„In der Hochzeit meiner Karriere“: Patrick Lange über sein neues Buch und die alte Liebe Hawaii

Zwei Jahre wurde er fast schon gehypt, dann wurde es still um ihn: Patrick Lange. Was hat der Wildunger gemacht in seit seinen großen Erfolgen? Und will er auf die große Bühne zurück?
Dem Iron-Man-Weltmeister von 2017 und 2018 haben der Ausstieg beim WM-Rennen 2019 und die Corona-Pandemie schwer zugesetzt. Der Triathlet des DSW Darmstadt trennte sich erst von seinem Trainer Faris-Al Sultan, im Herbst dann auch von seinem Manager Jan Sibbersen. 2021 gab es aber sportlich auch wieder positive Schlagzeilen: unter anderem Sieg beim Klassiker Challenge Roth.
„Beim Nachtisch dürfen es über die Feiertage gerne auch zwei Portionen sein“, sagt Lange über die Zeit rund um den Jahreswechsel. Er verbrachte sich gewohnt asketisch, auch, weil er zwei Tage vor Weihnachten seine Booster-Impfung bekommen hat. „Ich bin das erste Mal nach meinem Sieg beim Ironman Tulsa im Juni geimpft worden, und das hat meiner Leistung nicht geschadet. Deswegen wüsste ich nicht, warum man sich nicht impfen lassen sollte“, sagt der Bad Wildunger, der im Interview über seine Leidenszeit spricht und das Verhältnis zu Rivale Jan Frodeno, aber auch nach vorn schaut.

