettel an die Stadt

Die Mannschaft hofft in der neuen Liga auch auf mehr Zuschauer. Sie haben für ihre rund 60 Betrachter pro Heimspiel einiges zu bieten. Während viele Vereine Kuchen, Kaffee, Würstchen und Getränke verkaufen, damit Geld reinkommt, wird dem Publikum beim Badminton in Volkmarsen Kaffee, Kuchen, Bier, Wasser oder Limonade kostenlos gereicht. Wer will kann Geld in eine Spendendose werfen.

„Viele andere Vereine haben fast gar keine Zuschauer“, betont Drude-Kampczyk. Auch die vom Verband erlassenen Auflagen für die Regionalliga, sind für die Volkmarser leicht zu erfüllen. Eine Lautsprecher-Anlage müsse installiert und Schiedsrichter-Stühle platziert werden. Bisher haben die Spieler es ohne Referee hinbekommen, aber in der Regionalliga werden Schiedsrichter eingesetzt, die der Heimverein bezahlen muss.

Welche Wirkung hat dieser Aufstieg für die Stadt Volkmarsen? „Ich glaube oder befürchte, dass er keine starke Wirkung haben wird“, sagt Drude-Kampczyk. Dabei sei Volkmarsen bundesweit auf der Badminton-Landkarte eine bekannte Adresse.

Kapitän und Abteilungsleiter schreiben einen kleinen Wunschzettel an die Stadt: Sie wünschen sich, dass alle Heimspiele in der Regionalliga in Volkmarsen austragen werden und für die Auswärtsspiele wäre es nicht nur umweltfreundlich, wenn sie sich mal einen Kleinbus ausleihen könnten. Von den Bürgern sei die Resonanz auf den Aufstieg gut, Spieler würden auf der Straße angesprochen, der neu eingerichtete Live-Ticker sei gut angenommen worden und viele Glückwünsche seien über die Sozialen Medien eingegangen.

„Wir haben keine Spitzenspieler aber auch keinen Schwachpunkt“

Seinen Anteil am Aufstieg hat auch Helmut Rest, der die Schläger spannt und besaitet. „Helmut macht das schon seit Jahrzehnten, wenn uns Samstag eine Saite reißt und Sonntagmorgen ist das nächste Spiel, dann setzt er sich auch nachts hin und macht das“, erzählt Drude-Kampczyk.

Hält der Kapitän das Team überhaupt für regionalligatauglich? Die Antwort kommt wie aus des Pistole geschossen: „Ja natürlich.“ Einige Spieler seien sogar noch entwicklungsfähig. Der Verein sucht erst gar nicht nach Neuzugängen. Die Mannschaft weiß, dass in der Regionalliga das Spiel schneller wird, vor allem im Doppel. Das heißt, die Fitness muss stimmen. „Wir werden mehr trainieren, mal sehen was jeder so draufpacken kann“, kündigt Drude-Kampczyk an.

Außerdem wolle das Team zur Saisonvorbereitung mehr Turniere bestreiten. „Wir brauchen eine hohe Konstanz in unserem Spiel, das war auch in dieser Saison unsere Stärke, wir haben keinen Spitzenspieler, aber auch keinen Schwachpunkt in der Mannschaft.“

Der Kapitän blickt zuversichtlich in Richtung Regionalliga, obwohl er keine guten Erfahrungen mit dieser Spielklasse gemacht hat. Die Volkmarser waren bereits in der Saison 2008/09 aufgestiegen. Doch das Team um den jungen Felix Drude holte nicht einen einzigen Punkt. „Das ist mein persönliches Trauma, das möchte ich so nicht stehenlassen.“ (rsm)

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