Bevor Lange in diesem Jahr zum dritten Male Weltmeister werden will, stellt er sein erstes Buch vor: Ende Februar erscheint „Becoming Ironman: Mein Weg zum Weltmeister im Triathlon“.
Herr Lange, welche Vorsätze haben Sie mit ins neue Jahr genommen?
Ich erwarte 2022 ein spannendes Jahr. Sportlich stehen die beiden Ironman-Weltmeisterschaften im Mai und Oktober im Fokus. Privat steht für mich im wahrsten Sinne des Wortes ein ganz spannendes Kapitel an, weil am 22. Februar mein Buch erscheint. Ich bin gespannt, was sportbegeisterte Menschen zu meiner Geschichte sagen werden.
Vorweg: Haben Sie das Buch selbst geschrieben?
Nein, das hat Carola Felchner übernommen, denn ich bin einfach kein Autor. Aber alles, was faktisch erzählt wird, ist so geschehen und kommt aus meinem Mund. Wir haben mehr als zwei Jahre jede Woche für mindestens zwei Stunden telefoniert.
Auch Jan Frodeno hat längst seine Biographie veröffentlicht, in der er auch über seinen Burnout sprach. Spielt bei ihnen der Selbstverarbeitungsprozess der jüngeren Rückschläge auch eine Rolle?
Bestimmt. Mein Ausstieg beim Ironman Hawaii 2019 war beispielsweise ein absoluter Tiefpunkt. Die Neuausrichtung in meinem Management oder der Trainerwechsel (von Faris Al-Sultan zu Björn Geesmann, Anm. d. Red.) hängen damit ja auch zusammen. Dennoch glaube ich, dass es auf der anderen Seite insgesamt eine inspirierende Geschichte in meinem Leben gibt.
Welche?
Das Buch „Becoming Ironman“ startet mit meiner Kindheit in Bad Wildungen und beschreibt, wie ich zum Sport gefunden habe. In meiner Jugend sah ich mich häufig damit konfrontiert, dass mein Traum Profisportler zu werden, schnell abgestempelt wurde. Mein Weg verlief nie geradlinig, und es gab genug Momente, in denen ich aufgeben wollte. Ich möchte den Menschen mitgeben, dass es wichtig ist an sich selbst zu glauben und sich nicht entmutigen zu lassen! Hätte ich zu früh aufgegeben, wäre ich heute nicht da, wo ich bin.
Wer hat Ihnen besagte Steine in den Weg gelegt? Doch nicht ihre Eltern, oder?
Nein, meine Eltern haben mich immer unterstützt. Wenn ich zurück an mein Konfirmationsalter denke, so mit 13, 14 Jahren, reifte bei mir bereits die Vorstellung, Wettkampfsport zu machen. Aber jeder sagt dir in deiner Schulzeit von Kindesbeinen an: ‚Du verfolgst ein Hirngespinst. Mache was Gescheites!‘ Das ist der typische deutsche Satz, den du immer wieder hörst. Dagegen musste ich mich sehr lange durchsetzen.
Sie haben ja erst eine Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht und in diesem Beruf auch gearbeitet. Wären Sie dort nicht glücklich geworden?
Den Physio-Job habe ich ja damals gewählt, um im Sport bleiben zu können. Ich wäre diesen Weg weitergegangen, um anderen Sportlern zu Erfolgen zu verhelfen, wenn ich es nicht zum Profi geschafft hätte. Mir gefällt es, jeden Tag seine eigenen Grenzen auszuloten; mich mit Menschen zu umgeben, die ihr Bestes im Sport wie im Beruf geben. Ich bin ja auch bei mir selbst der Meinung, dass in mir noch ein nicht abgerufenes Potenzial schlummert.
Sie waren extrem niedergeschlagen, als 2021 kurzfristig der Ironman Hawaii abgesagt wurde. Was geht in einem Triathleten vor, der sich monatelang für dieses Ziel gequält hat?
Für mich war das der Tiefpunkt der Saison. Der Triathlon atmet einfach diesen Ironman Hawaii. Das ist unsere Essenz. Was hinzu kam: Ich habe fest daran geglaubt, dass Hawaii stattfinden kann. Ich habe für diesen Ironman so sehr gebrannt, es ging alles für mich in die richtige Richtung. Mein Team, vor allem mein Trainer hat mich zum Glück schnell aufgefangen, und wir haben uns für den Start in Roth entschieden. Der Wettkampf hat mir durch meinen Sieg wieder einiges gegeben. Ganz ehrlich: Die harte Währung des Sports ist Erfolg.
2022 soll es zwei Ironman-Weltmeisterschaften geben, aber nur die zweite wird auf Hawaii stattfinden. Was sagen Sie zum ersten Rennen im Mai 2022 in St. George/USA?
Den Mythos Hawaii kann das Rennen unmöglich ersetzen. Das sieht auch niemand in der Szene so. Die erste Veranstaltung ist ein Nachholtermin, aber unsere Weltmeisterschaft sollte danach immer auf Hawaii stattfinden. Da gehört sie hin. Für viele Menschen ist Triathlon einfach der Ironman Hawaii.
Waren Sie eigentlich sehr enttäuscht darüber, dass Sie bei den Triathlon Awards in Langen nicht zum Triathleten des Jahres gewählt worden sind, sondern wieder Jan Frodeno, dessen beste Darbietung bei einem privat organisierten Rennen gegen Lionel Sanders im Allgäu erfolgte?
(überlegt). Ich hätte mir tatsächlich ein besseres Ergebnis erhofft. Aber ärgern tut mich das in dem Sinne nicht. Es ist ja eine Fanumfrage, und man muss sich nur die Reichweite eines Jan Frodeno anschauen. Da muss ich respektvoll anerkennen, dass er die doppelte Anzahl an Instagram-Followern hat. Er macht es einfach gut. Diese Wahl hat weniger mit sportlichen Leistungen zu tun.
Einige rechnen damit, dass Jan Frodeno in diesem Jahr seine Karriere beenden wird, denn er ist immerhin schon 40 Jahre alt.
Ich habe die Gerüchte einerseits auch gehört, andererseits gibt es die Spekulationen seit vielen Jahren. Jede sportliche Karriere ist endlich. Fakt ist nur: Wenn Jan morgen den Stift fallen lässt, dann hat er unbestritten die krasseste Triathlon-Karriere aller Zeiten hingelegt. Und dafür gebührt ihm jeder Respekt.
Hält diese Rivalität auch Ihre Motivation aufrecht?
Ich würde von einer beflügelnden Rivalität sprechen, die mir viel positive Energie gibt. Jan hat die Messlatte sehr hoch gelegt, ich bin dann nachgerückt, habe die Messlatte noch ein Stück höher gelegt, dann hat er wieder nachgezogen. Ich glaube, wir haben beide daraus einiges ziehen können.
Wie sieht denn ihre Lebens- und Karriereplanung noch aus?
Ich glaube, ich bin in der Hochzeit meiner Karriere; auch weil ich ein bisschen später angefangen habe als Sebastian Kienle oder Jan Frodeno. Für die Langdistanz stehe ich in voller Blüte und möchte noch mindestens fünf Jahre Vollgas geben.
Tut es denn nirgendwo weh?
Ich fühle mich fitter denn je. Ich habe meinen Körper einfach sehr gut kennengelernt und weiß, wo meine Schwachstellen liegen, bei denen ich präventiv vorbeuge. Ich kann inzwischen auf Leistungsdaten der vergangenen 15 Jahre zurückgreifen und hatte gerade im letzten Trainingslager so gute Werte wie nie zuvor. So lange ich das Gefühl habe, dass ich mich noch weiterentwickeln kann, mache ich weiter. Bei mir zwickt im Moment noch nichts.
Stichwort Prävention: Müsste in Pandemiezeiten der Effekt des Sports zur Stärkung des Immunsystems nicht stärker herausgestellt werden?
Da könnte ich jetzt ganz weit ausholen. Ich erhoffe mir durch die Pandemie einen Ruck in der Gesellschaft: hin zu mehr Bewegung, dass mehr Kinder wieder zum Sport geschickt werden. Wenn diese Krise mal überstanden ist, sollte auch der letzte gemerkt haben, dass Sport zum einen Spaß macht, zum anderen auch das Immunsystem resistenter macht. Und dass es einfach gut und schön ist, fit zu sein. Da reden wir gar nicht vom Leistungs-, sondern vom Breitensport. Diese extrem wichtige Botschaft nehmen hoffentlich alle aus der Pandemie mit. (Frank Hellmann)

Zur Person
Patrick Lange (35), in Bad Wildungen geboren und aufgewachsen, ist zweimaliger Sieger des Ironman Hawaii (2017 und 2018). 2018 wurde er als Deutschlands Sportler des Jahres ausgezeichnet. Triathlon betreibt er seit 2002. Lange lebt mit seiner Frau Julia, der er nach dem Hawaii-Sieg 2018 einen Heiratsantrag machte, seit 2019 in der Nähe von Salzburg.